Dass Schweizer Rohstoffkonzerne täglich Millionen Tonnen Kohle, Öl und Gas handeln, ist inzwischen bekannt. Weniger aber, wovon sie in ihren Nachhaltigkeitsberichten abzulenken versuchen: Die Treibhausgasemissionen ihrer Produkte waren 2023 100-Mal grösser als jene der gesamten Schweiz. Das zeigen erstmalige Schätzungen von Public Eye. Doch statt ihr fossiles Geschäftsmodell zu reformieren, verkaufen Vitol & Co neuerdings einfach das vorgebliche Gegenmittel zur von ihnen mitverursachten Klimakrise: CO₂-Zertifikate.
Jedes Jahr, meist im Frühling, begeben sich die grössten Schweizer Rohstoffhändler auf einen Spiessrutenlauf. Sie schreiben Nachhaltigkeitsberichte auf Hochglanzpapier, die zwar immer dicker werden, aus denen aber etwas nicht zu sehr hervorscheinen darf: Ihr fossiles Kerngeschäft besteht aus dem Ankauf, Transport und Verkauf von Kohle, Öl und Erdgas. Neben den Erfolgsgeschichten über ihre Bildungsprogramme, Arbeitsplatzsicherheit oder Umweltmassnahmen erzählen sie seit einigen Jahren immer öfters auch von klimarelevanten Projekten. Denn spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen, das die Absenkung der klimaschädlichen Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null vorsieht, ist dieses gesellschaftspolitische Thema für die PR-Profis der Firmen ein potenzielles Pulverfass.
Public Eye hat den Klimateil dieser Berichte genauer gelesen und zu verstehen versucht, wie die fünf grössten Schweizer Rohstoffkonzerne ihr Geschäftsmodell klimaverträglich gestalten wollen. Die Lektüre war entlarvend: Mittels beschönigender Methoden und wohlklingender Worthülsen kaschieren die Konzerne Glencore, Gunvor, Mercuria, Trafigura und Vitol, dass ihre fossilen Energieträger ganz wesentlich zum einem der drängendsten Umweltprobleme beitragen. Deshalb haben wir selbst nachgerechnet. Mit erschreckendem Fazit: Die durch ihre Rohstoffe verursachten Klimaschäden überstiegen diejenigen der gesamten Schweiz im Jahr 2023 etwa um das Hundertfache. Auch ihre selbstgesetzten Klimaziele und die von den Rohstofffirmen vorgeschlagene Lösung, die Klimakompensation, halten inhaltlich wie kalkulatorisch den anstehenden Herausforderungen kaum stand.
Die letzte fossile Party?
In den letzten Jahren bescherten Corona, Krieg und Krisen den Rohstoffhändlern historische Rekordgewinne, die es zu verteilen galt. Zunächst haben die Firmen Milliardenbeträge als Dividenden und Boni ausgeschüttet, alte Schulden beglichen und hunderte Millionen Dollar an Korruptionsstrafen abbezahlt. Doch die Konten sind noch immer prall gefüllt, womit theoretisch auch genügend Mittel für die notwendige Transformation vom fossilen hin zu einem klimaverträglichen Geschäftsmodell vorhanden wären.
Praktisch offenbarten vier der Firmen vergangenen August jedoch andere Prioritäten. So kaufte sich der Genfer Konzern Trafigura zum Monatsbeginn eine neue Erdölraffinerie. Dann legte Ölhändler Vitol kräftig nach, und übernahm eine bedeutende Kohlehandelsfirma. Nur wenige Tage später verkündete Glencore nicht nur, dass Kohle weiterhin sein wichtigstes Geschäftsfeld bleibe: Mit der Übernahme bedeutender kanadischer Minen baute der Zuger Konzern diese Sparte sogar noch aus. Schliesslich vermeldete Gunvor einen neuen Ölhandelsrekord und die Aufstockung seines Ölhandels-Teams. Und das alles innerhalb jenes Sommermonats, in dem zum fünfzehnten Mal in Folge ein globaler Hitzerekord gemessen wurde.
Freiwillig fliesst von den Übergewinnen der Krisenjahre also viel zu wenig in echte Alternativen. Stellvertretend dafür steht die Investitionspolitik des Branchenprimus Vitol. Der Genfer Konzern lenkte letztes Jahr über vier Fünftel seiner Gelder in den Ausbau seiner Geschäfte mit fossilen Energieträgern, wobei mehr als 8 Milliarden US-Dollar allein in den Erdölbereich flossen. Kurzfristig sehe Vitol tatsächlich keinen Rückzug aus dem fossilen Geschäft vor, wie der Schweiz-Chef kürzlich auch dem Westschweizer Wirtschaftstageszeitung «L’Agefi» eröffnete. Freilich nicht ohne die Verantwortung dafür an staatliche Stellen abzuschieben: «Es sind nicht wir Händler, die Energiepolitik machen, sondern die Regierungen.»
Aber ist der Einfluss der Schweizer Rohstoffhändler aufs Klima tatsächlich so gering? Ihre Nachhaltigkeitsberichte sollten eigentlich Klarheit darüber schaffen, mit wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) die Firmen die Atmosphäre verschmutzen. Doch für Public Eye erwies es sich als äusserst schwierig bis unmöglich, darin verlässliche, vollständige Informationen zum Treibhausgasausstoss der grössten Schweizer Klimasünder zu finden. Der Teufel steckt im vermeintlichen Detail: bei den indirekten Emissionen.
Direkte Emissionen entstehen während der vom Konzern kontrollierten Produktion, bei Rohstoffhändlern also beim Betrieb einer Kohlemine oder Erdölraffinerie. Obwohl die untersuchten Schweizer Firmen heute schon in dieser Stufe tätig sind, ist diese Emissionskategorie bei ihnen vergleichsweise klein. Viel gewichtiger sind ihre indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette, im Jargon «Scope 3» genannt. Diese entstehen an verschiedenen Stellen, beispielsweise bei der Flugreise zum nächsten Deal oder beim Transport der gehandelten Rohstoffe auf dafür gecharterten Schiffen. Die weitaus wesentlichsten Treibhausgase entstehen jedoch nachgelagert in der Nutzungsphase. Denn hat ein Händler sein Öl oder Gas erst einmal verkauft, wird dieses zur Energiegewinnung immer von irgendjemandem irgendwo verbrannt. Diese Emissionen sind folglich kein Nebenschauplatz, sondern ein integraler und materieller Bestandteil des Geschäftsmodells der Rohstoffhändler.
Doch statt diese indirekten Emissionen nachvollziehbar zu berechnen und sauber auszuweisen, greifen die meisten Konzerne beim heiklen Thema in die rhetorische Trickkiste. So hält es beispielsweise Mercuria schlicht für unnötig, sich überhaupt mit diesen hochrelevanten Zahlen zu beschäftigen. Die «einzigartige Rolle in der Wertschöpfungskette primär als Intermediär» habe die Genfer Handelsfirma bewogen, nicht über ihre indirekten Emissionen aus dem Rohstoffhandel zu berichten. Vitol wiederum rapportiert nur den einen Bruchteil seiner indirekten Emissionen, die beim Verbrennen von Rohstoffen aus eigenen Produktionsstätten entstehen. Glencore hält es ähnlich, kommt aber wegen seiner zahlreichen Kohleminen auf deutlich höhere Werte. Trafigura wagt noch ein wenig mehr Transparenz und rechnet die indirekten Emissionen der Verkäufe seiner eigenen Tankstellennetze mit. Doch keiner dieser Konzerne deklariert die indirekten Emissionen des gesamten Rohstoffhandels, dem mit Abstand grössten Geschäftszweigs. Einzig bei Gunvor erscheinen die berichteten Zahlen vollständiger und damit glaubhafter.
«Diese Praxis verdeckt nicht nur den wahren Einfluss der gehandelten Rohstoffe aufs Klima, sondern nutzt auch veraltete Berichterstattungsrichtlinien aus», erläutert Frederic Hans vom deutschen NewClimate Institute die zweifel- und lückenhafte Rechenmethode der Firmen. Diese orientierten sich an einem über zehnjährigen und längst überholten Standard, der grosse Freiheiten in der Erfassung und Berechnung der indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette gewähre. Seine Non-Profit-Organisation untersucht seit über acht Jahren die Klimaberichte multinationaler Konzerne und der Klimaspezialist konstatiert: «Indem Rohstoffhändler in ihren Berichten die indirekten Emissionen der Nutzungsphase weithin ausklammern, verdunkeln sie den grössten Teil ihres Klima-Fussabdrucks. Eine transparentere und wissenschaftlich genaue Berichterstattung ist dringend notwendig, damit Gesellschaft, Regierungen und Investoren die Auswirkungen des Geschäftsmodells Rohstoffhandel auf die Umwelt besser verstehen können.»
Der wahre Klimaschaden
Weil es die Rohstoffhandelskonzerne mit ihren indirekten Emissionen nicht so genau nehmen, haben wir selbst zum Taschenrechner gegriffen. Unsere auf den gehandelten Rohstoffvolumen basierenden Schätzungen sind konservativ und zeichnen dennoch ein düsteres Bild: Die indirekten Emissionen der fünf grössten Schweizer Rohstoffhändler beliefen sich im letzten Jahr – allein aus der verkauften Menge an Kohle, Öl und Gas — auf über 4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht fast dem Hundertfachen aller Treibhausgase, die in der Schweiz ausgestossen wurden.
Bei Vitol liegen unsere Berechnungen über 40-mal höher als die vom Ölhandelsriesen selbst ausgewiesenen Klimaauswirkungen. Der Branchenprimus handelte 2023 täglich fast eine Million Tonnen Erdöl und nochmals rund die Hälfte davon an Gas. Insgesamt beliefen sich die indirekten Emissionen seiner letztes Jahr gehandelten Rohstoffe auf über 1,3 Milliarden Tonnen CO2. Die bei der Verbrennung des von Vitol verkauften Öl und Gas entstehenden Treibhausgase überstiegen damit sogar jene von Brasilien, dem Land mit den weltweit sechsthöchsten Emissionen.
Quelle: Public Eye Korrespondent Manuel Abebe, unter Mitarbeit von Robert Bachmann und Adrià Budry Carbó, 9. November 2024
Das Buch des Zürcher Fotojournalisten ist nun alsE-Book Reader Version für Euro 9.90 erhältlich. Dazu gab es eine der längsten Buchvernissagen der jüngeren Geschichte mittels einer Freiluft-Fotoausstellung auf über 100 Metern im Zürcher Kreis 4.
