Mit der Apartheidregierung gegen den Kommunismus Die militärischen, rüstungsindustriellen und nuklearen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika und die Apartheid-Debatte der Uno, 1948–1994
Synthese der Studie von Peter Hug(NPF 42)
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika waren politisch, militärisch und rüstungsindustriell in jenen Jahren am intensivsten, als die Durchsetzung der südafrikanischen Politik der Rassentrennung (Apartheid) am stärksten von schweren Menschenrechtsverletzungen und offener Gewaltanwendung begleitet war, nämlich in den 1980er Jahren.
Die Schweizer Industrie hat das Waffenembargo, das die Uno über Südafrika verhängte, in grossem Stil unterlaufen. Sie verletzte selbst die von der Schweiz definierten Regeln über die Waffenausfuhr, obschon sie weit enger gefasst waren als jene der Uno. Die Verwaltung war über viele illegale und halblegale Geschäfte informiert. Sie duldete sie stillschweigend, unterstützte sie teilweise aktiv oder kritisierte sie halbherzig. Der Bundesrat war aber über das Meiste nicht informiert und nahm seine Aufgabe der politischen Oberaufsicht kaum wahr. Dies trifft auch auf die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Südafrika zu. Der Austausch nachrichtendienstlicher Informationen setzte fünf Jahre früher ein, als bisher bekannt war, und trug direkt zur Anbahnung von Rüstungsgeschäften, der Bekämpfung von Apartheidgegnern und zur politischen Propaganda zugunsten der südafrikanischen Regierung bei.
Die Schweizer Industrie gehörte auch zu den Stützen des geheimen südafrikanischen Atomwaffenprogramms. Die «Gebrüder Sulzer AG» und die «VAT Haag» lieferten wichtige Komponenten zur südafrikanischen Urananreicherung, die für die sechs von Südafrika hergestellten Atombomben das notwendige spaltbare Material bereitstellte. Die Schweiz war insofern in mehrfacher Hinsicht eine Stütze der Apartheidregierung. Sie verfügte im internationalen Vergleich nur über eine schwache innenpolitische Lobby, die Menschenrechtsfragen höher gewichtete als strategische und wirtschaftliche Interessen.
Durch die Distanz zur Uno blieben auch nach 1945 eine Neigung zu rassistischen Vorstellungen politisch wirksam, die ab Ende der 1970er Jahre durch einen ebenso unreflektierten Antikommunismus abgelöst wurde. Für die meisten Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und allen Departementen war es gebräuchlich, mit der Apartheid-Regierung Südafrikas zusammenzuarbeiten. Im Klima des Kalten Krieges wurde jede Kritik daran mit dem Argument erstickt, das antikommunistische Bollwerk am Kap müsse erhalten bleiben.
Die dank Netzwerkbildung und Androhung von Gerichtsklagen erkämpfte Einsicht in südafrikanische Gegenakten und der begrenzte Einblick in Bestände des Schweizerischen Bundesarchivs und des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrievereins zeigen auf, dass die Schweiz während der Apartheidzeit zu Südafrika enge militärische, nachrichtendienstliche, rüstungsindustrielle und nukleare Beziehungen unterhielt.
Die Fragestellung des Projekts lautete, wie die auf Südafrika bezogene Aussenpolitik der Schweiz ausgestaltet war und welche inneren und äusseren Entstehungsbedingungen ihr zugrunde lagen. Indem die Uno der wichtigste Ort war, wo die Völkergemeinschaft die süd[1]afrikanische Apartheidpolitik diskutierte, bot sich die Südafrikadiskussion in der Uno als geeigneter Prüfstein an, um die Haltung der aussenpolitischen Verantwortungsträger in der Schweiz gegenüber der südafrikanischen Apartheidpolitik zu untersuchen. Das Projekt klärte in einem ersten Schritt, welche Rolle die offizielle Schweiz in diesem Uno-Prozess spielte, wie sich dieser in der Schweiz auf die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen und die öffentliche Wahrnehmung übersetzte und wie die Uno-Südafrikapolitik der Schweiz auf ihre multilaterale Stellung und auf Aspekte ihrer bilateralen Beziehungen mit dem Apartheidstaat zurückwirkte.
Der Blick auf den Wellenschlag der Uno-Südafrika-Diskussion in die schweizerische Behörden- und Verbandslandschaft bildete das methodische Instrument, um die Sensibilität von Staat und Gesellschaft der Schweiz gegenüber der Menschenrechtsfrage in Südafrika zu untersuchen und zu klären, wie Regierung, Behörden, Verbände und weitere gesellschaftliche Kreise der Schweiz die mit der Apartheidpolitik verbundenen Menschenrechtsprobleme wahrgenommen und wie sie auf diese reagiert haben. In einem zweiten Schritt sollte anhand eines geeigneten Bereichs der bilateralen Beziehungen die Frage geklärt werden, inwiefern die von der Uno geprägten Normen gegen die Apartheid das Verhalten der Schweiz gegenüber Südafrika beeinflussten. Ausgewählt wurden die militärischen, rüstungsindustriellen und nuklearen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika, da diese von der Uno besonders aufmerksam beobachtet und teilweise geächtet wurden.
