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Reportagen und Berichte von Gerd Müller/GMC Photopress

Netanjahu, Gallant und Al-Masri müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen den israelischen Premier Netanyahu, Ex-Verteidigungsminister Gallant und den Hamas-Anführer Deif erlassen. Es geht unter anderem um mutmassliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Als Reaktion auf die Nachricht, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant sowie gegen Hamas-Anführer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hat, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard: 

«Die Mühlen der internationalen Justiz haben endlich diejenigen eingeholt, die mutmasslich für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Palästina und Israel verantwortlich sind. Die heutigen Haftbefehle sind ein historischer Durchbruch für die Gerechtigkeit. Sie sollen der Anfang vom Ende der allgegenwärtigen Straflosigkeit sein, die im Zentrum der Menschenrechtskrise in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet steht.» 

«Mit diesen Haftbefehlen bringt der IStGH endlich auch echte Hoffnung auf Gerechtigkeit für unzählige Opfer und stellt das Vertrauen in den universellen Wert internationaler Rechtsinstrumente und der Justiz wieder her.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International

«Premierminister Netanjahu ist nun offiziell ein gesuchter Mann. Nach seiner Anklage sowie der Anklage von Gallant und Mohammed al-Masri, allgemein bekannt als Mohammed Deif, dürfen die Mitgliedsstaaten des IStGH und die gesamte internationale Gemeinschaft nicht ruhen, bis diese Personen vor die unabhängigen und unparteiischen Richter*innen des IStGH gebracht werden. Es darf keinen ‘sicheren Hafen’ für Personen geben, die mutmasslich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.» 

«Mit diesen Haftbefehlen bringt der IStGH endlich auch echte Hoffnung auf Gerechtigkeit für unzählige Opfer und stellt das Vertrauen in den universellen Wert internationaler Rechtsinstrumente und der Justiz wieder her.» 

«Wir fordern nun alle IStGH-Mitgliedstaaten und Nicht-Vertragsstaaten, einschliesslich der Vereinigten Staaten und anderer Verbündeter Israels, auf, ihre Achtung vor der Entscheidung des Gerichts und den universellen Grundsätzen des Völkerrechts zu zeigen, indem sie die vom IStGH gesuchten Personen verhaften und ausliefern.» 

«Die Rechenschaftspflicht hoher Beamter für ihre zahlreichen Verbrechen ist ein entscheidender Schritt zur Beendigung der anhaltenden Rechtsverletzungen in Israel und dem besetzten palästinensischen Gebiet. Sie könnte dazu beitragen, die fortgesetzte Enteignung und Unterdrückung der Palästinenser*innen unter Israels rechtswidriger Besatzung und Apartheid zu bekämpfen.» 

«Die Haftbefehle des IStGH gegen Netanjahu und Gallant enthalten eindeutige Anklagen wegen Kriegsverbrechen, die ‘schwere Verstösse’ gegen die Genfer Konventionen darstellen. Jeder Staat der Welt ist verpflichtet, diejenigen vor Gericht zu stellen, die solche ‘schweren Verstösse’ begangen haben sollen, unabhängig von der Nationalität des Täters oder des Opfers.» 

Amnesty International erwartet auch von der Schweiz, dass sie die gesuchten Personen verhaften, sollten sie sich in der Schweiz aufhalten.  

Hintergrund 

Am 21. November 2024 erliess die Vorverfahrenskammer I des IStGH einstimmig zwei Entscheidungen, in denen sie die Anfechtungen des Staates Israel («Israel») gemäss Artikel 18 und 19 des Römischen Statuts (das «Statut») zurückwies und Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wegen Anklagen wie Kriegsverbrechen durch Aushungern als Mittel der Kriegsführung und vorsätzliche Anstiftung zu einem Angriff auf die Zivilbevölkerung sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen.  

Dieselbe Kammer erliess auch einen Haftbefehl gegen Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) wegen Anklagen seit dem 7. Oktober 2023, darunter die Verbrechen gegen die Menschlichkeit Mord, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt sowie die Kriegsverbrechen Mord, vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten, Geiselnahme, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, grausame Behandlung und Verstösse gegen die persönliche Würde.

Die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant betreffen Verbrechen, die zwischen dem 8. Oktober 2023 und dem 20. Mai 2024 begangen wurden, dem Tag, an dem die Staatsanwaltschaft die Anträge auf Haftbefehle stellte. Nach der Bestätigung des Todes von Yahya Sinwar und Ismail Haniyeh genehmigte die Kammer die Rücknahme der Anträge auf Ausstellung von Haftbefehlen gegen sie. In Bezug auf Deif hat die Kammer festgestellt, dass sie derzeit nicht in der Lage ist, festzustellen, ob Deif getötet wurde oder noch am Leben ist. 

Am 20. Mai 2024 reichte der Ankläger des IStGH bei der Vorverfahrenskammer Anträge auf Ausstellung von Haftbefehlen ein, die folgende Personen betrafen: Yahya Sinwar, Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) und Ismail Haniyeh wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die angeblich ab dem 7. Oktober 2023 auf dem Gebiet Israels und des Staates Palästina (im Gazastreifen) begangen wurden Oktober 2023 und Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die sie mutmasslich ab dem 8. Oktober 2023 auf dem Gebiet des Staates Palästina (im Gazastreifen) begangen haben.  

Am 3. März 2021 hatte der Ankläger des IStGH die Einleitung einer Untersuchung der Situation im Staat Palästina angekündigt. Dies folgte auf die Entscheidung der Vorverfahrenskammer I des IStGH vom 5. Februar 2021, dass der Gerichtshof seine strafrechtliche Zuständigkeit in dieser Situation ausüben kann und dass sich der territoriale Geltungsbereich dieser Zuständigkeit auf Gaza und das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, erstreckt.  

