Bei den Beduinen im Sinai stationiert und dank Opium wie ein Derwisch durch die Wüste geritten

Auszug aus dem noch unveröffentlichten Buch «DAS PENDEL SCHLÄGT ZURÜCKPOLITISCHE & ÖKOLOGISCHE METAMORPHOSEN» des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller

VORWORT

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund und analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transformations-prozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse in einigen Ländern auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend. Eine gelungene Mischung aus globalen Polit-Thrillern, geho-bener Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Es erwartet Sie eine Reise durch die epochale Vergangenheit und metamorphorische Phasen vieler exotischer Länder rund um den Globus. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell, ökologisch sowie politisch versierten Globetrotter.

2005 im Sinai, genauer gesagt in Sharm el Sheikh angekommen, sah die Situation als Resident Manager für einen Schweizer Tour Operator wiederum ganz anders aus, als vorher in Brasilien. Hier hatte ich rund 700 Gäste pro Woche zu betreuen, die mit diversen Flügen an fast allen Tagen der Woche ankamen und zudem täglich Dutzende Ausflügen zu managen und das unter erschwerten Bedingungen. Dieser Einsatz war eine echte Herausforderung und in etwa so heftig wie damals in London 1987. Erstens war der lokale Tour Operator lausig und unfähig, worauf ich die Zusammenarbeit nach zwei Vorwarnungen mit dem Agenten vor Ort sistierte und mich neu organisierte. Das hatte ich schon in Brasilien getan und in beiden Fällen habe ich die richtige Entscheidung getroffen, die ich mir dann auch zu Nutze machte. Handkehrum hatte ich natürlich etliche Probleme mit den abgehalfterten Kooperationspartnern und dazu die erneute Aufregung in der Schweizer Reisezentrale.

Da ich aber mein Talent mit Umstrukturierungen in Brasilien bewiesen habe und der von mir eingesetzte Agent sich bewährte, vertrauten sie mir und wurden nie enttäuscht. Operationell war ich ein Ass und zudem ein Meister der Improvisation. Auch hatte ich mit meinem krisenerprobten Background, reichlich Erfahrung und ein gutes Gespür – das Wichtigste! Die vielen Reisen durch Konfliktregionen und Aufenthalte an den unwirtlichsten Orten dieser Welt in über 50 Ländern, haben meinen ausgeprägten Spürsinn und meine Adleraugen geschärft, das Feingefühl und die Intuition bis hin zur gelegentlicher Telepathie verfeinert. Dank meinen analytischen sowie taktisch-strategischen Fähigkeiten, gepaart mit Schlagfertigkeit, rhetorischer Dominanz, Sachverstand und einer guten Portion Frechheit aus den 80er Jahren und stets im vollen Vertrauen in meinen Schutzengel, habe ich immer wieder Aussergewöhnliches gewagt, so nach dem Motto. „Was ist ein Leben wert, dass man aus Angst vor dem Tod aufgibt, bevor es begonnen hat!“

Die ersten zwei Monate als Resident Manager im Sinai lebte ich im «Radisson»Hotel“ mit allen touristischen Annehmlichkeiten, guter Infrastruktur und nettem Ambiente. Dann wurde ich in einen spartanischen Betonblock für die lokalen Reiseleiter in einer tristen Umgebung verfrachtet, worauf ich mir beim Generalgouverneur für die militärischen Sperrbezirke im Sinai (aufgrund der UN-Friedensmission nach dem Sechs-Tage-Krieg) eine Sondergenehmigung besorgte, damit ich auch Nachts in die Sperrgebiete in der Wüste ausserhalb von Sharm-el-Sheikh fahren durfte. Denn gleich hinter demletzten Hotel ist der Checkpoint, der abends um 18.00 Uhr schliesst. Was wollte ich nachts dort? Nun, wie immer Zugang zum Lokalkolorit und zu den Einheimischen ausserhalb der Touristen-Hotspots. In diesem Fall Zugang zum Leben der Beduinen im Sinai und zu meinem Freund Faroud.

Bei Aussentemperaturen tagsüber bis über 50 Grad Celsius spielt sich das Leben in der Wüste nachts ab. Da ich Bekanntschaft mit Faroud gemacht hatte,der allein beim Schiffswrack «Maria Schroeder» im Nabq Nationalpark lebte, konnte ich ihn nun nach Feierabend in der Abgeschiedenheit der Wüste, dem touristischen Trubel entfliehend, treffen und ein paar spirituelle und poetische Stunden unter dem funkelnden Firmament mit meinem Beduinen-Freund verbringen.