Die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus den verschiedenen Ebenen der multilateralen Analyse mit jenen der erwähnten Bereiche der bilateralen Beziehungen stellte methodisch einen ausreichend vielschichtigen Interpretationsrahmen bereit, um trotz des lückenhaften Zugangs zu den einschlägigen Quellen gesicherte Aussagen treffen zu können. Die südafrikanische Regierung verfolgte im 20. Jahrhundert fast durchgängig das Ziel, als anerkanntes Mitglied der «zivilisierten» Völkergemeinschaft in allen wichtigen internationalen Organisationen gleichberechtigt mitzuwirken und war bereits in der Völkerbundzeit auf der internationalen Bühne präsent. Die Schweizer Diplomatie mass der südafrikanischen Stimme in internationalen Organisationen schon damals einiges Gewicht zu.
Nach 1945 zeichneten sich zwischen der Uno-Politik der Schweiz und der Südafrikanischen Union erneut Berührungspunkte ab. Das spezifische Verhältnis der beiden Staaten zum nationalsozialistischen Deutschland war dafür ausschlaggebend. Da die Schweiz Deutschland nie den Krieg erklärt hatte, war sie auf die Fürsprache von Uno-Gründerstaaten angewiesen, um ihr Ziel, die Mitwirkung in möglichst vielen Uno-Organisationen unter internationaler Anerkennung der Neutralität, zu erreichen. Zu den potenziellen Verbündeten der Schweiz gehörte neben Grossbritannien auch die Südafrikanische Union.
Hier war die wichtigste innenpolitische Opposition, die Nationale Partei, während des Krieges ebenfalls für die Neutralität eingetreten. Sie leitete nach dem Krieg – ähnlich wie die Schweiz, aber anders als die Alliierten –, aus der Niederschlagung des Nationalsozialismus ebenfalls keinen Bedarf für eine internationale Menschenrechtspolitik ab. Begleitet von einem starken Aufschwung der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Südafrikanischen Union bildete deren für die Schweiz innerhalb der Uno interessante Position ein wichtiges Argument, damit die Schweizer Regierung im September 1945 dem Parlament den Ausbau der diplomatischen Beziehungen und die Eröffnung einer Gesandtschaft in Pretoria beantragte. 1949 gehörte die Schweiz zu den ersten Staaten, denen der neu gewählte nationalistische Premierminister Malan einen offiziellen Besuch abstattete.
Die Anfänge der Uno-Südafrika-Diskussion und die Schweiz, 1945–1960 In der Uno-Vollversammlung bildete sich früh ein menschenrechtlich begründeter Konsens gegen die Politik der rassisch getrennten Entwicklung (Apartheid) in Südafrika heraus. Auf Antrag Indiens forderte schon die erste Uno-Vollversammlung 1946 die südafrikanische Regierung auf, die rassischen Verfolgungen und Diskriminierungen zu beenden. 1950 erklärte die Uno-Vollversammlung die Apartheid an sich als rassendiskriminierend und damit menschenrechtswidrig. Wenn auch der Kalte Krieg die Arbeit der Uno-Menschenrechtskommission behinderte und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 rechtlich unverbindlich blieb, kam diesen nach dem Krieg aufgrund der Shoah eine kaum überschätzbare moralische Autorität zu.
Die Westmächte hatten zwar ein grundlegendes strategisches Interesse an einer antikommunistisch orientierten Regierung in der Südafrikanischen Union. Sie konnten sich aber dem menschenrechtlich und antikolonial begründeten Uno-Konsens, die südafrikanische Regierung zur Beseitigung der Apartheid aufzurufen, nicht entziehen. Die Schweizer Diplomatie beobachtete den Menschenrechtsdiskurs der Uno mit Argwohn. Er galt ihr – so argumentierte auch die südafrikanische Regierung – als Instrument der Grossmächte zur Durchsetzung ihrer Hegemonialinteressen.
Die Regierungen der Schweiz und der Südafrikanischen Union stimmten auch in weiteren Fragen überein: Im entschiedenen Antikommunismus, der Auffassung, dass die deutschen Verbrechen nicht geahndet werden müssten, und der Betonung der nationalen Souveränität, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Übergriffe der Grossmächte richtete. Die Schweizer Diplomatie hatte zudem – ganz im Unterschied zu den USA und anderen westlichen Staaten – im Innern keine Rücksicht auf antirassistische Interessengruppen zu nehmen.
Zwar bezogen die Schweizer Gewerkschaftsvertreter in der «Internationalen Arbeitsorganisation» (ILO) und die Vertreter und Vertreterinnen der Frauenrechtsorganisationen und der Lehrer- und Volkshochschulverbände in der Internationalen Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) klar Stellung für die Menschenrechte und gegen jede Form der rassischen Diskriminierung. Ihre Konfliktbereitschaft war aber gering, und für den Bundesrat und den diplomatischen Apparat der Schweiz war es ein Leichtes, deren Einsatz für die Menschenrechte und gegen den Rassismus zu marginalisieren.
Dies gelang umso eher, als auch die Wissenschaft in der Schweiz den von der «Unesco» betriebenen Bruch mit dem pseudowissenschaftlich begründeten, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weit über den Nationalsozialismus hinaus verbreiteten Rassismus zunächst nicht mitmachte, und rassistische Denkmuster ausser- und innerhalb des diplomatischen Apparates bis weit in die 1960er Jahre verbreitet blieben.