Zudem stehen zwei hochkarätige Events an: Zunächst die Werkschau im GZ Riesbach in Zürich, Kreis 8 vom 29. August 2022 bis zum 14. November 2022.
Danach das Neujahr-Konzert am 12. Januar 2023´ im zürcher GZ Heuried mit den Weltklasse Guitarren-Virtuosen aus Baden, Toni Donadio und NIc NIedermann, von Tonic Strings die diesjährigen Vizeweltmeiser im Gypsy-Soul, Blues und Jazz Genre.
Über den Autor & Pressefotografen
Müller ging 1986 in Südafrika in den Untergrund um sich ein Bild über die Apartheid zu machen. Später traf er Nelson Mandela und den Dalai Lama beide zwei Mal, 1987 sass er neben dem polnischen General Wojciech Jaruselski, (der den russen die Stirn bot) 1986 in einem für die polnische politische Elite vorbehaltenen Restaurant, 2006 traf er den russischen Aussenminister Schewardnadse in der damals führenden österreichischen Schlafklinik Lanzerhof, im Jahr 2000 Margaret Thatcher als demente Person im Coiffeur-Salon des Mount Nelson Hotels in Kapstadt. 2014 traf er den iranischen Aussenminister Mohammed Shawar Sarif , in der iranischen Botschaft in Bern zum 35. Jährigen Jubiläum der Revolutionsgarden, Wladimir Putin begegnete er im deutschen Bundestag und den chinesischen Staatschef Wen Jibao sah er am WEF.
Zuden wurde Müller auf das Kriegsschiff USS John Rodgers vor der Küste Grenadas zum Pressefrühstück eingeladen, nachdem er der Feier zum 9. Jahrestag der US-Invasion beigewohnt war. Auch sonst hat der Fotoreporter etliche krasse Dinge erlebt, wie zwei Militärverhöre von zwei verfeindeten Staaten, deren Grenze er da und dort überschritten hatte (Senegal & Guinea-Bisseau) an einem Tag. Im Libanon gestaltete sich schon das Überschreiten gewisser Stadtgrenzen als sehr abenteuerlich bis zuweilen tödlich. Während Müllers stationärem Einsatz im Sinai gab es zwei der drei Terroranschläge. Auch die IKRK-Missionen während dem Bürgerkrieg in Südafrika (ANC-IFP-Konflikt) und später in Kenya nach den Unruhen im Rift Valley, waren prägende Eindrücke und Erlebnisse, die sich alle in seinem Buch wiederspiegeln.
Bevor Müller sich 1992 als Fotojournalist selbstständig machte und die Presse- und Bildagentur «GMC Photopress» aufbaute, war er nach der Lehre bei «Oerlikon Bührle» erst im int. Exportgeschäft tätig, wechselte dann in die Werbewirtschaft zum «Media Daten Verlag» («Werbewoche») und war Anzeigenleiter der «NZZ» und des damaligen englisch sprachigen Magazins «The Swiss Review of World Affairs».
Dann produzierte er die Wälzer «Portraits der Schweizer Werbewirtschaft» beim «Bertschi Verlag und arbeite hernach beim «Radio Tropic» als Moderator und Produzent sowie beim Aargauer «Lokalradio Kanal K, wo er die vier Parteipräsidenten anlässlich der Burka-Initiative und Verschärfung des Asylrechts ins Studio einlud und die heisse politische Debatte souve-rän moderierte.
Ab 1986/87 war Müller als Resident Manager für Imholz Reisen erst im Senegal, dann in Polen und schliesslich in London für jeweils drei Monate stationiert. Später war er für Direkt Reisen in Brasilien (Fortaleza) stationiert und kehrte nach kurzer Zeit nochmals privat nach Brasilien zurück um eine 6000 KM lange Fahrt durch vier Bundesstaaten bis nach Manaus zu machen.
1999 liess er sich für zweieinhalb Jhre in Samedan im Oberengadin nieder und gründete das Tourismus & Umwelt Forum Schweiz, dessen Präsident und Geschäftsführer er dann war. So organisierte er eine Rail-Expo mit der Rhätishen Bahn an sechs Bahnhöfen im Kanton Graubünden.
Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book-Version erhältlich. Leseproben finden Sie hier.
Der «Oa Hera» HIV-Waisenkinder Chor bei Maltahöhe in Namibia, wo fast ein Drittel aller Kids Waisen sind
Vorwort
Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahrlässigkeit und poli-tische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für nahmhafte Medien rund 30 Länder. Nun zum Beitrag über die Opalschürfer im Outback.
Coober Pedy: Die Hoffnung derOpalsucher liegt im Untergrund
Zwischen Adelaide und Alice Springs irgendwo inmitten einer glühend heissen, unwirtlichen Mondlandschaft liegt das damals 5000 Seelen zählende Wüsten-Nest Coober Pedy, auch «Opal-Miner City» genannt. Die Bewohner leben in unterirdischen maulwurfartigen Bauten und verbringen den Tag unter der Erde, im Stollen, mit Dynamit bestückt, um weitere Sprengungen vorzunehmen. Einblicke in das Leben der Opalschürfer in einem dynamit-geladenen Untergrund, angetrieben von der Hoffnung auf schnellen Reichtum und dem Risiko ausgesetzt, mausarm zu scheitern – echte Glücksucher also, aus allen Teilen der Erde sind hier bei ihrer gefährlichen Arbeit anzutreffen.
Männer aus Albanien, Italien, Kroatien, Griechen, Serbien, Polen und auch Schweizer schürfen hier im heissen Outback nach den kostbaren Steinen. Einöde, sengende Hitze, jede Menge Staub und Geröll sowie Strapazen ohne Ende, nichts bleibt den Opalschürfern erspart. Vierfünftel der Bevölkerung lebt im Untergrund in den zu Woh-nungen ausgebauten Stollen, die Licht- und Lüftungsschächte nach oben haben. Auch der Supermarkt, die Tankstelle und die Kirche sind im Untergrund. Noch Ende der 90er Jahre konnte man sich einfach einen «Claim» abstecken und zu bohren und sprengen beginnen. Glückspilze, die Coober Pedy als reiche Männer verlassen haben, gibt es nur wenige. Dafür ist der grosse Friedhof in dem Wüstennest ein beredtes Zeugnis.
Es gibt auch einen Postboten für die Region. Die Ochsen-Tour von John Stillwell zeigt die hiesigen Dimensionen aufs Deutlichste auf. Zweimal pro Woche fährt John von Coober Pedy aus nach William Creek, einem Provinznest mit neun Häusern und dann nach Oodnadata weiter, einer verkommenen Aborginies-Siedlung weiter und versorgt so auf den 650 Kilometern noch drei Farmer mit der Post. John fährt diese Tour nun schon seit sechs Jahren und er hat die Strecke schon über 700 Mal gemacht. Er durchquert dabei auch die Moon Plain Area, eine trockene, steinige, sandige und mit kleinen Hügeln besetzte Mondlandschaft, die zur Rinderfarm Anna Creek führt und deren Zaun über 9600 Kilometer lang ist. Die Farm ist somit fast so gross wie die Niederlande.
Dann fahren wir weiter nach William Creek und obschon da nur neun Häuser stehen, gibt es die wahrscheinlich teuerste Sattelitenfunk-Telefonkabine der Welt sowie einen schattigen Parkplatz samt Parkuhr unter dem einzigen Baum weit und breit. Weiter geht die Reise durch das Outback einem alten Aborginies-Trail entlang zu den unterirdischen, heissen Quellen nahe der «Great Overland Telegraph Linie». Bei Sonnenuntergang spielten wir noch eine Runde Wüstensand-Golf am Schluss der anstrengenden Reise. Kommen wir zum unrühmlichen Teil:
Airshot of Hardy Reef, Great Barrier Reef, Brisbane, Queensland
Australien hat ein grosses CO2-Problem aufgrund der Abhängigkeit von der Kohleindustrie. Allein im Staat Queensland gibt es über 50 Kohlenminen und gleichzeitig mit dem Umweltgipfel 21 in Glasgow ist sogar eine der weltgrössten Minen, die «Adani-Mine» im Bau aber noch nicht in Betrieb. Australien ist der zweitgrösste Exporteur von Kohle und schert sich einen Dreck um die angestrebten Klimaziele. Der Kohleaustoss verursacht weltweit 30 Prozent der CO2 Emissionen. So kommt es zu langen Dürreperioden, verheerenden Buschbränden, aussergewöhnlichen Hitzeperioden, man könnte sagen, die Erde glüht und kocht vor Wut über den fossilen Raubbau und die Unbedenklichkeit bei der Ausbeutung des Planeten. Die Buschbrände führten zu über einer Milliarde toter Tiere und über die Hälfte des Great Barrier Reef ist ausgebleicht und ein zu einem gigantische Korallenfriedhof verkommen. Es gäbe noch viel über das Land, das ich fünf Mal bereist habe, zu berichten, doch fliegen wir nun in die Südsee.
Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book-Version vorhanden und Leseproben finden Sie hier.
Vorwort
Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahrlässigkeit und poli-tische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für nahmhafte Medien rund 30 Länder.
Nun zum Bericht über Borneo, Malaysia und Indonesiens Regenwald-Vernichtung:
Dramatische Abholzung und Artensterben in Kauf genommen
Wie sieht die Situation heute aus? Der Lebensraum der Menschenaffen hat sich weiter drastisch reduziert und so ist auch ihr Bestand nicht gewachsen sondern wurde weiter dezimiert. Zwar haben Genomiker an Universität in Zürich kürzlich eine neue Art auf Sumatra entdeckt, den Tapanuli-Orang Utan, deren Refugium in den zerklüfteten Bergen der Region Batang Toru in Indonesien liegt. Ein erschossener Orang Utan in Raja wurde näher untersucht und von den Wissenschaftlern als neue Art eingestuft. Sie wird zugleich aber auch die Art sein, die am schnellsten wieder auf dem Primatenradar verschwinden wird. Die geschätzten 800 Primaten sind, wie auf Borneo auch hier in Indonesien von Waldrodungen für Palmölplantagen, Zersiedlung und von einem Staudamm-Projekt betroffen. Und nicht nur sie sterben lautlos aus. Auch viele andere Spezies gehen unter. Eine Million Arten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Dies ist das vernichtende Fazit des «Weltbiodiversitätsrates» (IPBES) von 2019. Reptilien und Vögel haben es schwer, aber auch immer mehr Säugetiere sterben aus. 540 Landwirbelarten wurden im 20 Jahrhundert ausgerottet. Die meisten im asiatischen Raum.