Quelle: Amnesty International

Azerbaijan: Call to release the imprisoned journalists

The 29th United Nations Climate Change Conference opens in Baku, Azerbaijan, an extractivist country renowned for its violent repression of the free and independent press. 

Over the past year, the authorities have arrested around fifteen journalists for their work. Nargiz Absalamova is one of the thirteen journalists currently in detention. She was investigating environmental issues. Detained since 30 November 2023 on trumped-up charges of ‘smuggling foreign currency’, she worked for Abzas Media, one of the few independent media still operating in Azerbaijan. To date, Nargiz Absalamova, four of her colleagues at Abzas Media and eight other independent media professionals have been subjected to ill-treatment or humiliating conditions in prison.

Setting an example in terms of protecting journalism, particularly environmental journalism, should be a prerequisite for hosting a United Nations climate conference. How can we accept that an oil-producing country that throws its independent journalists in prison should host negotiations that will determine the future of the world’s climate? 

RSF calls on the international community to demand that the Azerbaijani authorities release the imprisoned journalists, put an end to the flagrant violations of press freedom and finally commit to protecting independent journalism.

It is thanks to you that Reporters Without Borders can carry out this investigative work and call on the authorities to demand the release of journalists who have simply done their job. Thank you for your generosity. 
I SUPPORT RSF

REPORTERS SANS FRONTIÈRES (RSF)
Jeanne Cavelier, Head of the Eastern Europe & Central Asia Desk of RSF

Growing evidence, that Israel is deliberately targeting civilians

Last week I watched an incredibly brave surgeon tell parliament about the targeting of children in Gaza. Nizam Mamode’s testimony was harrowing from start to finish. Describing life in Gaza, he said “a bomb would drop on a crowded area and then the drones would come down and pick off civilians, children… this is not an occasional thing, this is day after day after day.”

The evidence is growing that Israel is deliberately targeting civilians as state policy. It is unbearable. But we cannot look away. Taken together, no other word serves to describe what is happening in Gaza, other than a genocide. And we cannot live through a genocide without using all of the tools at our disposal to bring it to an end and ensure it can never happen again.

But today, I want to ask for your help. We were only able to start campaigning on Gaza because most of our funding comes from ordinary people. That means we aren’t beholden to big funders who determine what we campaign on. We have the independence to take on those international issues which are most pressing.
One of the most shocking things about Israel’s onslaught on Gaza is our own government’s ongoing complicity in it. Arms are still flowing – despite a limited suspension. British military assets are being used to support Israel’s actions. And our government is deepening its economic relationship with the country.   

Conversations with new ministers have clearly failed to convince them to change tack. The only option is to increase the pressure they are feeling. And that’s where we come in. There are many incredible groups working to alleviate the suffering in Gaza that deserve support. Our role is to try to mobilise to shift the politics around this issue – without which things will only get worse.  

In the coming weeks we want to intensify this work. First, to ramp up pressure on arms sales. We’ve had some success but nowhere near enough. If ministers won’t listen to us, we’re going to make sure MPs listen to their constituents, building a series of online and offline actions.  

Second, we want to challenge our government’s economic relationship with Israel. It’s unconscionable that Britain is prioritising trade talks with Israel at this time. We want to mobilise to stop new trade talks, and to suspend the trade deal we’ve already got.  

Third, we are looking for new ways to apply pressure on Israel, including pressuring corporations. In particular, the role of tech companies has received too little attention. We want to conduct more research so we can expose complicity and build campaigns for divestment.  

This work is all more than we’d planned to do this year. But looking at the unbearable images emerging from Gaza, we have no choice but to do all we can to end this horror, undermining at the same time the root causes of injustice in Palestine.  
 
We can only do this with the support of our members. I don’t want to see any more of the terrible images I’ve seen in the last year. But I won’t look away. Please join me, and help build a movement to end this genocide.
(Source: Nick Dearden, Director, Global Justice Now)

Kinder werden durch russische Angriffe vermehrt verletzt und getötet

Die Gefährdungslage für Kinder in der Ukraine ist weiterhin dramatisch. Mit gezielten Luftangriffen auf zivile Ziele verbreiten die russischen Streitkräfte Angst und Schrecken. Zahlreiche Kinder wurden im laufenden Jahr auch in Gebieten weitab der Front verletzt und getötet.

Amnesty International untersuchte von Januar bis September 2024 17 Angriffe, bei denen sich Kinder unter den Opfern befanden. Die Recherchen von AI ergaben, dass die russischen Streitkräfte gezielt Zivilpersonen und zivile Infrastruktur angreifen. Basierend auf diesen Befunden bekräftigt Amnesty International die bereits wiederholt angebrachte Forderung an die internationale Gemeinschaft – darunter die Schweiz – die Verantwortlichen von rechtswidrigen Angriffen und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Ausserdem muss den Opfern von Kriegsverbrechen im Zuge des russischen Angriffskriegs Wiedergutmachung gewährt werden.

«Kinder gehören zu den verletzlichsten Gruppen in jeder Gesellschaft und geniessen daher besonderen Schutz durch das humanitäre Völkerrecht. Dennoch werden sie in Gebieten fernab der Front getötet und verletzt, auch in Regionen, in denen es keine militärischen Ziele gibt» Patrick Thompson, Ukraine-Experte bei Amnesty International

«Kinder gehören zu den verletzlichsten Gruppen in jeder Gesellschaft und geniessen daher besonderen Schutz durch das humanitäre Völkerrecht. Dennoch werden sie in Gebieten fernab der Front getötet und verletzt, auch in Regionen, in denen es keine militärischen Ziele gibt», sagte Patrick Thompson, Ukraine-Experte bei Amnesty International.

«Bei den Angriffen, die Amnesty International dieses Jahr dokumentierte, darunter der Luftangriff auf das grösste Kinderkrankenhaus der Ukraine in Kyjiw, handelt es sich um Kriegsverbrechen. Sie erinnern an den Beginn des Angriffskriegs, als die russischen Streitkräfte die Entbindungsklinik und das Theater in Mariupol bombardierten. Zivilpersonen und zivile Infrastruktur, darunter auch Krankenhäuser, die unter besonderem Schutz stehen, sind weiterhin Ziele rechtswidriger Angriffe, bei denen immer mehr Kinder getötet und verletzt werden.»