Damit bildete sich in den frühen 50er Jahren eine gesellschaftliche Konstellation heraus, die über das Ende der Apartheid hinaus bestimmend blieb: Einer strategisch begründeten Nähe der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Elite der Schweiz zur südafrikanischen Regierung stand eine schwach organisierte, aber von breiten Kreisen in der Bevölkerung geteilte, menschenrechtlich und moralisch begründete Ablehnung jeder Form der Rassendiskriminierung gegenüber. Im Zweifelsfall hatte dabei eine Kombination aus Gleichgültigkeit, Eigennutz und Antikommunismus vor moralischen Kategorien Vorrang.
Südafrikas Rüstung und die Schweiz vor dem Uno-Embargo 1963 Die nationalistische Regierung in Pretoria konnte ihre Politik der nationalen Unabhängigkeit nur schrittweise durchsetzen. Die südafrikanischen Streitkräfte fristeten bis 1960 ein Schattendasein und stellten nicht mehr als ein schlecht ausgerüstetes und schlecht ausgebildetes Anhängsel der britischen Kolonialpolitik dar. Mehr als die Hälfte des Beschaffungshaushalts der 1950er Jahre floss in «Centurion»-Kampfpanzer, die die Südafrikanische Union im Rahmen des «Middle East Defence» Konzepts – von ungenügend ausgebildeten Truppen bedient und technisch kaum unterhalten – den britischen Streitkräften zur Verfügung hielt.
Als sich diese aufgrund geopolitischer Veränderungen nach der Suezkrise aus dem Mittleren Osten zu[1]rückzogen, entschied die Südafrikanische Union, die «Centurion»-Kampfpanzer aufzugeben. Die Hälfte, über 100 Stück, ging nach der Schweiz. Zwar beantragte im Schweizer Parlament die Sozialdemokratische Fraktion im Herbst 1960 unter Hinweis auf die Apartheidpolitik Südafrikas Nichteintreten.
Im Klima des Kalten Krieges fanden aussenpolitische und menschenrechtliche Überlegungen gegen das Argument, es gelte, hier und in Südafrika den Kommunismus abzuwehren, ausserhalb des linken Lagers jedoch keine Unterstützung. Anfang der 1960er Jahre beschleunigte sich die Loslösung Südafrikas aus dem britischen Commonwealth. Die nationalistische Regierung betrieb eine Politik der nationalen Stärke und Eigenständigkeit und vervielfachte innert weniger Jahre die Militärausgaben der südafrikanischen Republik. Zahlreiche südafrikanische Militärdelegationen reisten quer durch Europa und klärten das Angebot an Rüstungsgütern ab.
Auch in der Schweiz empfingen ab 1960/61 die Spitzen der Verwaltung, der Armee und der Wirtschaft hochtrangige Delegationen der südafrikanischen Streitkräfte. Praktisch sämtliche wichtigen Anbieter von Waffen und militärischen Ausrüstungsgütern der Schweiz unterbreiteten den südafrikanischen Beschaffungsbehörden Angebote. Politische Vorbehalte gab es in Wirtschaft, Militärdepartement und Schweizer Armee keine. Im Gegenteil wirkten das Militärdepartement in Bern und die diplomatische Vertretung der Schweiz in Südafrika bei der Anbahnung und Abwicklung von Rüstungsgeschäften aktiv mit und stellte die Schweizer Armee der privaten Rüstungsindustrie ihre Schiess- und Waffenplätze zur Verfügung, damit diese ihre Produkte den südafrikanischen Beschaffungsdelegationen vorführen konnte.
Im Dezember 1961 erteilte das südafrikanische Verteidigungsministerium der Oerlikon-Bührle-Gruppe»den Auftrag, bis Ende 1963 36 Zwillings-Fliegerabwehrgeschütze 35 mm und 18 Feuerleitgeräte Superfledermaus mit Munition und Zubehör im Wert von 43 Mio. Franken zu liefern. 1963 folgte der Auftrag, für die französische Defa»-Kanone, die der Bewaffnung der Mirage-Flugzeuge diente, 30-mm-Munition im Wert von 10,6 Mio. Franken zu fertigen und Südafrika das Lizenzrecht zur Fertigung dieser Munition zu übertragen. In beiden Fällen bemühte sich auch die «Hispano Suiza (Suisse) SA» in Genf um die Grossaufträge, ging aber leer aus. Der Bundesrat erteilte «Oerlikon-Bührle» mit unbedeutenden Auflagen umgehend die Fabrikationsbewilligung. Bührles Lobbying erwies sich als wirksamer als jenes seiner Konkurrenten.
In der Uno leitete 1963 das Massaker von Sharpeville eine Wende ein.
Vollversammlung und Sicherheitsrat schritten vom Anti-Apartheidkonsens zur Tat und riefen alle Staaten dazu auf, gegen die Apartheidregierung Beugemassnahmen zu ergreifen. Die westlichen Staaten unterstützten die Uno-Resolutionen, solange sie keine obligatorischen Zwangsmassnahmen anordneten. Der Widerspruch zwischen verbaler Anti-Apartheidpolitik und faktischer Unterstützung der südafrikanischen Regierung veranlasste die Uno, sich ab Mitte der 1960er Jahre direkt an die Weltöffentlichkeit zu wenden.