Die Schweiz hat gerade eben mit Indonesien ein umstrittenes Wirtschaftsabkommen abgeschlossen und setzt dabei im Abkommen auf «RSPO»-Standards, die in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Umweltorganisationen und Hilfswerken entstanden war. Gemäss dem Verordnungsentwurf würden Zertifizierungen nach vier Standards geprüft. Neben dem «Round table on sustainabel Palm Oil» (RSPO), dem «Standard ISCC Plus» (International Sustainability and Carbon Certification) und der sogenannten «POIG» (Palm Oil Innovation Group). Doch damit werden weder die Abholzung noch Staudamm-Projekte gestoppt und auch der Lebensraum der Orang Utan und vieler anderer Spezies ist weiterhin dem Untergang geweiht. Ein Abkommen mit Nachhaltigkeitszielen ist zwar ein kleiner Fortschritt, ändert aber leider nichts an der Tatsache, dass der Raubbau weiter geht und es zu wenig Schutzgebiete gibt, denn der Bedarf an Palmöl ist extrem gestiegen und steigt weiter.
Hier stand einmal ein Regenwald mit unglaublicher Artenvielfalt und Biodiversität, heute nur noch Palmöl
Entsprechend wuchs auch die Anbaufläche, die durch die Rodung des Primärwaldes zustande kam. Seit 2008 ist die Fläche dafür jährlich um 0,7 Millionen Hektaren angestiegen, eine Fläche viermal so gross wie der Kanton Zürich. Und der Bedarf wird sich bis 2050 voraussichtlich nochmals mehr als verdoppeln. Auf der Insel Borneo gehen 50 Prozent der Rodungen auf den Palmölanbau zurück. Im viel grösseren Indonesien sind es auch schon 20 Prozent. Es gibt zwar auch positive Anzeichen der «RSPO»-Zertifizierung, doch das Gros der Betriebe handeln nach dem Prinzip der Ökonomie der Grösse (70 Prozent) und nur ein Drittel werden über Kleinbauern und Kooperativen angebaut, womit das weitere Zerstörungspotential eminent hoch bleibt.
Sechs Prozent aller Tierarten befinden sich auf der Insel Borneo. Seit über 4000 Jahren werden die Regenwälder Borneos von den Indigenen bevölkert. Im Laufe der letzten 50 Jahren wurde knapp die Hälfte des Regenwaldes in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos abgeholzt. Es gibt Tausende von Landkonflikten von indigenen Gemeinden gegen grosse Holzunternehmen, doch der Staat und die Justiz machen es der Bevölkerung schwer, an ihre Rechte heranzukommen und ihr Land gegen den Raubbau zu verteidigen. Zwar gibt es seit 30 Jahren eine Konvention zum Schutz der Regenwälder, doch die wurde nie vom indonesischen Parlament ratifiziert und umgesetzt. Ausserdem ist zu beobachten, dass fast alle Politiker entweder ehemalige oder noch amtierende Holzindustrielle in Jakarta sind, wie Norman Jiwan von der NGO «TuK» berichtet. Und von der Palmölindustrie profitieren nur weniger als 30 der reichsten indonesischen Familien. Da die Rechte der indigenen Völker und ihre seit Jahrhunderten ökologisch genutzter Grundbesitz nicht annerkannt sind, kann die Holzindustrie schalten und walten wie sie will, notabene mit den notwendigen Papieren der Regierung.
Die Abnehmer der Holzfirmen sind auch die Eigentümer der Palmölindustrie-Betriebe, die so durch den Raubbau gleich doppelt verdienen, denn nur fünf Jahre nach dem Abholzen des Regenwaldes können schon erste Gewinne aus dem Palmölgeschäft vernbucht werden. Die Kleptokratie in Indonesien kennt keine Grenzen. Die Rechte der Indigenen Völker werden gnadenlos unterminiert, ihr Grundbesitz kaum oder ohne Entschädigung enteignet. Ist der Urwald einmal gerodet kann die Regierung ihn problemlos als minderwertigen Wald bzw. landwirtschftliche Nutzfläche deklarieren und durch Lizenzen an die Palmölgesellschaften verpachten womit die lokalen Gemeinschaften so für immer ihre Rechte an eigenen Land verlieren. Die internationalen Profiteure nebst den indonesischen Firmen sind global Players wie «Nestle», «Cargill», «Unilever», «Procter & Gamble» usw..
Die Hafenstadt Samarinda an der Mündung des Flusses Mahakam, ist ideal gelegen um das „Grüne Gold“ nach Übersee zu verschiffen. Das lokale Sägewerk in Samarinda und die Holzfällerfirma sind «FSC»-zertifiziert. Viele streben die «FSC»-Zertifizierungen an und erhalten sie auch, obschon sie ihr Geschäft mit Landraub auf indigenen Gebieten rücksichtslos ausdehnen. Daher kann man den wenigsten Zertifizierungen Glauben schenken. Es ist reine Augenwischerei, darauf vertrauen zu wollen. Denn die Kontrolleure sogenannter Zertifizierungslabels sind private Firmen, die sich die nächsten Aufträge dadurch sichern wollen, dass sie möglichst viel und bedenkenlos zertifizieren, vermeldet die österreichische «Greenpeace-Sprecherin» Ursula Bittner. „Eines der grössten Probleme bei den Kontrollen sind die Akteure im Geschäft. Je lascher die Kontrollen sind, desto mehr Aufträge fliessen den Kontrolleuren zu“. Das führe zu wenigen und ungenügenden Kontrollen, zu Intransparenz, die kaum eine echte Ursprungs-Rückverfolgbarkeit zulassen, moniert «Greenpeace». Die Entscheidungen orientieren sich an der Industrie und der korrupten Politik. Auch Lukas Straumann vom «Bruno Manser Fond» in Basel bestätigt, dass die Korruption in Malaysia und in Indonesien weitverbreitet ist.
Innert 30 Jahren hat der Mensch 60 Prozent der Arten durch seinen rücksichtlosen Raubbau ausgerottet
Tropisches Regenwald-Sperrholz gelangte so auch zu den Olympischen Spielen in Tokyo und wurden via die «Firma Sumitomo Forestry», einer der wichtigsten Holzlieferanten für die Olympischen Spiele in den Stadien dafür gebraucht wurden, die Betonfundamente auszuformen, so Hanna Heineken, Finanzexpertin von «Rainforest Action Network». Die japanische Regierung musste in der Folge zugeben, dass in allen Olympischen Stadien tropisches Regenwaldholz verbaut wurde, das aus zwielichtigen Quellen und von Firmen kamen, die in Landkonflikte, Menschenrechtsverletzungen, Steuerbetrug, Lizenz-Betrug und viele andere Wirtschaftsdelikte involviert waren. Tja und wo ist der Sitz der Olympischen Gemeinde? In der Schweiz, in Lausanne. Da fragt man sich doch, wie weit die Verantwortung des Olympischen Kommitees reicht? Offensichtlich nirgendwo hin! Das «Olympische Kommitee» scherte sich offensichtlich keinen Deut um nachhaltige Spiele und sollte fortan vermehrt in die Pflicht genommen werden.
Leider ist es aber auch so, dass die Schweizer Regierung mit der Indonesischen Regierung ein als nachhaltig gelobtes Witschaftsabkommen abgeschlossen hat, das wie soviele Papiertiger, keinen Cent Wert ist. Es dient lediglich zur Beruhigung allzu gläubiger KonsumentInnen, der Rechtfertigung durch die Ausbeuter und Profiteure in Banken- und Wirtschaftskreisen, niemals aber zum Schutz des Regenwaldes oder zur tatsächlichen Einhaltung indigener Menschenrechte. So auch im malayischen Teil von Borneo.
Die Sarawaker Familie Taib Mahmud ist anüber 400 Firmen beteiligt und hat ihr Vermögen in Dutzende von Ländern verschoben. 150 Millionen US Dollar wurden nach Angaben von «Interpol» jährlich von der TaibMahmud Familie nachweislich über ein internationales Bankengeflecht gewaschen. Die «Deutsche Bank» war da sehr stark involviert und dem Malayischen Premierminister Najib Rasak wurde im «1MbD-Skandal» nachgewiesen, dass er 681 Millionen Dollar von einer Singaporer Bank erhalten hat, die er im Zusammenhang mit der immensen Geldwäsche beim «1MbD-Fund» abgezweigt hat.
Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book Version vorhanden und Leseproben finden Sie hier.
Vorwort
Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahrlässigkeit und politische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für nahmhafte Medien rund 30 Länder.
Nun zum Kaptitelauszug
Ohne radikalen Paradigmenwechsel schaufeln wir unser eigenes Grab
Fakt ist, seit den 70er Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt und der Konsum hat sich weltweit mehr als verzehnfacht, wobei die Schweiz hier beim Konsum an der Spitze steht. Die Hyper-Globalisierung hat ihren Zenit längst erreicht und dabei viel politisches, humanitäres und soziales Kapital verspielt. Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurde uns in Erinnerung gerufen, wie fragil unsere ökonomisch durch- rationalisierte und digitalisierte Gesellschaft geworden ist und wie schnell sich – von einem Tag auf den anderen – alles ändern kann. So wie die Borkenkäfer ganze Wälder absterben lässt, zeigt ein unsichtbarer, fataler Virus seit zwei Jahren seine Wirkung rund um den Globus. Ob wir daraus etwas gelernt haben, wie wir unsere Zukunft gestalten und den Umbruch ohne weitere Verzögerungen angehen müssten, wird sich weisen. Es scheint aber, dass wir weiterhin in der Endlosschlaufe verharren und die substanziellen Massnahmen das Übel an der Wurzel zu packen, weiterhin aufschieben. Der «Great Reset» wie Klaus Schwab es am «WEF» formuliert hat, ist ausgeblieben und wird so schnell nicht kommen.
Die Politik betreibt noch immer eine Pflästerli-Strategie. Es zeigt sich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und die weltweit akute Bedrohungslage durch den Klimawandel es nicht vermögen, die Gesellschaft und Wirtschaft zum radikalen Umdenken zu bewegen. Egoismus und der ungezügelte Turbo-Kapitalismus mit Ressourcenabbau und Wachstum „auf Teufel komm raus“, sind leider noch immer der Motor der Gesellschaft. Eine solche Transformation erfordert viel Selbstreflektion, Verantwortung und Solidarität. Das alles ist leider ausser Mode geraten. Das Geschrei und Gebrüll auf den (a)sozialen Medien und in den Filterblasen überhört jede Nuance der Debatte und unterbindet jeden echten Dialog, jeden Ansatz von Solidarität sowie die Fähigkeit „Über den eigen Horizont hinaus zu sehen“. So betrachtet, sind die Schweizer engstirnig, wie sie schon immer waren, geblieben.