Anhaltende Angriffe auf Kinder stellen Kriegsverbrechen dar

Organisationen, die zivile Schäden in der Ukraine dokumentieren, berichten übereinstimmend, dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2024 erheblich gestiegen ist. Die Daten, darunter Zahlen des Büros des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte, deuten darauf hin, dass im Sommer 2024 besonders viele Kinder in der Ukraine getötet wurden. Das für die Überprüfung von Foto- und Videomaterial zuständige «Digital Verification Corps» von Amnesty International verifizierte über 120 Videos und Fotos von Angriffen auf Kinder. Expert*innen vor Ort führten weitere Recherchen durch.

Bei einem Angriff am 8. Juli 2024 schlug ein russischer Marschflugkörper Kh-101 in das Kinderkrankenhaus Okhmatdyt in Kiew ein. Er verursachte massive Schäden, zwei Menschen wurden getötet und über hundert weitere verletzt, darunter Kinder.

Der Chirurg Oleg Golubchenko operierte zum Zeitpunkt des Angriffs auf das Krankenhaus gerade ein Kind. Er sagte: «Als ich wieder zu mir kam, lag alles um mich herum in Trümmern und ich war verletzt. Ich spürte Wärme am ganzen Körper und sah, dass ich blutete. Aber meine Arme und Beine funktionierten und ich atmete. Ich konnte nur noch auf allen Vieren kriechen und sah dann, dass es dem Kind gut ging – obwohl die komplette Einrichtung zerstört war.»

Amnesty International hat 14 Fotos und 6 Videos überprüft, die den Raketenangriff auf Okhmatdyt und die Folgen zeigen. Die Fotos zeigen schwere Schäden an dem Krankenhausgebäude, zerbrochene Fenster und Trümmer sowie Blutflecken. Amnesty International konnte keine Hinweise für die Anwesenheit ukrainischen Militärs in dem weitläufigen Krankenhauskomplex oder seiner unmittelbaren Umgebung finden. Die schiere Grösse des Krankenhauses schliesst die Möglichkeit aus, dass der Marschflugkörper auf ein anderes Ziel gerichtet war. Denn die eingesetzte Waffe soll eine Zielgenauigkeit von 5 bis 20 Metern haben.

«Die Zunahme der Angriffe auf Zivilpersonen und der Anstieg der zivilen Opfer zeigt mit brutaler Gewissheit, dass die russische Aggression gegen die Ukraine einen enormen menschlichen Preis fordert. Diese unrechtmässigen Angriffe, insbesondere solche, bei denen Kinder getroffen werden, haben zum Ziel, Terror und Panik in der Zivilbevölkerung zu verbreiten. Die Straffreiheit der Verantwortlichen dieser Verbrechen muss beendet werden. Es ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass sie vor Gericht gestellt werden», sagte Patrick Thompson.

Hintergrund

Die steigende Zahl der getöteten und verletzten Zivilpersonen sowohl in der von der Regierung kontrollierten Ukraine als auch in den von Russland besetzten Gebieten und in russischen Regionen ist die unmittelbare Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der ein Verbrechen nach dem Völkerrecht darstellt.

Nach Angaben des Uno-Hochkommissariats für Menschenrechte sind etwa 89 Prozent der zivilen Opfer in ukrainisch kontrolliertem Gebieten zu beklagen. Es ist für Amnesty International nicht möglich, die Zahl der von russischen Quellen als getötet gemeldeten Kinder unabhängig zu überprüfen. Auch die Zuverlässigkeit der Informationen oder die angebliche Zuordnung dieser Angriffe zu ukrainischen Streitkräften kann nicht bestätigt werden.

Direkte Angriffe auf Zivilpersonen oder zivile Objekte sind verboten und stellen Kriegsverbrechen dar. Wahllose Angriffe auf bewohnte Gebiete, sind ein Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht. Auch stellen wahllose Angriffe, bei denen Gefahr besteht, dass Zivilpersonen getötet oder verletzt werden, Kriegsverbrechen dar. Amnesty International hat seit Februar 2022 zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen russische Streitkräfte solche wahllose Angriffe in der Ukraine durchführten, die zu Tausenden von Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt haben. Zudem wurden Belege für andere Kriegsverbrechen gefunden, darunter Folter, sexualisierte Gewalt und rechtswidrige Tötungen.

Alle für völkerrechtliche Verbrechen Verantwortlichen müssen in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. Zudem müssen die Opfer ihre Rechte auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung wahrnehmen können.

(Quelle: Amnesty International)

Schweizer Rohstoffkonzerne schummeln bei CO2 Reduktion

Dass Schweizer Rohstoffkonzerne täglich Millionen Tonnen Kohle, Öl und Gas handeln, ist inzwischen bekannt. Weniger aber, wovon sie in ihren Nachhaltigkeitsberichten abzulenken versuchen: Die Treibhausgasemissionen ihrer Produkte waren 2023 100-Mal grösser als jene der gesamten Schweiz. Das zeigen erstmalige Schätzungen von Public Eye. Doch statt ihr fossiles Geschäftsmodell zu reformieren, verkaufen Vitol & Co neuerdings einfach das vorgebliche Gegenmittel zur von ihnen mitverursachten Klimakrise: CO₂-Zertifikate.