Dies verlieh der Anti-Apartheidpolitik der Uno zunehmend Kampagnecharakter. Sie arbeitete eng mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, um den Druck auf jene westlichen Regierungen zu erhöhen, die Südafrika unterstützten. Die Erfolgschancen dieser Methode stiegen in all jenen Ländern, in denen starke NGOs die Anti-Apartheidkampagne der Uno wirksam umsetzten. In der Schweiz waren in den 1960er Jahren allein Frauenrechtsorganisationen und die Gewerkschaften bereit, Uno-Menschenrechtsfragen aufzugreifen. Den Frauenrechtsorganisationen war es zu verdanken, dass die Schweiz aktiv am «Unesco»-Übereinkommen über die Bekämpfung der Diskriminierung im Unterrichtswesen von 1960 mitwirkte.
Der Bundesrat legte dieses dem Parlament allerdings nie zur Genehmigung vor. Deutlich nachhaltiger war der Einfluss der Gewerkschaften auf die Schweizer Südafrikapolitik in der« Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). 1961 stimmten auch die Schweizer Regierungsvertreter im vorberatenden Ausschuss der 45. Session der Internationalen Arbeitskonferenz erstmals der moralischen Verurteilung der südafrikanischen Apartheidpolitik zu.
Gegen den Widerstand des Südafrika-freundlicheren Politischen Departements setzte der Direktor des «Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit» (Biga) die Position durch, die erfolgreiche Fortentwicklung der multilateralen Zusammenarbeit in der «ILO sei höher zu gewichten als die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika. Entsprechend unterstützten die Schweizer Regierungsvertreter an der 48. Session der Internationalen Arbeitskonferenz von 1964 erneut eine weitgehende Resolution, die die südafrikanische Apartheidpolitik verurteilte und die Grundlage für ein langjähriges ILO-Programm gegen die Apartheid bildete. Wie die Analyse des Wellenschlags der übrigen Uno-Südafrika-Diskussionen in die breit auf[1]gefächerte schweizerische Behörden- und Verbandslandschaft deutlich machte, war die fall[1]weise Unterstützung der Antirassismuspolitik der Unesco und ILO aber singulär.
Die damals fehlende Bereitschaft, die Verstrickungen der Schweiz in die Shoah zu klären, übertrug sich auf die Verleugnung von Verstrickungen in die südafrikanische Apartheidpolitik. Südafrika galt als antibolschewistisches Bollwerk, das zwar zu unschönen Methoden griff, um seine prowestliche Politik durchzusetzen, in seinen antikommunistischen Bestrebungen aber uneingeschränkte Unterstützung verdiente. Entsprechend verweigerten Bundesrat und Verwaltung mit der Uno jegliche Zusammenarbeit, um das 1963 vom Sicherheitsrat zweifach angeordnete Waffenembargo durchzusetzen.
Aus Schweizer Sicht bestand kein Anlass, gegen die südafrikanische Regierung Beugemassnahmen zu ergreifen. Aufgrund einer ungeschickten Informationspolitik von Bundesrat und «Oerlikon-Bührle» sah sich die Schweizer Regierung im Dezember 1963 zwar aus innenpolitischen Gründen gezwungen, die Waffenausfuhr nach Südafrika zu stoppen. Dieser Stopp war aber als vorübergehend konzipiert. Von einem politischen Willen, diesen Stopp wirksam durchzusetzen, fehlte jede Spur.
Nach dem sogenannten Stopp der Waffenausfuhr nach Südafrika von 1963 Der politische Wille blieb in den massgebenden Kreisen der Schweiz allgegenwärtig, die südafrikanische Regierung beim Ausbau der Streitkräfte und rüstungsindustriellen Basis zu unterstützen. Dieser Wille war nicht auf die Dunkelkammern des Nachrichtendienstes und einiger gewinnsüchtiger Rüstungsindustrieller beschränkt, sondern in Behörden und Exportindustrie verbreitet. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese in ihren Kontakten zu Vertretern der südafrikanischen Verwaltung, Streitkräfte oder Industrie jemals Menschenrechtsfragen angesprochen hätten.
Es finden sich aber zahlreiche Belege, dass die führenden Kreise in der Schweiz ohne nähere Überprüfung des Arguments die Behauptung der südafrikanischen Regierung unterstützten, sie allein garantiere, dass das strategisch wichtige Land mitsamt den an ihm vorbeiführenden Seerouten nicht in kommunistische Hand fiel. Zwar missfielen die Apartheid und die Methoden zu deren Absicherung manchen Spitzenbeamten und Politikern in der Schweiz. Im Kern ging der tatsächliche oder vermeintliche Kampf gegen den Kommunismus aber allen andern Überlegungen vor.
Ab 1965 war in der Schweiz ein südafrikanischer Militärattaché akkreditiert. 1966 knüpften der damalige Generalstabschef der Schweizer Armee, Paul Gygli, und Oberst Helmut von Frisching von der «Untergruppe Nachrichten und Abwehr (UNA) zum Chef des «südafrikanischen Heeres, General Charles Alan Fraser, ausgesprochen herzliche Kontakte. Auf Vorschlag Gyglis reiste eine südafrikanische Militärmission nach der Schweiz, um im Hinblick auf die Streitkräftereform Südafrikas das Rekrutierungs- und Ausbildungssystem der Schweizer Armee kennen zu lernen. Auf besonderes Interesse stiess beim militärischen Nachrichtendienst Südafrikas die Art und Weise, wie die Schweizer Armee im Rahmen der «psychologischen Kriegführung» so genannt «Subversive» bekämpfte.