Äusserst bedauerlich, aber nicht weiter verwunderlich, ist es da auch, dass die Schweizer Bevölkerung 2021 sowohl die Trinkwasser-, als auch die Pestizid- und die CO2-Initiative an der Volksurne bachab geschickt hat und die Konzernverantwortungsinitiate am Ständemehr gescheitert ist. Damit hat die Schweiz keinen Plan und keine Strategie mehr, wie sie die CO2-Reduktion in den Griff kriegt. Es dürfen also weiterhin Pestizide gespritzt werden, was das Zeugs hält, was die Bauern freut. Als Musterschüler gelten wir längst nicht mehr, mit dem Finger auf andere zeigen, geht nun einfach nicht mehr, wir müssen uns zuerst an den eigenen Haaren raufen.Gut, die Covid-19 Krise hat die Lust auf neue Restriktionen und neue Innovationen geschmälert. Doch die Schweizer Wirtschaft ist insgesamt mit einem blauen Auge davon gekommen, bis auf gewisse Kreise, wie die Tourismus- Gastro- und Eventbranche, aber auch die wurden hierzulande durch die Kurzarbeitslosengelder zumeist gut entschädigt und die Landwirtschaft wird weiterhin subventioniert.
Daher ist es nur folgerichtig, wenn die Klimajugend die Grünen radikal links überholt bzw. überflügelt und eine viel raschere und konsequentere Vorgehensweise fordert. Covid-19 kostet uns Milliarden, fügten wir aber ein paar Milliarden für die Transformation der Wirtschaft hinzu, hätten wir enorm viel gewonnen. Die Rüstungsbudgets sollten weltweit eingefroren und zur Bekämpfung des Klimaandels eingesetzt werden. Wir müssen unbedingt weitere Pandemien vermeiden, da allein würde sich jede Klima-Investition lohnen. Jeder von uns hat es in der Hand, dazu beizutragen, doch geht es nicht mehr ohne einschneidende Schritte in nie gekanntem Ausmass. Lieb gewonnene Lebensweisen werden sich stark verändern müssen. Insbesondere müsste man bei der Bekämpfung von Pandemien, bei einer drastischen Reduktion der Abholzung in tropischen Ländern anfangen, denn es zeigt sich das der sogenannte Spillover für die das vermehrte Auftreten von Pandemien verantwortlich ist. So nennen BiologInnen den Vorgang, bei dem Krankheitserreger von (Wild-) Tieren auf den Menschen überspringen. Durch Spillover entstehen Zoonosen, also Krankheiten mit tierischem Ursprung. Laut einer Studie der britischen Zoologin Kate Jones entstanden zwischen 1940 bis 2004 insgesamt 335 neue Infektionen, wovon 60 Prozent tierischen Ursprungs waren. Dazu gehörten das Influenza-A-Virus, der Vogelgrippe-Virus H5N1, das Napah-Virus und vermutlich eben auch Sars und Covid-19. Einer der bekanntesten Wissenschaftler, der sich mit Zoonosen beschäftigt, ist Serge Morand, ein in Thailand lebender Evolutionsbiologe und Parasitenforscher. Auch durch die Viehzucht, die nachweislich zum Abholzen führt, entstehen Zoonosen trotz Antibiotika-Einsatz. Umweltzerstörung, Klimawandel, Tierseuchen und Epidemien stehen also in engem Zusammenhang mit Ökologie, Tier- und Humanmedizin
Jeder von uns kann viel tun, indem wir den Fleischkonsum reduzieren, Foodwaste vermeiden, lokale, saisonale Produkte kaufen, auf ständig neue Kleider und Smartphones verzichten, den öffentlichen Verkehr statt das Auto nutzen und Flugreisen auf das nötigste einschränken, viel mehr Gebäude auf erneuerbare Energien umgerüsten, die Heizungen runterschrauben und selbst produzierte überschüssige Energie zu vernünftigen Preisen ins Netz einspeisen. Elektrostationen für E-Autos und E-Bikes müssten massiv ausgebaut werden, auch müssen wir die Solar- und Windenergie viel besser nützen, den Gewässerschutz konsequenter anwenden, alle Subventionen für die fossile Energiegewinnung einstellen, im Flugverkehr international eine hohe Treibstoffbesteuerung einführen, sodass der Flugverkehr erheblich reduziert wird – bis der Treibstoff der Luftverkehrsindustrie grüner geworden ist. In der Geschäftswelt sollte eine CO2-Fussabdruck-Bilanzierung in den Unternehmen und steuerliche Anreize für die Reduktion eingeführt werden. Beim (um-)Bau die nachhaltige Gebäudetechnik fördern, Bodenversiegelung vermeiden und in der Forstwirtschaft, alters- und artengemischte Wälder kultivieren.
Ferner sollte der Staat vermehrt Anreize für sinnvolle Aufgaben im Sozial-, Bildungs-, Gesundheitswesen aber auch im Natur- und Umweltschutz schaffen. Aufgaben gäbe es mit dem Klimawandel zur Genüge und statt dass der Staat immer mehr Sozialhilfegeld bezahlt, sollten die brachliegenden menschlichen Ressourcen für den klima-neutralen Umbau unserer Gesellschaft eingesetzt werden, aus allen Alters- und Bildungsschichten, Kultur- und Sprachräumen. De Facto finden ja nur wenige Arbeitnehmer über 50 Jahre alt wieder eine Stelle. Warum also sollten sie nicht entsprechend ihren Qualifikationen für soziale Aufgaben und Natur- und Umweltschutzprojekte eingesetzt und mit einem Grundeinkommen entschädigt werden, denn wir müssen eine permanente Spitex für die Natur einrichten. Kommen wir zu den einzelnen Wirtschaftsbereichen und ein paar Vorschlägen und was konkret getan werden kann.
Bauwirtschaft/Cementindustrie/Gebäudesanierung:
Die Zementindustrie ist eine der grössten CO2-Schleudern nach der Öl- und Kohleindustrie. Dabei gibt es schon längst alternativen, nachhaltigere Baustoffe, die vielerorts zum Einsatz kommen könnten. Beim Bau oder der Sanierung von Gebäuden gibt es viel Potential. Da ist zunächst einmal eine gut gedämmte Gebäudehülle, die auch mit Hanfziegelsteinen und Hanfvlies vorgenommen werden können. Bei einer dichten Gebäudehülle sinkt durch die Isolation der Energieverbrauch im Winter. Energiesparende Häuser brauchen eine gute Durchlüftung der Räume. Gas- und Ölheizungen sind Auslaufmodelle und sollten durch Erdsonden und Wärmepumpen ersetzt werden, umsomehr, wenn auf dem Dach oder am Gebäude Solarpanels angebracht werden, wodurch der Strom für die Wärmepumpe und das heisse Wasser von der Sonne her kommt. Mit einer Fotovoltaikanlage können viele Hauseigentümer sich autark mit Strom versogen und zwischen 60 bis 80 Prozent des Bedarfs abdecken. Mit LED Beleuchtung, energieeffizienten Haushaltsgeräten und einer Ladestation für E-Autos sind sie gut aufgestellt und sparen in Zukunft erhebliche Betriebskosten. In der Schweiz sind die Pensionskassen und grossen Immobilienfirmen in der Pflicht dieses Ziel rasch umzusetzen.
Ernährung: Unser aller Kernproblem ist es, dass jedes Jahr 80 Millionen Menschen hinzukommen und die jetzt erst geboren haben theoretisch eine höhere Lebenserwartung, auch in den Entwicklungsländern. Bis Ende des Jahrhunderts werden wir elf Milliarden Menschen sein, die immer mehr Lebensraum beanspruchen und noch mehr Landwirtschaftszonen für die Nahrungsmittelproduktion brauchen. Es kann nicht sein, dass wir allein mit der Viehwirtschaft für die Fleisch- und Milchproduktion ganze Artenbestände und wichtige Ökosysteme unwiederbringlich vernichten. Eine vegane Ernährung wird daher zum obersten Credo für die wachsende Weltbevölkerung.
Mobilität: Auto:
Die Mobilität in der Schweiz verschlingt ein Drittel des gesammten CO2-Verbrauchs. Schuld daran ist der Wahn und die Liebe zu SUVs also zu den „Saumässig Umweltschädlichen Vehicles“. Kein Land der Welt fährt mehr MonsterAutos und zumeist erst noch mit einer einzigen Person im Fahrzeug. Sorry liebe Auto-Liebhaber und PS-Protzer, bescheuerter geht es nicht! Daher gibt es nur eine Lösung: Benzin- und Diesel müssten vorerst drastisch stärker besteuert und bis 2030 verboten werden, sodass das Umsteigen auf E-Autos rasch attraktiver gemacht wird. Öffentliche Parkplätze sollten in den Metropolen nach und nach dezimiert werden und rasch verschwinden. Dafür sollten an den Peripherien mehr E-Bikes, E-Cars Terminals bereitgestellt werden und in den Städten hauptsächlich der öffentliche Verkehr mit Hilfe von mehr E-Mobilität ausgebaut werden. Wohlgemerkt: Bei einer Fahrt von 100 Kilometern werden 300 kg Gletschereis vernichtet. Das ärgste der Unvernunft sind zwei, drei Kilometer Fahrten zur Kita oder Einkäufe in der Umgebung.
Bahn:
Der Bahnverkehr muss zumindest in der Schweiz erheblich verbilligt werden. Als Beispiel ist Österreich zu nennen, das einen erschwinglichen Preis für ein Jahresabo eingeführt hat. Dort kann man nun ein ganzes Jahr im ganzen Land für weniger als der Preis eines Schweizer Halbtaxabos herumfahren. Das stösst die Trendwende im ÖV gewiss kräftig an, doch die SBB hinken der Entwicklung äusserst lahm hinterher.
Luftverkehr:
Ein Europaflug verursacht rund 5190 Kilogramm Gletscherschmelze in den Alpen – und das jeden Tag tausendfach. Daher müsste eine CO2-Abgabe weltweit auf alle Flüge auch auf Transportflüge erhoben werden, damit die Industrie sich auch hier technisch umstellt und die Fun-Vielflieger in die Schranken gewiessen werden oder einen adäquaten CO2-Kompensations-Beitrag leisten.