Jedes Jahr, meist im Frühling, begeben sich die grössten Schweizer Rohstoffhändler auf einen Spiessrutenlauf. Sie schreiben Nachhaltigkeitsberichte auf Hochglanzpapier, die zwar immer dicker werden, aus denen aber etwas nicht zu sehr hervorscheinen darf: Ihr fossiles Kerngeschäft besteht aus dem Ankauf, Transport und Verkauf von Kohle, Öl und Erdgas. Neben den Erfolgsgeschichten über ihre Bildungsprogramme, Arbeitsplatzsicherheit oder Umweltmassnahmen erzählen sie seit einigen Jahren immer öfters auch von klimarelevanten Projekten. Denn spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen, das die Absenkung der klimaschädlichen Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null vorsieht, ist dieses gesellschaftspolitische Thema für die PR-Profis der Firmen ein potenzielles Pulverfass. 

Public Eye hat den Klimateil dieser Berichte genauer gelesen und zu verstehen versucht, wie die fünf grössten Schweizer Rohstoffkonzerne ihr Geschäftsmodell klimaverträglich gestalten wollen. Die Lektüre war entlarvend: Mittels beschönigender Methoden und wohlklingender Worthülsen kaschieren die Konzerne Glencore, Gunvor, Mercuria, Trafigura und Vitol, dass ihre fossilen Energieträger ganz wesentlich zum einem der drängendsten Umweltprobleme beitragen. Deshalb haben wir selbst nachgerechnet. Mit erschreckendem Fazit: Die durch ihre Rohstoffe verursachten Klimaschäden überstiegen diejenigen der gesamten Schweiz im Jahr 2023 etwa um das Hundertfache. Auch ihre selbstgesetzten Klimaziele und die von den Rohstofffirmen vorgeschlagene Lösung, die Klimakompensation, halten inhaltlich wie kalkulatorisch den anstehenden Herausforderungen kaum stand.

Die letzte fossile Party?

In den letzten Jahren bescherten Corona, Krieg und Krisen den Rohstoffhändlern historische Rekordgewinne, die es zu verteilen galt. Zunächst haben die Firmen Milliardenbeträge als Dividenden und Boni ausgeschüttet, alte Schulden beglichen und hunderte Millionen Dollar an Korruptionsstrafen abbezahlt. Doch die Konten sind noch immer prall gefüllt, womit theoretisch auch genügend Mittel für die notwendige Transformation vom fossilen hin zu einem klimaverträglichen Geschäftsmodell vorhanden wären.

Kürzlich von Trafigura gekauft: Erdölraffinerie in Fos-sur-Mer, Frankreich.

Praktisch offenbarten vier der Firmen vergangenen August jedoch andere Prioritäten. So kaufte sich der Genfer Konzern Trafigura zum Monatsbeginn eine neue Erdölraffinerie. Dann legte Ölhändler Vitol kräftig nach, und übernahm eine bedeutende Kohlehandelsfirma. Nur wenige Tage später verkündete Glencore nicht nur, dass Kohle weiterhin sein wichtigstes Geschäftsfeld bleibe: Mit der Übernahme bedeutender kanadischer Minen baute der Zuger Konzern diese Sparte sogar noch aus. Schliesslich vermeldete Gunvor einen neuen Ölhandelsrekord und die Aufstockung seines Ölhandels-Teams. Und das alles innerhalb jenes Sommermonats, in dem zum fünfzehnten Mal in Folge ein globaler Hitzerekord gemessen wurde.

Freiwillig fliesst von den Übergewinnen der Krisenjahre also viel zu wenig in echte Alternativen. Stellvertretend dafür steht die Investitionspolitik des Branchenprimus Vitol. Der Genfer Konzern lenkte letztes Jahr über vier Fünftel seiner Gelder in den Ausbau seiner Geschäfte mit fossilen Energieträgern, wobei mehr als 8 Milliarden US-Dollar allein in den Erdölbereich flossen. Kurzfristig sehe Vitol tatsächlich keinen Rückzug aus dem fossilen Geschäft vor, wie der Schweiz-Chef kürzlich auch dem Westschweizer Wirtschaftstageszeitung «L’Agefi» eröffnete. Freilich nicht ohne die Verantwortung dafür an staatliche Stellen abzuschieben: «Es sind nicht wir Händler, die Energiepolitik machen, sondern die Regierungen.»

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A Flourish table

Die versteckten indirekten Emissionen

Aber ist der Einfluss der Schweizer Rohstoffhändler aufs Klima tatsächlich so gering? Ihre Nachhaltigkeitsberichte sollten eigentlich Klarheit darüber schaffen, mit wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) die Firmen die Atmosphäre verschmutzen. Doch für Public Eye erwies es sich als äusserst schwierig bis unmöglich, darin verlässliche, vollständige Informationen zum Treibhausgasausstoss der grössten Schweizer Klimasünder zu finden. Der Teufel steckt im vermeintlichen Detail: bei den indirekten Emissionen.

Direkte Emissionen entstehen während der vom Konzern kontrollierten Produktion, bei Rohstoffhändlern also beim Betrieb einer Kohlemine oder Erdölraffinerie. Obwohl die untersuchten Schweizer Firmen heute schon in dieser Stufe tätig sind, ist diese Emissionskategorie bei ihnen vergleichsweise klein. Viel gewichtiger sind ihre indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette, im Jargon «Scope 3» genannt. Diese entstehen an verschiedenen Stellen, beispielsweise bei der Flugreise zum nächsten Deal oder beim Transport der gehandelten Rohstoffe auf dafür gecharterten Schiffen. Die weitaus wesentlichsten Treibhausgase entstehen jedoch nachgelagert in der Nutzungsphase. Denn hat ein Händler sein Öl oder Gas erst einmal verkauft, wird dieses zur Energiegewinnung immer von irgendjemandem irgendwo verbrannt. Diese Emissionen sind folglich kein Nebenschauplatz, sondern ein integraler und materieller Bestandteil des Geschäftsmodells der Rohstoffhändler. 