Kaum hatte die südafrikanische Regierung mit Unterstützung des US-Geheimdienstes «CIA» 1969 das berüchtigte «Bureau of State Security» (BOSS) als zivilen Nachrichtendienst errichtet, unterhielt dessen nicht minder berüchtigter Chef, General Hendrik Van Bergh, persönliche Kontakte zu Vertretern der Partnerdienste in der Schweiz. 1974 führte die «BOSS»-Abteilung «Z-Squad» von der Schweiz aus eine der ersten von der südafrikanischen Regierung angeordneten aussergerichtlichen Ermordungen eines schwarzen Oppositionellen durch.
Ab 1972 bauten auf Bestreben des damaligen UNA-Chefs Oberstbrigadier Carl Weidenmann auch die militärischen Nachrichtendienste der Schweiz und Südafrikas einen engen Informationsaustausch auf. 1974 unternahm Brigadier Friedrich Günther-Benz zwei Reisen nach Südafrika und liess in einem breit gestreuten Bericht keine Zweifel an der Unterstützung der südafrikanischen Regierungspolitik offen. 1975 war der Chef Abteilung Nachrichtendienst in der UNA, Oberst i Gst Peter Hoffet, mitsamt Frau und Tochter während drei Tagen Gast des südafrikanischen Militärattaché.
«Oerlikon-Bührle»war skrupelos und wurde vom Schweizer Politfilz gedeckt
Vor diesem Hintergrund wundert es wenig, dass sich «Oerlikon-Bührle» nicht an den sogenannten Waffenausfuhrstopp von 1963 gebunden fühlte und zwischen Sommer 1964 und Mai 1965 nicht nur die vom Ausfuhrstopp betroffenen 30 Oerlikon 35-mm-Geschütze illegal nach Südafrika auslieferte, sondern im August 1965 einen weiteren Grossauftrag annahm, um zusätzliche 90 Oerlikon 35-mm-Geschütze für 52,7 Mio. Franken und – über Italien – 45 Superfledermaus-Feuerleitgeräte für 54 Mio. Franken nach Südafrika zu liefern. Selbst nachdem im Zuge des Bührle-Skandals vom November 1968 ein Teil dieser illegalen Geschäfte bekannt wurde – die widerrechtliche Lieferung von 36 Geschützen und Munition für 54 Mio. Franken nach Südafrika – fuhr «Oerlikon-Bührle» fort, das illegale Geschäft noch abzuschliessen.
Die letzten 16 Geschütze wurden im August 1969 über den Hafen von Genua nach Südafrika verschifft, was den Schweizer Behörden bekannt war, aber nie Gegenstand der damals laufenden Strafuntersuchungen wurde. Die Behörden übten sich konsequent in fahrlässiger Ahnungslosigkeit, bewusster Duldung und aktiver Mitwirkung, was die illegalen Geschäfte von «Oerlikon-Bührle» erst möglich machte. Wie neue Dokumente aus Südafrika erstmals belegen, ging zudem das illegale Rüstungsgeschäft mit dem Apartheidstaat weit über den «Oerlikon-Bührle-Konzern hinaus.
Auch die «Hispano Suiza (Suisse) SA» in Genf lieferte im grossen Stil illegal 20-mm-Geschütze nach Südafrika. Grundlage bildete ein Liefervertrag von 1967 für 126 Hispano-20-mm-Geschütze, Munition und die Übertragung von Lizenzrechten im Wert von über 21 Mio. Franken. Per Bundesratsentscheid wurde 1969 eine Ausdehnung der Strafuntersuchung über die «Oerlikon[1]Bührle AG» hinaus auf politischem Weg ausgeschlossen.
Von der Verwaltung gedultete, widerrechtliche Kriegsmaterialgeschäfte führte auch die «Autophon AG» in Solothurn durch, die der südafrikanischen Staatspolizei ab 1966 für 3 Mio. Franken Radioverbindungsmaterial mit Sendern und Empfängern lieferte. Wie weit die Mitwirkung der zuständigen Behörden bei der Verletzung des Kriegsmaterialbeschlusses ging, zeigt ein weiterer Vorfall vom Februar 1965. Das Politische Departement erhielt Kenntnis davon, dass die Kriegstechnische Abteilung entgegen allen Anordnungen des Bundesrats in eigener Kompetenz «Oerlikon-Bührle» die Bewilligung ausstellte, für 232’000 Franken Bestandteile zu 35-mm-Fliegerabwehrgeschützen nach Südafrika zu liefern. Auch das Politische Departement sah keinen Anlass, dieses widerrechtliche Geschäft vertieft abzuklären.
Der Kriegsmaterialbeschluss von 1949 enthielt so viele legale Schlupflöcher, das Rüstungsgeschäft mit Südafrika fortzusetzen, dass dieses nur in Ausnahmefällen – «Oerlikon-Bührle», «Hispano-Suiza», «Autophon» – rechtswidrig erfolgte. Das Kriegsmaterialgesetz von 1972 machte diese Schlupflöcher noch weitmaschiger. In seine Bestandteile zerlegtes Kriegsmaterial winkten die Zollorgane nach Südafrika durch. Davon profitierte neben «Oerlikon-Bührle» auch die«Degen & Co. AG»in Niederdorf, deren Zünderbestandteillieferungen per Bundesratsentscheid nicht mehr als Kriegsmaterial galten.