Die Fahrt zu ihm war gar nicht so einfach, denn die 35 km durch die Wüste und Sanddünnen hatten es in sich. Ich legte die Strecke mit dem Dienstfahrzeug, also einem herkömmlichen PKW zurück. In stockdunkler Umgebung hiess es dann mit viel speed über die Dünen zu fahren, ohne ins Stocken zu geraten, denn ohne 4-Rad Antrieb gab es hier normalerweise kein Durchkommen. Aber ich fand eine ideale Strecke und bretterte zwei Mal pro Woche nachts in die Wüste rein, um mit dem jungen Beduinen zu parlieren, zu philosophieren und die funkelnden Sterne ohne Lichtverschmutzung zu geniessen.

Dort habe ich auch den Eintritt der letzten Raumfähre in die Erdatmosphäre in einem unvergesslich glühenden Spektakel am Firmament gesehen. Während etwa eineinhalb Minuten schwirrte der leuchtende Erdtrabanten-Komet und Lichtpunkt mit seinem riesigen Feuerschweif, der wohl mehrere hundert Kilometer lang gewesen sein musste, am Sternenhimmel über den ganzen Horizont und rund um den Erdball hinweg und entschwand am Horizont auf dem Weg zum Zielort. Das war ein erleuchtendes Wüsten-Spektakel. Zumal mir in diesem Augenblick nicht bewusst oder bekannt war, dass ein Raumschiff in die Erdatmosphäre eintreten würde und so habe ich mir erst einmal mit dem Beduinen die Augen gerieben, was für ein aussergewöhnlicher Meteorit das war, der sich über das ganze Firmament und 180 Grad Horizont hinzog, bis wir merkten, was da eigentlich vor sich geht.

Im Sinai lernte ich Opium kennen, dass die Beduinen essen, um so entspannt aber dennoch hellwach durch die Wüste zu kommen, denn das hilft enorm, die gleissende Hitze erträglich zu machen, wenn man auf dem Kamel den Sinai oder andere Wüsten durchquert. Ich habe es mit den Beduinen, die nahe dem Schiffswrack «Maria Schröder» leben auf meinem Kameltrip von Sharm-el-Sheikh über Dahab bis zum St. Katarinen-Kloster am Fusse des Berg Moses ausprobiert. Bei über 45 Grad im Schatten ging die schaukelnde Reise vier Tage auf dem Dromedar durch die zerklüfteten Täler des Sinai-Gebirges. Das war hart, doch dank der Opium-Ration bin ich wie ein Derwisch durch die Wüste geritten. Das muss wohl ähnlich «powerfull» gewirkt haben, wie das «Pervertin», das den Nazis den Durchmarsch in Frankreich erlaubte und auch an der Kriegsfront im Osten auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurde. Oder die Speed-Pillen, die den japanischen Kamikazeflieger für ihre „heldenhaften“ Todesflüge verabreicht wurde.

Der Auflug zum Mount Moses war an sich schon spannend. Als wir dann aber beim St. Katharinenkloster angelangt waren und uns so gegen 02.00 Uhr in der Früh auf den Weg zum Gipfel des heiligen Berges machten, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen, wiviele Menschen an diesem Morgen das selbe taten und wieviele sich ziemlich weit hoch auf Kamelen hochtragen liessen. Wir stapften zu Fuss an den Kamelkarawanen vorbei zur Spitze hoch und verbrachten den Sonnenaufgang mit ungefähr 300 weiteren Pilgern dort oben. Das Panorma über den gebirgigen Sinai und die Bergspitzen war überwältigend.

Zu jener Zeit, in der ich im Sinai war, gab es zwei von insgesamt drei grösseren Terror-Anschlägen. Der erste war in Taba, der zweite in Sharm-el-Sheikh, der dritte in Dahab und zum Glück geschah keinem unserer Gäste etwas. Aber die Furcht war gross und die Sicherheitsmassnahmen vor jedem Hotel rigoros. Jeder Wagen wurde bei der Einfahrt sorgfältig gespiegelt und gefilzt, bevor er in die Hoteleinfahrt reinfahren konnte. Röntgengeräte scannten jeden eintretenden Hotelgast. Am Abend des 24. April 2006 wurde in Dahab ein Terroranschlag verübt, bei dem drei Splitterbomben gezündet wurden. Die erste detonierte an einer belebten Kreuzung vor dem Supermarkt «Ghazala» gegenüber der Polizeistation. Zwei weitere explodierten kurze Zeit darauf an der Strandpromenade. Bei dem Anschlag verloren um die 30 Menschen, fast alle Ägypter, ihr Leben. Viele weitere Personen wurden schwer verletzt.