Doch statt diese indirekten Emissionen nachvollziehbar zu berechnen und sauber auszuweisen, greifen die meisten Konzerne beim heiklen Thema in die rhetorische Trickkiste. So hält es beispielsweise Mercuria schlicht für unnötig, sich überhaupt mit diesen hochrelevanten Zahlen zu beschäftigen. Die «einzigartige Rolle in der Wertschöpfungskette primär als Intermediär» habe die Genfer Handelsfirma bewogen, nicht über ihre indirekten Emissionen aus dem Rohstoffhandel zu berichten. Vitol wiederum rapportiert nur den einen Bruchteil seiner indirekten Emissionen, die beim Verbrennen von Rohstoffen aus eigenen Produktionsstätten entstehen. Glencore hält es ähnlich, kommt aber wegen seiner zahlreichen Kohleminen auf deutlich höhere Werte. Trafigura wagt noch ein wenig mehr Transparenz und rechnet die indirekten Emissionen der Verkäufe seiner eigenen Tankstellennetze mit. Doch keiner dieser Konzerne deklariert die indirekten Emissionen des gesamten Rohstoffhandels, dem mit Abstand grössten Geschäftszweigs. Einzig bei Gunvor erscheinen die berichteten Zahlen vollständiger und damit glaubhafter. 

«Diese Praxis verdeckt nicht nur den wahren Einfluss der gehandelten Rohstoffe aufs Klima, sondern nutzt auch veraltete Berichterstattungsrichtlinien aus», erläutert Frederic Hans vom deutschen NewClimate Institute die zweifel- und lückenhafte Rechenmethode der Firmen. Diese orientierten sich an einem über zehnjährigen und längst überholten Standard, der grosse Freiheiten in der Erfassung und Berechnung der indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette gewähre. Seine Non-Profit-Organisation untersucht seit über acht Jahren die Klimaberichte multinationaler Konzerne und der Klimaspezialist konstatiert: «Indem Rohstoffhändler in ihren Berichten die indirekten Emissionen der Nutzungsphase weithin ausklammern, verdunkeln sie den grössten Teil ihres Klima-Fussabdrucks. Eine transparentere und wissenschaftlich genaue Berichterstattung ist dringend notwendig, damit Gesellschaft, Regierungen und Investoren die Auswirkungen des Geschäftsmodells Rohstoffhandel auf die Umwelt besser verstehen können.»

Die Mine Hail Creek in Australien – eine von 15 aktiven Kohleminen von Glencore in Down Under.

Der wahre Klimaschaden

Weil es die Rohstoffhandelskonzerne mit ihren indirekten Emissionen nicht so genau nehmen, haben wir selbst zum Taschenrechner gegriffen. Unsere auf den gehandelten Rohstoffvolumen basierenden Schätzungen sind konservativ und zeichnen dennoch ein düsteres Bild: Die indirekten Emissionen der fünf grössten Schweizer Rohstoffhändler beliefen sich im letzten Jahr – allein aus der verkauften Menge an Kohle, Öl und Gas — auf über 4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht fast dem Hundertfachen aller Treibhausgase, die in der Schweiz ausgestossen wurden.

Bei Vitol liegen unsere Berechnungen über 40-mal höher als die vom Ölhandelsriesen selbst ausgewiesenen Klimaauswirkungen. Der Branchenprimus handelte 2023 täglich fast eine Million Tonnen Erdöl und nochmals rund die Hälfte davon an Gas. Insgesamt beliefen sich die indirekten Emissionen seiner letztes Jahr gehandelten Rohstoffe auf über 1,3 Milliarden Tonnen CO2. Die bei der Verbrennung des von Vitol verkauften Öl und Gas entstehenden Treibhausgase überstiegen damit sogar jene von Brasilien, dem Land mit den weltweit sechsthöchsten Emissionen.

Quelle: Public Eye Korrespondent Manuel Abebe, unter Mitarbeit von Robert Bachmann und Adrià Budry Carbó, 9. November 2024

Putins Propaganda-Offensive verfängt in Europa

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Gleich mehrere russische Propagandakampagnen wurden diese Woche bekannt. In den USA flossen wohl Millionensummen – wen bezahlt Putin hier bei uns? Fest steht: Moskau unterstützt AfD. Über russische Versuche, die Gesellschaften anderer Länder zu manipulieren, wurde schon oft berichtet. Von der »taz  « bis zur »FAZ «, von »T-Online « bis zur »Zeit «, von der »Süddeutschen « bis zur »Welt am Sonntag «, nahezu die gesamte deutsche Presselandschaft warnt immer wieder vor abstrakten Bedrohungen und berichtet über konkrete Kampagnen, Methoden, Akteure. Auch der SPIEGEL hat immer wieder russische Einflussoperationen aufgedeckt, und auch in dieser Kolumne waren sie natürlich schon sehr oft Thema.

Doch neben dieser medial abgebildeten Wirklichkeit, in der russische Propaganda allgegenwärtig ist, gibt es den politisch-medialen Alltag in Deutschland. Und der blendet dieses Faktum oft fast vollständig aus.

Ganz oben: Putins enger Vertrauter

So sitzt zum Beispiel der AfD-Politiker Steffen Kotré bei »Markus Lanz« , redet längst widerlegten Unsinn über die Klimakrise und macht Werbung für russisches Gas. Mehr als ein Jahr, nachdem Kotré nachweislich am Rednerpult des Bundestags ein russisches Propagandanarrativ über vermeintliche US-»Biowaffenlabore« in der Ukraine wiedergegeben hat. Kotré gab auch russischen Propagandasendern Interviews . Immer wieder . Immer mit prorussischen, antiukrainischen Positionen.

Diese Woche wurde erneut eine russische Propagandakampagne aufgedeckt. Die US-Behörden gingen – längst überfällig – gegen das sogenannte Doppelgänger-Netzwerk vor, das in dieser Kolumne schon mehrfach Thema war. Dabei tauchte einmal mehr Kotrés Name auf. Gelenkt und angeleitet wurde die Kampagne von Sergej Kirijenko, einem Mann aus Putins innerstem Kreis , der sogar als sein potenzieller Nachfolger gehandelt wird.