Schiffstransporte:
Die Frachtschifffahrt verschlingt Unmengen von Diesel. Je mehr wir lokale Produke fördern und kaufen, umso weniger muss von weit hergeholt oft tausende Kilometer transportiert und verteilt werden. Auch die Schifffahrt muss sich mit neuen Treibstoffen, Segelantrieb und Windturbinen auseinandersetzen und volle Fahrt in Richtung Energiewende aufnehmen.
Reichtum-Umverteilung in der Finanzindustrie und bei den Superreichen:
Kein Mensch auf der Erde braucht Milliarden, soviel ist glasklar. Warum nicht weltweit eine Obergrenze für Superreiche setzen und beispielsweise jeden Dollar über einem 50 Millionen Vermögen einziehen und so die für den Klimawandel nötigen Mittel bei den Superreichen eingetreiben? Die Rohstoffkonzerne und Tech-Giganten (Google & Co.) müssten ebenso ihren Beitrag leisten, wie die Krypto-Schürfer und Big-Data-Miners, da sie oft zu den grössten CO-2 Emmitenten gehören.
Kriegswirtschaft/Rüstungsindustrie: Weltweites Moratorium und Umrüstung
Wie schon kurz erwähnt, sollten sich alle Staaten zusammenraufen und für fünf oder zehn Jahre lang ein Kriegsmaterial-Moratorium einführen und die eingesparten Mittel für den Klimaschutz und die CO2-Reduktion ausgeben, denn die Menschheit wird in den kommenden Dekaden einen globalen Kampf zur Rettung unseres Planeten ausfechtn müssen, den sie aus heutiger Sicht offensichtlich zu verlieren scheint. Um diesen Krieg gegen unseren Untergang zu überleben, brauchen wir keine Waffen, Panzer, U-Boote und Flugzeuge. Diese nützten uns allesamt nichts, wenn wir in Folge von Hunger, Durst, Verwüstung und infolge Verteilkämpfe sterben. Keiner kommt aus dieser Geschichte ungeschoren davon. Kein Nationalismus schützt uns vor dieser Krise.
Konsumgüterindustrie:
Heute werden viele Billigprodukte so konstruiert, dass sich nach Ablauf der Garantiezeit schon bald einmalersetzt werden müssen, entweder, weil sie (mangels Ersatzteilen oder durch die Konstruktion) nicht repariert werden können oder weil sie von Anfang an für ein kurzes Leben konzipiert und angefertigt wurden. Wenn man sich anschaut, in welcher Qualität Bauteile, Maschinen, Kleider usw. frührer gebaut wurden, die zum Teil generationenübergreifend weitergereicht wurden. Qualität vor Quantität ist die Losung: Die Produkte müssten also so gefertigt sein, dass sie mindestens zehn oder zwanzig Jahre verwendet werden können
KonsumentInnen:
Wir unterschätzen unsere Rolle und unser Einfluss beim Konsumverhalten, auch wenn ein einzelne Person vermeintlich wenig bewirken kann.Wir können in allen Lebensbereichen Zeichen setzen und die Hebel umlegen.
Landwirtschaft:
Ich habe es bereits angesprochen und es ist uns allen klar, dass wir die Böden und die Gewässer nicht noch stärker vergiften dürfen.Wenn die KonsumentInnen ein klares Zeichen setzen und die Politik die Subventionen für Viehwirtschaft und intensive Monokultur-Agrarwirtschaft streicht, kommen wir auch hier in die Gänge und verhelfen den Bauern, die ökologischen Anbau betreiben mit den gestrichenen Subventionen für die Trinkwasser und Gewässervergifter. Wie in Holland könnten auch in der Aglomeration rund um die Städte riesige Anbaugebäude entstehen, wo Obst und Gemüse vertikal viel effizienter und sparsamer angebaut werden kann und bestens gedeiht sowie einfacher und automatisierter geerntet werden kann und erst noch dem lokalen Markt zur Verfügung stehen. Es gibt bereits Supermärkte, die auf ihrem Dach einen Biogarten haben und das Obst und Gemüse ein paar Meter über den Verkaufsflächen angebaut wird.
Plastik-Verpackung:
53 Kilogramm Einwegplastik landen in der Schweiz pro Kopf und Jahr im Abfall, im Wasser oder sonstwo in der Umwelt. Damit zählt die Schweiz zu den grössten Verbrauchern im Ranking nach Singapur (76 kg), Australien (59 kg), dem Oman (56 kg) und ist gleichauf wie Belgien, die Niederlande und Hong Kong. Bis 2040 werden weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Plastik die Umwelt und die Gewässer belasten. Natürlich müsste die Verpackungsindustrie neue Verpackungsmaterialen verwenden, doch es liegt auch an den VerbraucherInnen, von wem, wie und was sie einkaufen.
Städteplanung/Selbstversogung/Soziales:
Angesichts des rasanten Biodiversitätsverlustes und der Verödung der Städte, frage ich mich schon lange, warum nicht all die nutzlosen Rasenflächen vor allen Miet- und Wohnhäusern zu Gärten für geneigte Hobby-Gärtner und Selbstversorger unter den Anwohner/innen umfunktioniert werden und gerade die ärmeren Leute und solche mit Migrationshintergrund und Agrar-Know-how ihre Nahrung teilweise vor dem Haus anbauen könnten. Das würde auch der Armut ein wenig entgegensteuern und vielen Familien das Überleben garantieren sowie sinnstiftend sein. Warum sollten wir alle Lebensmittel aus Afrika, China und Lateinamerika importieren, wenn wir mit lokalem Anbau unsere Städte verschönern, die Biodiversität steigern, dabei das lokale Gewerbe stärken die Selbstversorgung erhöhen und dadurch die CO2-Emmissionen signifikant verringern könnten. Wir sollten darüber nachdenken, was unsere Gemeinden eigentlich mit ihren Gemeindeflächen machen. Zumeist schaffen sie grosse Anbau-Strukturen, statt die kleinräumige, lokale Bewirtschaftung und die Biodiversität zu fördern. Das muss sich ändern.
Textilindustrie:
Sie ist eine der dreckigsten Industrien nach der fossilen Rohstoffindustrie. Zehntausende von Menschen leiden in Indien und Bangladesh nicht nur an Ausbeutung sondern an schwersten und irreparablen Krankheiten, Unfruchtbarkeit und vieles mehr. Hier gibt es nur einen Weg, liebe Ladies. Verzicht und nochmals Verzicht, weniger Kleider, dafür qualitativ bessere. Der Fast-Fashion-Wahnsinn muss ein Ende haben. Viel mehr gibt es hier nicht zu sagen.
Windenergie:
Schottland und Norwegen machen es vor. Die Schotten haben jetzt schon keine CO-2 Emissionen mehr, weil sie soviele Windparks aufgestellt haben, dass sie sogar grünen Strom exportieren können. Viele Gemeinden finanzieren diese Anlagen selbst mit ihre Anwohnern und werden so nicht nur von der Stromversorgung unabhängig sondern auch noch zu grünen Stromlieferanten. Auch in Norwegen ist die Windenergie zu einem Motor der grünen Energie geworden. Überdies bietet das Land offenbar ideale Bedingungen, um CO2 tief unter die Erde in Holräume einzuspeisen und dort zu lagern. Co2 kann verflüssigt und so in die Tiefe der Erdschichten gepumt werden. In der Schweiz fristet die Windenergie ein Schattendasein. Doch auch hier und auch in vielen weiteren Teilen der Welt liessen sich Windräder aufstellen. Bei uns auf den Seen, in den Alpentälern, wo der Föhn ständig bläst, auf Alpenkämmen und auch auf den Dächern von Industrieanlagen. Bei der Windenergie gibt es jedenfalls noch viel Luft nach oben.
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Wenn wir Konsumprodukte wie Waschmaschinen, Smartphones, Kleider und Möbel länger nutzen, trägt dies beträchtlich zum Klimaschutz bei – mehr als das Recycling. Das zeigt eine neue Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmen INFRAS im Auftrag von Greenpeace Schweiz. Greenpeace Schweiz setzt sich darum für eine echte Kreislaufwirtschaft ein und fordert ein «Recht zu Reparieren».
Die Schweizer Bevölkerung konsumiert zu viel: Würden alle Länder so viel konsumieren wie die Schweiz, bräuchten wir fast drei Erden. Dieser Überkonsum schadet auch dem Klima. Die in- und ausländische Produktion von Konsumgütern ist für 9 Prozent des Schweizer CO2-Fussabdrucks verantwortlich. Eine Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmen INFRAS zeigt nun: Indem Konsumprodukte länger genutzt werden, kann eine signifikante Menge an Treibhausgas-Emissionen eingespart werden.
Längere Nutzungsdauer aus Umweltsicht sinnvoll In der von Greenpeace Schweiz beauftragten Studie untersuchte INFRAS für fünf Konsumgüterkategorien (Waschmaschinen, Notebooks, Smartphones, Bekleidung und Möbel), wie sich eine längere Nutzungsdauer auf den CO2-Fussabdruck der Schweiz auswirken würde. Die Ergebnisse zeigen: eine längere Nutzungsdauer ist aus Umweltsicht quasi immer sinnvoll. Würden beispielsweise alle Kleider in der Schweiz drei Jahre länger getragen, könnten wir damit 1,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Das entspricht der gleichen Menge, die ein Auto ausstossen würde, dass die Welt am Äquator 186’000 Mal umrundet (7,4 Mrd. Kilometer). Würden wir unsere Smartphones drei Jahre länger nutzen, entsprächen die eingesparten Klimagase 11’400 Äquator-Umrundungen mit dem Auto.
INFRAS schätzt, dass sich der Schweizer CO2-Fussabdruck um 1,8 bis 4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent reduzieren liesse, würden alle Konsumprodukte in der Schweiz ein bis drei Jahre länger genutzt. Als Vergleich: Das PET-Recycling schaffte 2020 Einsparungen von 137’000 Tonnen CO2-Äquivalenten.Aus methodischen Gründen beschränkte sich INFRAS in ihrer Studie auf die Betrachtung von Treibhausgasemissionen. Eine längere Nutzungsdauer von Produkten bringt aber eine Reihe weiterer positiver Umweltwirkungen mit sich, zum Beispiel bei der Landnutzung.