Im Juli 2005 fand der nächste und schlimmste Terroranschlag statt. in Sharm El-Sheikh gegeben. Bei mehreren Sprengsätzen wurden 88 Menschen getötet und über 100 verletzt. Damals herrschte Hochalarm im Sinai in die Militärkontrollen nahmen zu. Die «MFO»-Truppen waren in höchster Alarmbereitschaft. Wenn Mubarak jeweils in Sharm el Sheikh landete und mit seinem Konvoi vom Flughafen einige Meilen zum Hafen fuhr, stand jeweils alle 50 Meter ein bewaffneter, weissgekleideter Posten stundenlang rechts und links der Fahrbahn in der staubtrocken Wüste in der prallen Sonne spalier. Jedes Auto, das vor einem Hotel vorfuhr´, wurde von Soldaten am Eingang gespiegelt und untersucht. Also auch hier konnte ich mich über mangelnde action am Rande der Weltpolitik und bei meiner Reiseleiter-Tätigkeit nicht beklagen.

Umso verrückter war eine Reise mit zwei Fahrzeugen und sieben Schweizer Touristen, die unbedingt mit mir einen Trip nach Cairo im Auto machen wollten und zwar quer durch den ganzen Sinai hindurch, von der Südspitze Sharm-el-Sheikh in einem Tag nach Cairo inklusive Rückfahrt mit insgesamt über 1000 km Strecke und gut 30 Militär-Strassensperren auf einer Wegstrecke. Mein einheimischer Co-Fahrer und ich haben das Kunststück bewältigt und für die Ochsentour 27 Stunden gebraucht. Drei Stunden länger, als geplant und zwar weil ich die vorletzte Militärsperre in meiner Müdigkeit nach über 24 Stunden am Steuer übersehen habe und mit ca. 70 Stundenkilometern durch die in Schlangenlinie aufgebauten Barrieren hindurch gebraust war – notabene ohne eine einzige zu streifen.

Der Begleitfahrer hinter mir vollbracht die waghalsige Manöver ebenso gut und mit eUmso verrückter war eine Reise mit zwei Fahrzeugen und sieben Schweizer Touristen, die unbedingt mit mir einen Trip nach Cairo im Auto machen wollten und zwar quer durch den ganzen Sinai hindurch, von der Südspitze Sharm-el-Sheikh in einem Tag nach Cairo inklusive Rückfahrt mit insgesamt über 1000 km Strecke und gut 30 Militär-Strassensperren auf einer Wegstrecke. Mein einheimischer Co-Fahrer und ich haben das Kunststück bewältigt und für die Ochsentour 27 Stunden gebraucht. Drei Stunden länger, als geplant und zwar weil ich die vorletzte Militärsperre in meiner Müdigkeit nach über 24 Stunden am Steuer übersehen habe und mit ca. 70 Stundenkilometern durch die in Schlangenlinie aufgebauten Barrieren hindurch gebraust war – notabene ohne eine einzige zu streifen.

Auch hier hatten meine Schutzengel, von der ich eine ganze Fachtruppe habe, einen grossartigen Job gemacht. Ansonsten vermisse ich ausser den Sternstunden mit den Beduinen und dem Kameltrip nichts. Die Kultur der Ägypter ist mir fremd geblieben. Auch hier wohl in erster Linie ein Sprachproblem. Könnte ich arabisch, sähe das schon wieder ganz anders aus. Auch der legendäre «Pasha Club», in den es jede Woche Tausende von Ravern zog, konnte mir gestohlen bleiben.

Bei einem der Tauchgänge tauchte über mir als ich in etwa 26 Metern Tiefe war eine Wolke über mir auf. Erst war ich irritiert, denn es gab keine Wolken am Himmel und ein Boot konnte es auch nicht sein, da ich keine Motorengeräusche gehört hatte. Jetzt blickte ich nach oben und sah direkt über mir einen ausgewachsenen Walhei. Ich war so sprachlos beim Anblick dieses riesigen über 20 Meter langen Fisches, dass mir fast das Mundstück aus dem Mund fiehl. Es war das erste Mal in den sieben Jahren, die mein italiensischer Tauchlehrer hier arbeitet, dass er nun auch einen Walhai mit mir zusammen gesehen hatte.

IN EIGENER SACHE: IHR BEITRAG AN HUMANITAERE UND OEKO-PROJEKTE

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