Mit Unterstützung des damaligen Verteidigungsministers Giulio Andreotti und Geheimdienstchefs General Egidio Viggiani unterliefen die «Contraves Italiana» in Rom und die «Oerlikon Italiana» in Mailand in grossem Stil das italienische Waffenausfuhrverbot nach Südafrika. Die Schweizer Behörden unterstützten die Unterlaufung des Waffenembargos über Tochter- und Partnerfirmen in den Nachbarstaaten, indem sie bei der Zulieferung von Bestandteilen aus der Schweiz keine Endverbraucherbescheinigungen forderten, so dass diese von dort problemlos nach Südafrika weitergeschoben werden konnten.
Das wohl wichtigste Schlupfloch bildete die Weigerung der Schweiz, die Uno-Resolution 182 (1963) vom 4. Dezember 1963 umzusetzen, die alle Staaten aufrief, den Verkauf und die Auslieferung von Ausrüstungsgütern und Material zu stoppen, das in Südafrika zur Herstellung und den Unterhalt von Waffen und Munition diente.
Erst 1996 unterstellte die Schweiz die Übertragung von Lizenzrechten zur Herstellung von Rüstungsgütern sowie andere Beihilfen zum Aufbau einer Rüstungsproduktion im Ausland einer Bewilligungspflicht. Das «Lyttelton Engineering Works» in Pretoria fertigte ab 1964 Läufe zur 35-mm-Oerlikon-Kanone und ab Anfang der 1970er Jahre ganze Geschütze. Die «Pretoria Metal Pressings fertigte gestützt auf Lizenzverträge mit der Werkzeugmaschinenfabrik «Oerlikon Bührle»ab 1964 Oerlikon 30- mm- und 35-mm-Munition, die «African Explosives» and Chemical Industries» die dafür benötigten Treibladungsmittel. Ab 1967 fertigte Südafrika auch die 20-mm-Geschützläufe und -Munition der «Hispano Suiza in Lizenz.
Auch «Contraves», «Wild Heerbrugg AG», «BBC» und «SBG» waren involviert
Um 1964 stieg die«Plessey (South Africa) Ltd. in die Fertigung von «Contraves Mosquito» Panzerabwehrraketen ein, wobei diese Lizenzproduktion nicht restlos geklärt werden konnte. Dies gilt auch für die Fertigung von «Tavaro»–Zünder-Bestandteilen durch die«Instrument Manufacturing Corp of South Africa» in Plumstead bei Kapstadt. 1972 schloss die «Gretag AG» Regensdorf in Südafrika einen Lizenzvertrag zu Fertigung ihrer Chiffriergeräte ab. 1974 stieg die Tochtergesellschaft der «Wild Heerbrugg AG»im St. Gallischen Rheintal, die «Wild (South Africa) » in Johannesburg, in die Fertigung optischer Geräte für die südafrikanischen Streitkräfte ein. All diese Lizenzübertragungen waren von Zulieferungen und technischen Beratungsdienstleistungen begleitet. All dies wurde von den weitmaschigen Bestimmungen der Schweizer Kriegsmaterialausfuhrregelungen nicht erfasst. Weder in der Industrie noch bei den Behörden wurden jemals Stimmen laut, die sich gegen die Nutzung dieser Schlupflöcher ausgesprochen hätten.
Die Militär- und Nuklearsanktionen der Uno von 1977 und die Schweiz Anfang der 1970er Jahre leiteten die Vereinten Nationen einen intensiven Diskussionsprozess über die Frage ein, inwiefern internationale Wirtschaftsbeziehungen auf die Lage der Menschenrechte einwirkten. Einige Uno-Gremien gingen sehr weit, indem sie behaupteten, jegliche wirtschaftliche, politische und kulturelle Tätigkeit in Südafrika trage zur Erhaltung der Apartheidpolitik bei. Indem die schweizerische Aussenpolitik grundsätzlich bestritt, dass zwischen Direktinvestitionen in Südafrika und gegenseitigen Handels- und Finanzbeziehungen einerseits und der Lage der Menschenrechte in Südafrika andererseits ein Zusammenhang bestand, markierte sie auf der anderen Seite der Skala eine Extremposition.
Nachdem die politische Verunsicherung, die 1976 das Massaker von Soweto und die darauf folgende Repressionswelle innerhalb und ausserhalb Südafrikas in der Schweizer Regierung erneut kaum Spuren hinterliess, sah sie sich auf internationaler Ebene zunehmend isoliert. In dem Masse, wie sich die soziale Basis des Widerstandes in Südafrika Anfang der 1980er Jahre verbreiterte und die Repression der südafrikanischen Regierung härter wurde und sich militarisierte, rückte die Schweiz auf internationaler Ebene noch näher an Südafrika heran. Im Uno-System lag die Hoffnung der Schweizer Diplomatie nun ganz darauf, dass die afrikanischen Staaten und andere Kritiker der Apartheidpolitik in Südafrika in ihren Resolutionsentwürfen so extreme Positionen einbrachten, dass ein Nein leicht zu begründen war. Als die Gruppe der 77» ab 1985 unter Führung Ägyptens dazu überging, differenziertere Resolutionen zu formulieren, um auch die letzten Neinsager wie die USA, Israel oder die Schweiz in den weltweiten Anti-Apartheid-Konsens einzubinden, erhöhte dies nicht etwa die Verhandlungsbereitschaft der Schweiz, sondern verstärkte deren Isolation.