Teilen, Wiederverwenden, Wiederaufbereiten und Reparieren Um die Nutzungsdauer von Konsumprodukten zu verlängern, ist eine echte Kreislaufwirtschaft unerlässlich. Diese sieht Recycling, Verbrennung und Deponierung als letzte Auswege, da dabei Energie und Rohstoffe verloren gehen. Wichtiger sind das Teilen, Wiederverwenden, Reparieren und Wiederaufbereiten von Produkten. Diese Strategien setzen bereits in der Produktions- und Nutzungsphase an und können so den Verbrauch an Primärrohstoffen reduzieren. «Mit unserem aktuellen Konsumverhalten beuten wir die Umwelt aus und schaden dem Klima. Es ist an der Zeit, unseren Konsum grundsätzlich zu hinterfragen und dem Reparieren, Teilen, Wiederverwenden und Wiederaufbereiten Vorrang einzuräumen. Hier ist nun die Politik gefragt», sagt Barbara Wegmann, Konsum- und Kreislaufwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Schweiz. Eine besonders wichtige Rolle für die Verlängerung der Nutzungsdauer spielen Reparaturen. Um die Reparaturrate in der Schweiz zu steigern, braucht es ein Bündel an politischen Massnahmen. Zu diesem Schluss kommt INFRAS in ihrer Studie. Ein solches Massnahmenbündel fordert Greenpeace mit der Petition für ein «Recht zu Reparieren»: Jede:r soll selbst entscheiden können, wo, zu welchem Preis und in welchem Umfang ein defekter Gegenstand repariert werden soll. Ein solches Recht zu Reparieren soll im Rahmen der laufenden Revision im Umweltschutzgesetz verankert werden.
Ein Embargo von Gas und Öl aus Russland würde es notwendig machen, dass wir weniger davon verbrauchen. Während in der Politik Pläne für einen Umstieg auf andere Energiequellen diskutiert werden, hilft unmittelbar nur ein sinkender Konsum. Fachleute sehen viele Einsparmöglichkeiten.
Auch mehr als zwei Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine zahlt Deutschland täglich hunderte Millionen Euro für Gas und Öl aus Russland. Die Bundesregierung hält weiterhin an den Importen fest. Aber diese Linie ist unter den Abgeordneten der Fraktionen im Bundestag umstritten: Einige Abgeordnete würden die Importe lieber sofort stoppen. Und im Gegenzug die Industrie und Bürgerinnen und Bürger um vorübergehenden Verzicht bitten.
Nur das kurzfristig mögliche Einsparen von Energie kann die Abhängigkeit von russischen Importen unmittelbar senken. Denn alle diskutierten Alternativen, etwa das klimaschädliche Flüssiggas aus den USA zu importieren oder Solar- und Windkraftanlagen auszubauen, liefern frühestens im kommenden Jahr nennenswert zusätzliche Energie.
Forschende sind sich zunehmend einig, dass daher als Erstes über einen sinkenden Verbrauch von Energie gesprochen werden muss – und zugleich über alternative Angebote. Noch hat das Bundeswirtschaftsministerium nach Informationen von CORRECTIV keine eigenen Studien dazu beauftragt, wieviel Gas und Öl etwa durch kühlere Wohnungen, Tempolimits oder Einschränkung des Flugverkehrs eingespart werden könnten. Alle Aufmerksamkeit richtet sich darauf, den bestehenden Verbrauch im Fall eines Embargos aus anderen Quellen zu bestreiten.
Wohnungen auf 19 Grad zu heizen, könnte 20 Prozent Energie einsparen
Aber was bedeutet es konkret für Bürgerinnen und Bürger, ohne russische Energie auszukommen? Die größte Herausforderung wäre das fehlende Gas, mit dem bislang in rund der Hälfte aller Haushalte geheizt und gekocht wird. „Die Räume um ein Grad weniger zu heizen, bedeutet sechs bis sieben Prozent weniger Gas zu verbrauchen“, sagt Bruno Burger, Energiespezialist beim Fraunhofer-Institut für Solarenergie. „Bei drei Grad sparen wir also 20 Prozent ein, das ist enorm.“ Der Internationalen Energieagentur IEA zufolge liegt die durchschnittliche Temperatur in europäischen Gebäuden bei mehr als 22 Grad Celsius. Zwischen drei und vier Grad Wärme in der Wohnung zu verlieren, hieße für viele bei 18 oder 19 Grad zu leben und zu arbeiten – eine gesunde Temperatur.
Bisher aber steht im deutschen Mietrecht, dass in Wohnungen eine Mindest-Raumtemperatur von 20 bis 22 Grad Celsius herrschen sollte. Dies ließe sich gesetzlich ändern. Ebenso wie eine Höchsttemperatur von Heizungsanlagen in Einfamilienhäusern. Schon vor der Krise haben Expertinnen und Experten vorgeschlagen, Bürgerinnen und Bürger dafür zu belohnen, Energie einzusparen – etwa bei sinkendem Verbrauch weniger für eine Kilowattstunde zahlen zu müssen.
Der Energiespezialist Burger vom Fraunhofer-Institut glaubt, die Menschen seien bereit, auf Komfort zu verzichten. „Es ist für mich schwer zu verstehen, dass wir uns um die Heizung im nächsten Winter Sorgen machen, während die Menschen in der Ukraine jede Stunde um ihr Leben bangen“, sagt der Wissenschaftler. Zumal auch hier verschiedene Optionen diskutiert werden, Geringverdiener bei knappem Angebot und damit höheren Preisen zu entlasten. Darunter fallen progressive Energietarife, bei denen jeder Haushalt pro Person einen angemessenen Grundbedarf günstig erhält und alles, was darüber hinausgeht, teuer bezahlen muss.
„Ein Fehler, in der Industrie nicht über Einsparungen zu sprechen“
Auch darüber, wie das Gas für die Industrie zu ersetzen ist, spricht kaum jemand. Heute nicht, aber auch schon vor dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht: Während fossiles Gas im Stromsektor laut aktuellem Entwurf des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes ab 2035 kaum noch eine Rolle spielen soll, gibt es keinen verbindlichen Fahrplan für einen Ausstieg aus dem Gas in der Industrie.
Unternehmen nutzen Gas, um Stoffe zu erwärmen, etwa in der Nahrungsmittel-, Glas-, Keramik- und Metallindustrie. Nach Angaben des Deutschen Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes DEW wird Gas benötigt, um zum Beispiel Öfen in Großbäckereien zu erhitzen oder auch um Papier herzustellen. Der Ludwigshafener Chemiegigant BASF etwa stellt mit Gas Ammoniak für Düngemittel her. Diese Produktion ist insgesamt energieintensiv und verursacht viele Treibhausgase, der Dünger selbst auf den Feldern verunreinigt das Trinkwasser, muss langfristig also ohnehin deutlich weniger genutzt werden. Auch hier könnte schnell nach Alternativen gesucht werden.
„Es ist ein großer Fehler, dass wir gar nicht über Einsparungen in der Industrie sprechen“, sagt Constantin Zerger, Gas-Experte der deutschen Umwelthilfe. Es fehlten transparente Daten darüber, wie viel russisches Gas einzelne Industrie nutzen und wie sie diese Energiequelle, auch aus Klimaschutzgründen, künftig ersetzen könnten.
Zerger plädiert für einen Kompromiss: Die Gaspipeline Nordstream 1 durch die Ostsee sollte abgeschaltet werden, dafür aber Gas durch die Erdleitungen, die auch durch die Ukraine führen, importiert werden. „Das könnte Putin davon abhalten, ukrainische Regionen mit dieser Gaspipeline zu bombardieren“, hofft Zerger. Er schlägt darüber hinaus vor, die Zahlungen für das Gas zunächst auf ein Sperrkonto zu überweisen: „Ansonsten finanziert die Industrie den Krieg in Ukraine weiter mit. Die Gelder dürfen erst freigegeben werden, wenn sich Russland aus der Ukraine zurückzieht.“ Langfristig erwartet Zerger eine Antwort der Bundesregierung darauf, wann das Gas in der Industrie auslaufen soll. „Da fehlt noch ein konkretes Ausstiegsdatum.“
Einige Forschende gehen inzwischen ohnehin davon aus, dass die Industrie ihre Produktion kurzfristig drosseln wird, weil die aktuellen Gaspreise ihre Erzeugnisse zu stark verteuern. Auch das könnte den industriellen Gesamtbedarf an Wärmeversorgung sinken lassen, schreibt die Leopoldina-Akademie.
Geringerer Ölverbrauch durch weniger Flüge
Neben dem Gas kommen auch mehr als ein Drittel der deutschen Ölimporte aus Russland. Davon wiederum werden 70 Prozent im Verkehr für Autos, Schifffahrt und den Flugverkehr genutzt. Das Öl brachte Russland im vergangenen Jahr 55 Milliarden Euro ein. Wie lässt sich diese Abhängigkeit in kürzester Zeit reduzieren?
Über Spritsparen beim Auto wurde schon einiges geschrieben: Ein Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde etwa könnte 3,7 Milliarden Liter Benzin pro Jahr einsparen, sagt die Deutsche Umwelthilfe. Das entspricht etwa 10 Prozent des Gesamtverbrauchs. Auch autofreie Sonntage wären wie schon in der Ölkrise 1973 ein Mittel, um unabhängiger vom russischen Öl zu werden.
Noch nicht diskutiert wird, wie der Flugverkehr eingeschränkt werden kann. Eine in der Klimapolitik schon lange diskutierte Maßnahme ist beispielsweise das Verbot von Kurzstreckenflügen, die mit Bahnfahrten ersetzt werden könnten. Nach einer aktuellen Berechnung der Umweltorganisation Greenpeace fliegt jedes vierte Flugzeug mit russischem Öl. Das ist in diesen Kriegszeiten ein Problem, aber auch für die Klimaziele: Nirgendwo sonst im Verkehr steigen die Emissionen so rasant wie im Flugverkehr. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen, die meist von Geschäftsreisenden genutzt werden, sind noch nicht in der Diskussion. Obwohl die Bevölkerung dahinter stünde: Mehr als 60 Prozent befürworten laut einer Umfrage dieses politische Verbot.
Auf lange Sicht helfen erneuerbare Energien
Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Energie sparen, muss weniger fossile Energie erzeugt und importiert werden. Um den weiterhin bestehenden Bedarf klimafreundlich und unabhängig zu stillen, müssen allerdings auch so schnell wie möglich die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Offiziell wollen sowohl Deutschland als auch die Europäische Union bis 2030 unabhängig von russischen Kraftstoffen werden. „Mit erneuerbaren Energien können wir uns aus der Abhängigkeit von totalitären Staaten befreien und unser Energiesystem auf eine klimaneutrale Erzeugung umstellen. Deshalb brauchen wir jetzt einen nationalen Kraftakt zum Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagt Energieexperte Bruno Burger.