Daraus ergibt sich Frage eins: Warum hat das so lang gedauert? Funktioniert die Zusammenarbeit zwischen deutschen, europäischen und US-amerikanischen Sicherheitsbehörden bei der Propagandabekämpfung wirklich so schlecht, dass acht Monate ins Land gehen, bevor eine gewaltige, völlig öffentlich stattfindende, unzweifelhaft illegale Kampagne gestoppt wird?

32 Fake-Webseiten machte das US-Justizministerium dicht . Mit den gefälschten Versionen von Nachrichtenwebsites, darunter auch dem SPIEGEL, hatte das Doppelgänger-Netzwerk im Zusammenspiel mit mehreren X-Accounts und eigenen Websites Desinformation unters Social-Media-Volk zu bringen versucht. Erstmals hatte das Auswärtige Amt im Januar 2024 über das Netzwerk berichtet.

»Wir unterstützen die Partei mit allen Mitteln«, heißt es in vom FBI veröffentlichten russischen Dokumenten, über die »T-Online« berichtet  – gemeint ist die AfD. Einer der mit der Propagandakampagne verknüpften »Publikation«, »Reliable Recent News« (»RRN«) gaben sowohl Steffen Kotré als auch René Springer Interviews , wie »T-Online« berichtet. Sowohl Kotré als auch Springer sind im Vorstand der AfD Brandenburg.

Daraus ergibt sich Frage zwei: Warum dürfen Leute, die in Deutschland russische Propagandapositionen verbreiten und sich russischen Propagandamedien zur Verfügung stellen, noch in deutschen Talkshows auftreten? Es sind ja nicht nur Kotré und Springer, es sind auch Maximilian Krah, Petr Bystron – und wer noch alles? Warum besteht nicht jedes Interview mit einem AfD-Vertreter primär aus Fragen zur Rolle Russlands im Hintergrund der Parteiaktivitäten? Aus Angst vor dem Zorn der gründlich desinformierten Wählerschaft der Rechtsextremen?

Auch das »Bündnis Sahra Wagenknecht« wird von den russischen Propagandisten tatkräftig unterstützt , wie die »Frankfurter Rundschau« nachzeichnet. Sahra Wagenknecht spreche »vielen aus dem Herzen«, war demnach etwa auf einer dem Doppelgänger-Netzwerk zugeordneten Fake-Seite nachzulesen, sie bringe die Dinge mit ihrer Kritik an der Ampel »auf den Punkt«. Das BSW werde als »Kümmerer- und Friedenspartei« präsentiert, so ein Experte zu der Zeitung.

Welche Befehle russische Propagandasöldner übrigens mit Blick auf die deutsche Parteienlandschaft haben, ist wohlbekannt. Die »Zeit« fasste ein Strategiepapier des deutschen Ablegers des Kremlsenders RT (als es ihn hierzulande noch gab) diesen Juni so zusammen: »Die Grünen, ist da sinngemäß zu lesen, solle man verächtlich machen. Die AfD: zu Wort kommen lassen. FDP: stärker als ›Ressource‹ nutzen. Linke: exklusive Zugänge nutzen. CDU: den rechten Parteirand interviewen. Nur die SPD, lautet das nüchterne Urteil, bringe keine Klicks.«

Man fragt sich, ob die »exklusiven Zugänge« zur Linken jetzt mindestens zum Teil zum BSW umgezogen sind – denn das gab es noch nicht, als dieses Dokument erstellt wurde. Zudem tun sich da, bis auf den Umgang mit der Linken, auch erstaunliche Parallelen zur aktuellen Kommunikationsstrategie der Führungsspitze der Union auf – und zu der diverser »alternativer« Krawallmedien am rechten Rand.

Frage drei, die sich aus den Enthüllungen deshalb einmal mehr ergibt: Wann hören diejenigen deutschen Parteien, die nicht Putins Einfluss unterliegen, endlich damit auf, dessen Propagandapositionen zu reproduzieren? Wie kann es sein, dass eine deutsche Volkspartei, zu deren Kernideen einmal die »Westbindung« gehörte, rhetorisch manchmal näher bei Putin scheint als bei der amtierenden US-Regierung, was den Umgang mit Grünen (»verächtlich machen«), BSW und AfD angeht?

Aus den jetzt veröffentlichten russischen Strategiedokumenten: Ziel sei es, heißt es da, »echte Konflikte zu beeinflussen und künstlich neue Konfliktsituationen zu schaffen«, mit einer »breiten Palette von Informationswerkzeugen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung«. Es gehe immer darum, »Konfliktsituationen mithilfe verfügbarer Werkzeuge (…) zu eskalieren, um die gesellschaftliche Situation zu destabilisieren«. Klingt ein bisschen nach der politischen Debatte im September 2024.

Millionensummen und radikale Randfiguren

Zwei noch interessantere, weil wirklich neue Enthüllungen gab es diese Woche in den USA. Die eine sorgte für viele Schlagzeilen. So soll ein »Medienunternehmen« namens »Tenet Media«, das diverse rechtsradikale Influencer mit Millionenpublikum bei YouTube und X beschäftigt, 10 Millionen Dollar für die Verbreitung russischer Propagandanarrative erhalten haben. Dabei machte sowohl Elon Musk mit , der die Akteure des Propagandanetzwerks immer wieder an seine fast 200 Millionen Follower weiterempfahl, als auch Donald Trump . Er gab einem der Hass gegen die Ukraine verbreitenden Stars der Plattform ein Interview, pries mit ihm gemeinsam Putin und machte Europa verächtlich. Die höchst erfolgreichen Russlandpropagandisten der Organisation möchten sich jetzt gern als Opfer betrachtet sehen .