1984/85 rief die südafrikanische Regierung den Ausnamezustand aus.
Alle anderen Staaten schlossen sich dem Ruf nach mehr oder weniger weitgehenden Sanktionen an. Die Schweiz war mit ihrem absoluten Nein im Uno-System nun sehr einsam geworden. Parallel schlossen sich auch in der Verwaltung die Reihen. Eine differenzierte Haltung an einer Konferenz im Uno-System lässt sich letztmals 1981 nachweisen, als die Schweizer Delegation in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einer weitreichenden Anti-Apartheid-Erklärung, der Einsetzung eines Anti-Apartheid-Ausschusses und einem umfassenden Aktionsplan gegen die Apartheid zustimmten. Nach 1981 finden sich in der schweizerischen Bundesverwaltung keine Vorschläge mehr, an multilateralen Konferenzen des Uno-Systems abweichenden Positionen zu vertreten, obschon dies angesichts des permanenten Ausnahmezustandes in Südafrika besonders dringend gewesen wäre, um eine internationale Totalisolation der Schweiz zu vermeiden.
Abgesehen von den bilateral konzipierten, aber nicht aktiv aussenpolitisch vertretenen «positiven Massnahmen» der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (DEH) etablierte sich über alle sieben Departemente hinweg eine gegenüber konkreten Veränderungen immune und insofern stark ideologisierte Haltung, die nicht in der Lage war, auf die uneinheitliche, ein breites Spektrum abdeckende Uno-Südafrika-Diskussion differenziert zu reagieren. Innenpolitisches Gegenstück dieser starren Haltung bildete eine Verhärtung der Fronten entlang des links-rechts-Schemas, das unfähig zu Kompromissen war. Die Selbstverständlichkeit, mit der alle wichtigen Bundesämter und die mit ihnen verbundenen Verbände und Anstalten die Politik unterstützten, die Schweiz in der Südafrikafrage ausserhalb der überwältigenden Mehrheit der Uno-Mitgliedstaaten zu positionieren, mag heute überraschen. Gerade diese Selbstverständlichkeit bestätigt indes, dass der Konsens breit war.
Grundlage bildete ein stärker auf ideologischen Vorstellungen als auf konkreten Analysen beruhender Anti-Kommunismus, der in Südafrika allein durch die weisse Minderheitsregierung garantiert zu sein schien. Der Aufschwung der militärischen und rüstungsindustriellen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika, 1976–1990 Dieser anhand der im Schweizerischen Bundesarchiv überlieferten Akten über die Beziehungen der Schweiz zur Uno gewonnene Befund wird in den Dokumenten aus schweizerischen und südafrikanischen Militärarchiven bestätigt. Die militärischen und rüstungsindustriellen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika erfuhren in den 1980er Jahren eine deutliche Vertiefung. Ab 1980 liess sich der bisher in Rom, Köln oder Wien stationierte südafrikanische Militärattaché in Bern nieder, während inzwischen viele andere Staaten nicht mehr bereit waren, südafrikanische Militärattachés zu akkreditieren.
Es kam zu zahlreichen direkten Kontakten zwischen den Verteidigungsministerien Südafrikas und der Schweiz sowie zwischen den südafrikanischen Streitkräften und der Schweizer Armee. Militärverwaltung und Truppen empfingen südafrikanische Militärdelegationen zu Studienreisen über die Panzerausbildung, über die Ausgestaltung der Wehrpflicht, über eine wirksame Strukturierung der Militärverwaltung, militärischen Finanzplanung, Logistik-Funktionen der Armee und zeigten sich bereit, Erfahrungen betreffend «Militärpolitik», «Strategie» und «Luftwaffe» auszutauschen.
Trotz Widerstand der Bundespolizei traf sich der südafrikanische Sanitätsarzt 1980 auch mit dem Schweizer Oberfeldarzt; weitere Treffen folgten. Nahmen 1977 das Departement für auswärtige Angelegenheiten und 1979 das Militärprotokoll noch gegen den Austausch von Offizieren der Flieger- und Flabtruppen zwischen den beiden Staaten Stellung, leitete Flugwaffenchef Arthur Moll 1980 eine Wende ein. Er traf den südafrikanischen Luftwaffenchef an der Flugschau in Farnborough und lud diesen zum Erstaunen seines Partners wenige Tage später zu einem offiziellen Besuch nach der Schweiz ein.