Bisher wurde der massive Ausbau von erneuerbaren Energien vor allem von CDU- und FDP geführten Ländern systematisch ausgebremst. Ein Beispiel: In Bayern dauert es fünf bis zehn Jahre, um ein Windrad zu bauen, weil die Genehmigung so langwierig ist. „Die Alternativen zu importiertem Gas und Öl wurden lange Zeit politisch gebremst“, sagt auch Claudia Kemfert, Umweltökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und langjährige Verfechterin einer Energiewende. „Wir können uns bis 2030 zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien versorgen. Wenn wir zugleich noch Energie einsparen, geht es auch einige Jahre früher.“
Pro Tag müssten sieben Windanlagen geschaffen werden, auch alle Dächer sollten künftig Solarpaneele tragen, sagt Kemfert. Der schnelle und massive Ausbau scheitere aber an langen Planungsverfahren und mangelnden Fachkräften. Für die Expertin ist dies der „Flaschenhals“, der in den vergangenen Jahren alles verzögert hat. „Beides kann mit politischem Willen und damit verbunden mehr öffentlichen Investitionen überwunden werden.“ Etwa mit einer schnellen Task-Force, die den Behörden in den Ländern und Kommunen helfe, passende Flächen für Windräder und Solaranlagen auszuweisen.
„Wenn wir alles elektrifizieren – den Verkehr, die Industrie, die Heizung in Häusern durch Wärmepumpen – halbiert sich automatisch der Primärenergiebedarf. Das ist in weniger als zehn Jahren zu stemmen“, sagt Kemfert.
Erneuerbare Energien: Kompletter Umstieg in 10 oder 20 Jahren?
Daran wiederum arbeitet das Wirtschafts- und Klimaministerium. „Jedes Windrad, jede Solaranlage machen Deutschland und Europa unabhängiger von Autokraten wie Putin“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Lukas Benner. Die Regierung wolle den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien bis zum Jahr 2035. Der Jurist Benner arbeitet im Rechtsausschuss des Bundestages daran, das Planungs- und Genehmigungsrecht für erneuerbare Energien zu vereinfachen. „Wir wollen die Verfahren zeitlich straffen, stärker digitalisieren und behördliche Bewertungsmethoden vereinheitlichen.“ Etwa, indem künftig bundeseinheitliche Kriterien für die artenschutzrechtliche Prüfung festgelegt und Genehmigungen von Wind- und Solaranlagen abgefragt würden. Auch die Akzeptanz von Windrädern soll gesteigert werden. „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und effektiv am Verfahren beteiligen und finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten der lokalen Bevölkerung stärken“, sagt Benner.
Aber ausgerechnet der Bundesverband Solarwirtschaft sieht den Zeitplan skeptisch. „Deutschland kann sich erst im Laufe der kommenden 20 Jahre unabhängig von fossilen Energieimporten machen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Zwar sei es möglich, durch einen schnellen Ausbau von Photovoltaikanlagen und Solarthermie unabhängiger von russischen Importen zu werden. Kompensieren ließen sich die Importe jedoch nicht. „Auch nicht im Mix mit anderen erneuerbaren Energien.“
Kurz- bis mittelfristig müssten für eine Übergangszeit andere Länder fossile Kraftstoffe nach Deutschland liefern, prognostiziert Körnig. Dies könne eine Alternative zu dem Hochfahren inländischer Atom- und Kohlekraftwerke sein, „wovon wir dringend abraten.“
Solarausbau: Fachkräfte sind ausgebucht und es fehlt an Material
Wie schwierig es im Alltag ist, fossile Brennstoffe kurzfristig zu ersetzen, zeigt ein Blick nach Baden-Württemberg. Das Bundesland hat sich vorgenommen, bis 2040 klimaneutral zu werden. Ralf Bültge-Bohla ist Klimamanager und Teil der Task-Force Klima und Umwelt in Reutlingen. Die Stadt ist 2020 dem Klimaschutzpakt des Landes beigetreten und strebt an, die Verwaltung, die Eigenbetriebe und die Tochterunternehmen bis spätestens 2040 klimaneutral aufzustellen.
Die Aufgabe von Ralf Bültge-Bohla ist es, dieses Ziel in der Region umzusetzen. „Wenn wir als Stadt bei diesem Thema nicht vorangehen und Erfolge vorzeigen, dann können wir von den Bürgern auch nichts fordern.“ Spricht man mit Bültge-Bohla über den Ausbau von erneuerbaren Energien im Alltag, wird schnell klar, dass viel Wille da ist, sowohl in der lokalen Politik als auch in der Bevölkerung. „Die Energieberater in der Region bekommen gerade sehr viele Anfragen.“ Besonders gefragt seien Informationen zu Photovoltaikanlagen für die Dächer oder Alternativen zu Gas- und Ölheizungen.
Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine sei der Beratungsbedarf in der Bevölkerung noch mal gestiegen, sagt Bültge-Bohla. Doch kurzfristig umzurüsten sei schwierig. „Die Energieberater sind bis Mai ausgebucht.“ Dazu komme, dass es gerade beim Photovoltaikausbau rechtlich schnell kompliziert werde, sagt der Klimaschutzmanager. Die nächsten Hürden sei der Fachkräftemangel und Lieferengpässe. „Die Handwerker warten hier teilweise bis zu sechs Monate auf Material für die Installation von Photovoltaikanlagen.“
Für Bültge-Bohla ist klar, dass es nun an der Politik ist, für gesetzliche Lösungen zu sorgen. Dazu gehöre ein Abbau von Bürokratie und eine bundesweite Photovoltaik-Pflicht für die Dächer. „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, alles muss ineinander greifen, sonst wird der Wandel nicht funktionieren.“
Die Menschenrechte und deren Schutz sind eng mit dem Klimawandel verknüpft, denn er hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf unser eigenes Wohlergehen. Der Klimawandel bedroht nicht nur unsere Existenz, sondern hat auch schädliche Auswirkungen auf unsere Rechte auf Leben, Gesundheit, Nahrung, Wasser, Wohnen und Lebensunterhalt.
Deshalb teilt Amnesty International das Ziel der Gletscherinitiative, menschengemachte Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null zu senken, und fordert ebenfalls, dass fossile Energieträger so schnell wie möglich nicht mehr genutzt werden. Die Position von Amnesty zu diesen und weiteren Themen
21.055 | Geschäft des Bundesrates | Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative). Volksinitiative und direkten Gegenentwurf
Amnesty International teilt das Ziel der Gletscherinitiative, menschengemachte Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null zu senken, und fordert ebenfalls, dass fossile Energieträger so schnell wie möglich nicht mehr genutzt werden.
Die Menschenrechte und deren Schutz sind eng mit dem Klimawandel verknüpft, denn er hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf unser eigenes Wohlergehen. Der Klimawandel bedroht nicht nur unsere Existenz, sondern hat auch schädliche Auswirkungen auf unsere Rechte auf Leben, Gesundheit, Nahrung, Wasser, Wohnung und Lebensunterhalt.
So fordert Amnesty International insbesondere, dass Massnahmen zum Schutz des Klimas auf eine menschenrechtsverträgliche Weise umgesetzt werden, und dass diese Massnahmen dazu dienen, Ungleichheiten zu reduzieren statt zu fördern.
Nachdem die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates das Geschäft beraten hat, ist nun der Nationalrat am Zug. Angesichts der Dringlichkeit des Klimaschutzes sollte das Netto-Null Ziel ohne Verzögerung festgelegt und gesetzlich verankert werden.
Asyl und Migration
15. März 2022, Nationalrat
20.3776 | Motion | Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle für Asylsuchende
Im Postulat 20.3776 wird der Bundesrat aufgefordert, die Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle im Asylwesen zu prüfen. Angesichts der breit dokumentierten Gewaltvorfälle in Bundesasylzentren, unterstützt Amnesty International diese Forderung, und empfiehlt das Postulat dem Nationalrat zur Annahme.
Falls ein solcher unabhängiger Mechanismus geschaffen wird, sollte dies in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards und in Konsultation mit einem breiten Spektrum von Akteuren, einschliesslich der Opfer von Misshandlungen, geschehen.
16. März 2022, Ständerat
21.3282 | Motion | Wiedereinführung des Botschaftsasyls
Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan oder die Krise an der belorussisch-polnischen Grenze haben es mit neuer Dringlichkeit gezeigt: Bedrohte Menschen sind gezwungen, sich unter Todesgefahr auf unsichere Fluchtrouten zu begeben, um im Ausland um Asyl ersuchen zu können. Die Wiedereinführung des Botschaftsasyl – eine Forderung von Amnesty International für die laufende Legislatur – böte die Möglichkeit, Menschen diese Gefahren zu ersparen und ihnen eine sichere Flucht in die Schweiz zu ermöglichen.
Seit 2015 steckt die europäische Migrationspolitik in der Krise: Die Tendenz zur Abschottung hat sich in diversen Staaten verstärkt. Damit verschlimmerte sich die gravierende Lage an den europäischen Aussengrenzen. Die Leidtragenden sind in erster Linie Menschen auf der Flucht. Griechenland, Italien und Spanien, die die Hauptlast an Asylgesuchen tragen, werden vom Rest Europas weitgehend sich selbst überlassen. Was die Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie der Türkei oder Libyen betrifft, hat sich gezeigt, dass das Fehlen funktionierender Asylsysteme zu schweren Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten und Migrant*innen führt.
Entsprechend empfiehlt Amnesty dem Ständerat entgegen seiner Staatspolitischen Kommission die Annahme der Motion 21.3282 zwecks Ausarbeitung einer Gesetzesgrundlage zur Wiedereinführung des Botschaftsasyls.
Afghanistan
10. März 2022, Nationalrat
21.3976 | Motion | Krise in Afghanistan. Beitrag der Schweiz zu Stabilität und Frieden in der Region
Motion 21.3976 fordert den Bundesrat auf, einen grösseren Beitrag zu Stabilität und Frieden und zur Stärkung der Menschenrechte in der Region zu leisten. Während Amnesty International die Stossrichtung der Motion unterstützt, muss ein solches Engagement gekoppelt sein mit einem klaren Bekenntnis zum Schutz von gefährdeten Personen.
Dies soll insbesondere durch die Aufnahme einer bedeutenden Anzahl bedrohter Afghan*innen sowie die Schaffung neuer Resettlement-Plätze, die erleichterte Visa-Erteilung und die Erleichterung der Familienzusammenführung geschehen.