Für weniger Aufsehen sorgte hierzulande ein zweites Ermittlungsverfahren gegen mutmaßlich im Sold Putins stehende Propagandisten in den USA: Schwarze Separatisten in den USA, die dem sogenannten Uhuru Movement angehören . Russische Akteure gaben diesen Leuten laut einer Anklageschrift der »New York Times« zufolge gelegentlich Geld, etwa um zu Protestaktionen zu fahren. Zwar handelt es sich nur um eine insgesamt niedrige fünfstellige Dollar-Summe. Parallel versorgten Russen die Truppe aber angeblich mit prorussischen Propagandanarrativen. Die Beschuldigten bestreiten alles, auch sie betrachten sich als Opfer. Der Prozess hat in den USA gerade erst begonnen.

Zusammengenommen vermittelt all das eine Ahnung der Breite und Tiefe, mit der russische Propagandisten den Westen zu unterwandern versuchen. Von obskuren Aktivistengruppen bis hin zu in Parlamenten vertretenen Politikern, von Social-Media-Bots und gefälschten Websites bis hin zu hochbezahlten Influencern mit Millionenpublikum. Und das dürfte weiterhin nur ein winziger Ausschnitt der tatsächlichen Aktivitäten sein.

F/A-18 Jets starten und landen auf der A1 bei Payerne

Am 5. Juni 2024 startete und landete die Luftwaffe mit ihren Kampfflugzeugen des Typs F/A-18 zum ersten Mal auf der abgesperrten Nationalstrasse A1 bei Payerne. Die letzte solche Luftwaffenübung war vor 30 Jahren.

Der Test dient dem Ziel, die Verteidigungsfähigkeit der Armee mittels sogenannter Dezentralisierung zu stärken, denn die Swiss Air Force verfügt heute nur über die drei Jet-Flugplätze Payerne, Emmen und Meiringen. So hat sie alle Mittel an wenigen Orten konzentriert, was sie entsprechend anfällig und verwundbar macht.

Um dieses Risiko zu minimieren, setzt die Luftwaffe unter anderem auf die Dezentralisierung als passive Luftverteidigungsmassnahmen. Durch die sich verschlechternde Sicherheitslage in Europa will die Armee ihre Verteidigungsfähigkeit in allen Wirkungsräumen umfassend und konsequent stärken.

Die Dezentralisierung beschreibt die Fähigkeit, die Menschen und das Material innert kürzester Zeit im ganzen Land zu verteilen. Die Mittel der Luftwaffe sollen nach Möglichkeit auch von dezentralen oder unter Umständen von improvisierten Standorten aus operieren können. Deshalb wird sie am 5. Juni 2024 im Rahmen der Übung «Alpha Uno» mit ihren F/A-18 auf der Autobahn A1 bei Payerne starten und landen.

Neben gewissen Autobahnabschnitten, die bereits im Kalten Krieg für solche Einsätze ausgelegt wurden, eignen sich auch ehemalige, mittlerweile zivil genutzte Militärflugplätze für einen dezentralen Einsatz militärischer Luftfahrzeuge.

Weitere Bilder vom SF Sonderbeitrag sehen Sie hier:

(Bilder: z.v.g. von VBS/DDPS, Alex Kuehni)

Postulat zur Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und Terrorismus

Bern, 31.05.2024 – Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 31. Mai 2024 einen Bericht gutgeheissen, der die Aufgabenteilung zwischen Bundes-, Kantons- und Gemeindebehörden sowie der Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und Terrorismus in der Schweiz erläutert. Mit dem Bericht erfüllt der Bundesrat das Postulat 21.4598 von Nationalrätin Min Li Marti.

Der Bericht illustriert anhand dreier fiktiver Fallbeispiele die verschiedenen Phasen einer Radikalisierung und die möglichen Reaktionen der Behörden. Das erste Beispiel beleuchtet die frühen Anzeichen einer Radikalisierung bei einer jungen Person. Im zweiten Beispiel wird der Übergang von radikalen Überzeugungen zu strafbaren terroristischen Handlungen dargestellt. Das dritte Beispiel beschäftigt sich mit den koordinierten Reaktionen der Behörden auf einen Terroranschlag. Diese fiktiven Fälle zeigen auf, wie frühzeitige Aufmerksamkeit in einer frühen Radikalisierungsphase Gewaltakte verhindern und wie das Zusammenspiel zwischen lokalen, kantonalen und nationalen Stellen effektiv funktionieren kann.

Zudem zeigt der Bericht detailliert die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Behörden auf und gibt einen Überblick über die verschiedenen präventiven und repressiven Massnahmen, die bereits bestehen und in den letzten Jahren zusätzlich aufgebaut wurden.

Der Bericht kommt zu folgenden Erkenntnissen:

  1. Früherkennung ist entscheidend: Eine frühe Erkennung von Radikalisierungstendenzen ermöglicht es den Behörden, rechtzeitig präventive Massnahmen zu ergreifen. Zivile Stellen wie etwa Schulen oder Vereine und das soziale Umfeld sind wichtige Akteure in der Früherkennung, wenn sie sensibilisiert sind und wissen, wo sie ihre Beobachtungen melden können.
  2. Bildung und Integration sind Schlüssel zur Prävention: Die Stärkung von Bildungs- und Integrationsprogrammen, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, ist wirksam, um Extremismus vorzubeugen.
  3. Koordination: Die Aufgaben der einzelnen Akteure sind klar definiert und ergänzen sich – es gibt keine Doppelspurigkeiten. Hingegen besteht Potenzial bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden – insbesondere beim Informationsaustausch, um Informationslücken zu vermeiden und die Reaktionsfähigkeit zu verbessern.
  4. Internationale Zusammenarbeit ist unerlässlich: Der Bericht bestätigt die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit zur effektiven Bekämpfung extremistischer und terroristischer Aktivitäten über nationale Grenzen hinweg.

Die in der Schweiz begangenen Taten in Lugano und Morges im Jahr 2020 und mehrere Ereignisse mit mutmasslich terroristischem Hintergrund in jüngster Zeit bestätigen, dass Terrorismus eine Bedrohung für die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung darstellt. In den letzten Monaten wurden in der Schweiz insgesamt sieben mutmasslich radikalisierte Personen identifiziert, sechs davon minderjährig und eine volljährig – alle waren in radikalisierenden Chats aktiv, nur eine Person war polizeilich bekannt. Die Früherkennung von auffälligem Verhalten ist also entscheidend. Unsere Gesellschaft muss diese jungen Menschen in Schulen, Vereinen und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Organisationen früh abholen, um präventiv zu wirken, bevor die Polizei einschreiten muss.

Der Bundesrat unterstreicht, dass Früherkennung und Bekämpfung von Radikalisierung, gewalttätigem Extremismus und Terrorismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe auf allen Ebenen sind und es weiter Anstrengungen zur Förderung des Informationsflusses innerhalb der Schweiz und mit dem Ausland braucht.

Terrorbedrohung: Verstärkte Kontrollen an Schweizer Grenze infolge sportlicher Grossanlässe in Deutschland und Frankreich

Bern, 31.05.2024 – Aufgrund der erhöhten Terrorbedrohung während der Fussball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland und der Olympischen Sommerspiele in Frankreich verstärkt die Schweiz vorübergehend die Kontrollen an der Schweizer Grenze. Das hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 31. Mai 2024 entschieden. Mit gezielten und zeitlich beschränkten verstärkten Kontrollen soll die Sicherheit in der Schweiz und in den Nachbarländern erhöht werden.

In Deutschland findet vom 14. Juni bis 14. Juli 2024 die Fussball-Europameisterschaft der Männer statt, in Frankreich werden vom 26. Juli bis zum 8. September 2024 die Olympischen Sommerspiele und die Paralympics durchgeführt. Der «Islamische Staat» hat in seiner Propaganda zu Anschlägen auf diese Sportveranstaltungen aufgerufen. In- und ausländische Nachrichtendienste schätzen die Terrorbedrohung denn auch als hoch ein. Die Schweiz steht im Zusammenhang mit den sportlichen Grossanlässen in den Nachbarstaaten weniger im Fokus, dennoch sind auch hierzulande öffentliche Veranstaltungen wie Public Viewings mögliche Anschlagsziele. Mit der Friedenskonferenz für die Ukraine auf dem Bürgenstock findet zudem gleichzeitig auch in der Schweiz ein exponierter Grossanlass statt.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat entschieden, zwischen Juni 2024 bis zum Abschluss der Paralympics am 8. September 2024 den Schutz der Schweizer Grenzen zu verstärken. Vorgesehen sind auf die Terrorbedrohung fokussierte, gezielte und risikobasierte Kontrollen. Die schon heute vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) durchgeführten Waren- und Personenkontrollen werden an den neuralgischen Grenzübergängen und im grenznahen Gebiet intensiviert. Nach Einschätzung des Bundesrats trägt dies zu einer Erhöhung der Sicherheit und damit auch zu einer Eindämmung der terroristischen Bedrohung bei. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine formelle Wiedereinführung der Binnengrenzkontrollen, sondern um verstärkte Kontrollen im Rahmen des bestehenden Zolldispositivs an der Grenze und im Grenzraum.

Neben dem verstärkten Grenzschutz hat die Schweiz diverse weitere Massnahmen ergriffen, um dem erhöhten Sicherheitsbedarf während der kommenden Grossveranstaltungen zu begegnen. Die Sicherheitsbehörden arbeiten national und international eng zusammen und unterstützen zudem Deutschland und Frankreich mit der Entsendung von spezialisierten Polizeikräften.

Schweizer Luftwaffe trainiert zusammen mit der französischen Luftwaffe in Frankreich

F/A 18 Jet begleitet eine Passagiermaschine über die Schweizer Alpen. Bild: GMC Photopress/Gerd M. Müller

Bern, 21.08.2023 – Vom 21. bis 25. August 2023 trainieren Angehörige der Schweizer Luftwaffe mit fünf F/A-18 Kampfjets in Luxeuil (FRA). Das Ausbildungsmodul mit dem Namen «PALUX» dient dazu, die eigenen Fähigkeiten mit denen der französischen Luftwaffe zu vergleichen und weiterzuentwickeln sowie die Interoperabilität zu verbessern. Ein weiteres Schwergewicht liegt auf dem Abschluss der taktischen Ausbildung von fünf jungen Schweizer Piloten zum «Wingman».

In Frankreich trainieren die Schweizer F/A-18 Piloten einerseits die Grundlagen des Luftpolizeidienstes, andererseits überprüfen und vertiefen sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in der länderübergreifenden Luftverteidigung. Insgesamt umfasst das Detachement 46 Angehörige der Schweizer Armee, nebst Piloten gehören auch Mechaniker, Militärpolizisten sowie Mitarbeitende für die Missionsunterstützung dazu. Das Ausbildungsmodul findet auf dem Luftwaffenstützpunkt in Luxeuil statt, der Heimat des 2. Jagdgeschwaders der französischen Luftwaffe. Möglich macht das gemeinsame Training ein bestehendes rechtliches Abkommen zwischen Frankreich und der Schweiz bezüglich der Durchführung von bilateralen Luftkampftrainings.

Trainings in der Schweiz nur beschränkt möglich

Die Luftwaffe kann in der Schweiz ihr Training nicht vollumfänglich und nach den international gültigen Standards trainieren. Grund dafür sind unter anderem die kleinen und knapp verfügbaren Trainingsräume, Höhen- und Geschwindigkeitslimiten, eingeschränkte Flugbetriebszeiten, Auflagen bei der Anzahl Flugbewegungen auf den Flugplätzen, der dichte zivile Luftverkehr über der Schweiz sowie die hohe Besiedelungsdichte respektive der daraus resultierende Rücksichtnahme auf die Lärmbelastung der Bevölkerung.