21.4045 | Motion | So schnell wie möglich wieder eine Vertretung in Kabul einrichten
Motion 21.4045 fordert, das die Schweiz schnellstmöglich wieder eine Vertretung in Kabul einrichten soll. Angesichts der Wichtigkeit der Erteilung von humanitären Visa für bedrohte Personen und der Erleichterung der Familienzusammenführung unterstützt Amnesty International dieses Anliegen.
21.4057 | Motion | Unterstützung für die Unabhängige Kommission für Menschenrechte in Afghanistan
Die Motion fordert eine konkrete Unterstützung der Unabhängigen Kommission für Menschenrechte in Afghanistan (AIHRC). Eine starke Nationale Menschenrechtsinstitution kann eine wichtigen Beitrag zum Schutz und der Förderung der Menschenrechte leisten, gerade in Krisensituationen.
Amnesty International empfiehlt die Motion zur Annahme.
CHINA
10. März 2022, Nationalrat
21.3592 | Motion | Institutionalisierung des Austauschs und der Koordination von Schweizer Akteuren gegenüber China (Whole of Switzerland)
Eine glaubwürdige und nachhaltige Aussenpolitik muss gerade gegenüber einflussreichen Staaten wie China die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen. Nur so kann die Schweiz sicherstellen, dass der kulturelle, diplomatische und wirtschaftliche Austausch mit China von universellen Interessen und Werten geleitet wird, und dass das internationale Menschenrechtsregelwerk gestärkt wird.
Entsprechend erwartet Amnesty International, dass im Rahmen einer möglichen Schaffung eines Whole of Switzerland Ansatzes gegenüber China, wie von Motion 21.3592 verlangt, die menschenrechtliche Verantwortung verschiedener Akteure prominent auf der Agenda steht. An solchen Formaten sollen auch kritische zivilgesellschaftliche Akteure vertreten sein.
Aktuell ist zu erwähnen, dass in der Schweiz ansässige Sportverbände ihre Sorgfaltspflicht ungenügend wahrnehmen, die sie, wie auch Schweizer Unternehmen, gemäss internationalem Recht wahrnehmen müssen. Gleichzeitig ist die Schweiz als Staat rechtlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass hier ansässige Akteure ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen wahrnehmen.
21.3321 | Motion | Anerkennung durch die Schweiz des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der chinesischen Provinz Xinjiang
Motion 21.3321 verlangt, dass sich der Bundesrat klar und öffentlich zu den Menschenrechts-Verbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang äussert. Auch Amnesty International hat die Schweiz mehrfach zu einem robusteren Kurs aufgefordert. Unter anderem sollte sich die Schweiz aktiv für die Schaffung eine Uno-Untersuchung der schweren Menschenrechtsverletzungen gegen muslimische Minderheiten engagieren.
Rolle der Zivilgesellschaft
Der Vorstoss verlangt – ähnlich wie die in der Wintersession abgelehnte Motion Noser 20.4162 – eine Einschränkung der Finanzierung von NGO aufgrund sogenannter „politischer Tätigkeit“. Wie der Bundesrat in seiner Antwort festhält, muss klar unterschieden werden zwischen der Verfolgung „politischer Ziele“ und dem Einsatz „politischer Mittel“ zur Erreichung eines gemeinnützigen Zwecks. Dies ist konsistent mit der Interpretation des UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Versammlungs- und Organisationsfreiheit, gemäss derer eine „politische Tätigkeit“ nicht zur Begründung der Einschränkung der finanziellen Mittel einer Organisation beigezogen werden kann.
Amnesty sieht im Ziel der Motion eine Einschränkung der Zivilgesellschaft in der Schweiz und empfiehlt dem Nationalrat, diese abzulehnen.
Der heute veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC im Rahmen des sechsten Sachstandsberichts beleuchtet die aktuellen Auswirkungen der globalen Erwärmung sowie das katastrophale Ausmass, welches die Klimaschäden künftig annehmen werden. Der Bericht veranschaulicht überdies die Grenzen der Anpassung an den Klimawandel und wie entscheidend es ist, den globalen Temperaturanstieg auf unter 1,5°C zu halten. Die Schweiz kann sich innerhalb eines Jahrzehnts aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien, wenn sie eine Energiepolitik verfolgt, die mehrheitlich auf Energieeffizienz, Photovoltaik und der bestehenden Wasserkraft basiert.
Nach zwei Wochen intensiver Verhandlungen veröffentlichten die Expert:innen der Arbeitsgruppe II des IPCC heute ihren Beitrag zum sechsten Sachstandsbericht zur Entwicklung des Weltklimas. Während sich der Bericht der Arbeitsgruppe I, der im August 2021 veröffentlicht wurde, auf die physikalischen Grundlagen des Klimas und die Analyse seiner Entwicklung konzentrierte, befasste sich die Arbeitsgruppe II mit den Auswirkungen der Klimakrise sowie mit Fragen der Anfälligkeit und Anpassung. Der heute veröffentlichte Bericht zeigt, dass die Auswirkungen der Klimakrise für Millionen von Menschen bereits heute katastrophal sind, und er erinnert an die Dringlichkeit sofortigen Handelns.
Die Schweiz ist bereits krank «Die Diagnose des IPCC wird durch die Situation in der Schweiz veranschaulicht, wo sich die beunruhigenden Symptome seit Jahrzehnten in allgemeiner Gleichgültigkeit häufen», sagt Georg Klingler, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace Schweiz. Die Schlussfolgerungen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) erinnern daran, dass die Klimaerwärmung in der Schweiz bereits fast 2°C beträgt. Die Auswirkungen sind erheblich. Die Gletscher verschwinden. Die Gesundheitsrisiken steigen mit dem Wachstum der Populationen von krankheitsübertragenden Insekten. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen häufen sich. Letztere erhöhen die Gesundheitsrisiken insbesondere für ältere Menschen stark, die in der Schweiz zu jenen Betroffenen gehören, die zuerst die Auswirkungen der globalen Erwärmung zu spüren bekommen.
«Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist die Ursache für das Fieber, das unseren Planeten befallen hat. Es gibt jedoch Heilmittel, die das Fieber lindern können. Es ist entscheidend, dass sie sofort eingesetzt werden», fügt Georg Klingler an. Mit einer Änderung der Energiepolitik kann sich die Schweiz innerhalb eines Jahrzehnts aus ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien. Modellrechnungen von Greenpeace Schweiz zeigen, dass es möglich ist, bis im Jahr 2035 38 Terawattstunden (TWh/a) mit neuen erneuerbaren Energien, hauptsächlich Solarenergie, zu erzeugen. In Kombination mit deutlich mehr Energieeffizienz und sanfter Mobilität können so die Treibhausgasemissionen der Schweiz in nur zehn Jahren um nahezu 75 Prozent gesenkt werden, ohne Bedrohung der Artenvielfalt und der Naturlandschaften sowie unter Beibehaltung einer guten Lebensqualität. Ausserdem wird die Wirtschaft gestärkt, indem Milliarden von Franken, die derzeit für die Öl- und Gasversorgung in Drittländer fliessen, vor Ort investiert werden.
Schockbehandlung ist notwendig! «Als reiches Land müssen wir sofort handeln! Das ist unsere Verantwortung gegenüber den weniger vermögenden Ländern und den künftigen Generationen. Die Schlussfolgerungen des IPCC ernst zu nehmen, bedeutet, Massnahmen zu ergreifen. Der Nationalrat hat es in der Hand, der Gletscher-Initiative zuzustimmen, und der Ständerat muss einen deutlich stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien beschliessen. Zudem muss der Bundesrat ein Gesetz auf den Weg bringen, das den Klimaschutz in unserem Land beschleunigt. Denn die kommenden Jahre sind die wichtigsten im Kampf gegen die Klimakrise.»
«Neben unserer Energiepolitik gibt es noch andere erfolgversprechende Behandlungsmethoden, um das Fieber der Erde zu senken. Die Klimaverträglichkeit der Aktivitäten des Finanzplatzes, die Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten, die Abkehr von der Wegwerf-Mentalität, die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft sind nur einige Beispiele dafür. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Analysen der Wissenschaftler:innen für die Bevölkerung verständlich gemacht werden, denn sie ist es, die die Massnahmen letztendlich tragen muss. Wie gut wir unsere Lebensgrundlagen und die unserer Kinder sichern können, hängt davon ab, wie schnell wir die Schockbehandlung, die unser Land angesichts der Klimakrise benötigt, durchführen können», so Georg Klingler.
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Der Nationalrat hat heute die Gletscher-Initiative abgelehnt. Dabei fordert die Initiative nur das absolute Minimum, was die Schweiz bezüglich Klimaschutz leisten muss. Immerhin nahm der Nationalrat einen direkten Gegenentwurf an, der einen linearen Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen vorsieht. Allerdings ermöglicht dieser Gegenentwurf keinen endgültigen Bruch mit den fossilen Energien. Es ist nun wichtig, dass ein indirekter Gegenvorschlag auf den Tisch kommt, der die wichtigsten Elemente der Initiative aufgreift und die Schweiz wieder auf den Weg einer zielgerichteten Klimapolitik bringt.
Georg Klingler, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace Schweiz, kommentiert den Entscheid des Nationalrats wie folgt: «Die Gletscher-Initiative verlangt das absolute Minimum dessen, was unser Land in Sachen Klimapolitik erreichen muss. Vor drei Tagen hat die wissenschaftliche Gemeinschaft mit dem neuesten Bericht des Weltklimarats IPCC die Dringlichkeit des Handelns in Klimafragen bekräftigt. Die Ablehnung der Gletscher-Initiative wenige Tage nach der Veröffentlichung dieses Berichts ist ein Zeichen dafür, dass die Parlamentarier:innen angesichts der klimatischen Herausforderungen wirklich inkonsequent sind. Von den Nationalrät:innen erwarten wir mehr Ernsthaftigkeit. Das ist extrem enttäuschend!“
«Der Nationalrat holt ein wenig auf, indem er einen direkten Gegenentwurf annimmt, der einen linearen Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen im Land vorsieht. Eine Klimapolitik, die diesen Namen verdient, muss es der Schweiz aber ermöglichen, sich endgültig aus ihrer Abhängigkeit von Gas und Öl zu befreien. Schlupflöcher für die Öllobby, damit diese ihre Geschäfte schützen können, müssen geschlossen werden. Jetzt muss ein indirekter Gegenvorschlag auf den Weg gebracht werden, der sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaerwärmung stützt und nicht auf die Interessen der Gas- und Ölimporteure.» (Quelle: Greenpeace).