Schweizer Offiziere wollten mit der südafrikanischen Luftwaffe zusammenarbeiten
Grundlage bildete das 1983 abgeschlossene Geheimschutzabkommen. Damit erhielten die südafrikanischen Militärpiloten Einblick in geheime Methoden der Kampfführung und technische Einzelheiten der Schweizer Flugwaffe. Der Pilotenaustausch setzte sich während den ganzen 1980er Jahren fort. Neben der militärisch-technischen ist auch die militärisch-politische Ebene zu beachten. Mit der Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte innerhalb Südafrikas und dem sich erhöhenden internationalen Druck auf Südafrika von aussen bauten die südafrikanischen Streitkräfte im Verlauf der 1980er Jahre ihre Propagandatätigkeit massiv aus. Die Streitkräfte und vor allem der militärische Nachrichtendienst scheuten zur Durchsetzung ihrer sogenannten Comops»-Projekte – Comops» steht für Communication operations – weder Geld noch Kontakte bis hin zu gewaltbereiten rechtsextremen Kräften. In der Schweiz baute der südafrikanische Militärattaché und andere Kontaktpersonen Kontakte zu teilweise schillernden Figuren am äussersten rechten Rand des politischen Spektrums auf, darunter zu Jürg Meister, Chefredaktor der von Karl Friedrich Grau herausgegebenen «intern informationen».
Wie aus den Unterlagen des militärischen Nachrichtendienstes Südafrikas hervorgeht, mass dieser dem Kontakt zu Leuten wie dem Zürcher «Subversivenjäger» Ernst Cincera, dem Leiter des Schweizerischen Ostinstituts, Peter Sager, und dem Präsidenten der Arbeitsgruppe südliches Afrika, Christoph Blocher, grosse Bedeutung zu. Comops»–Operationen in der Schweiz betrafen Pressionsversuche auf Fernsehen, Radio und Printmedien sowie die Mitwirkung an Sportanlässen, allen voran Militärsportanlässen wie dem internationalen Zweitagemarsch in Bern. Erst als andere Staaten wie die Niederlande drohten, den Zweitagemarsch zu boykottieren, falls die südafrikanischen Streitkräfte weiterhin mit grossen Delegationen vertreten seien, durften diese ab 1988 nur noch in zivil teilnehmen.
Proteste der «Anti-Apartheid-Bewegung der Schweiz waren ungehört geblieben. Mehr Fragen als Antworten werfen eine lange Reihe unaufgeklärter Fälle auf, bei denen die Schweizer Bundespolizei und andere Untersuchungsorgane starke Hinweise auf Verbrechen und Sanktionsbrüche erhielten, aus Rücksichtnahme auf die südafrikanische Regierung und ihre prominenten Freunde in der Schweiz aber davor zurückschreckte, die beschafften Informationen gerichtlich zu verwerten. Im Falle einer bekannten Rüstungsfirma in der Ostschweiz, die im grossen Stil Waffenschiebergeschäfte mit Südafrika abschloss, begnügte sich die Bundespolizei damit, der Konzernspitze zu empfehlen, einen auf diesem Feld eher ungeschickt operierenden Mitarbeiter aus dem Verkehr zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die Schiebereien diskreter abgewickelt wurden.
Sehr weit ging die Zusammenarbeit der Eidgenössischen «Pulverfabrik Wimmis mit dem führenden südafrikanischen Hersteller von Munition und Treibladungspulver «Somchem». «Wimmis» stellte der «Somchem» 1979 via Oerlikon-Bührle AG» eine Produktionslizenz für Treibladungspulver für 20-mm- und 35-mm-Munition zur Verfügung, bildete «Somchem-Ingenieure in top[1]geheimen Anlagen in «Wimmis» aus und hielt sich mit ihren Spitzenkräften, darunter dem Direktor und dem Chefchemiker, mehrfach während Wochen bei der «Somchem» auf, um aufgetretene Probleme bei der Lizenzproduktion und der übrigen Herstellung militärischer Explosivstoffe zu lösen. «Oerlikon-Bührle»gewährte im Rahmen des Projektes «Sleeve» und «Skavot» im grossen Stil technische und Management-Hilfe zur Fortentwicklung des 35-mm-Fliegerabwehrsystems.
Zahlreiche weitere solcher topgeheimen Geschäfte liessen sich für die 1980er Jahre nachweisen, die Südafrika mit Unterstützung des militärischen Geheimdienstes in der Schweiz abwickelte, darunter vom Heer das Projekt «Floor», «Jansalie», «Algebra», «Fargo» und «Nack», von der südafrikanischen Luftwaffe das Projekt «Divorce» und «Finial» betreffend Flugplatz-Navigation, ein weiteres Projekt, um Probleme der Materialermüdung bei Mirage[1]Flugzeugen zu beheben, das Projekt «Aquila», das die Beschaffung von Ausrüstungsgütern im Raume Genf betraf, das Projekt «Janito»r, das dem Aufbau eines integriert zivil-militärischen Luftraumüberwachungssystems galt, oder die Projekte «Alexandri» und «Bessie», die die südafrikanische Flotte in den 1980er Jahren in der Schweiz abwickelte. Ohne Einblick in die einschlägigen Archive der mitwirkenden Firmen bleibt freilich im Dunkeln, welchen Umfang und welche Bedeutung diesen Projekten im Einzelnen zukam.
Gemessen an der gesamten Rüstungsmaschinerie Südafrikas dürften diese rüstungsindustriellen Beziehungen der Schweiz zum Apartheidstaat nicht grundsätzlich ins Gewicht gefallen sein. Gemessen an der politischen Brisanz, die mit diesen Geschäften verbunden war, bleibt gestützt auf die südafrikanischen Militärakten festzuhalten:
Der Schweizerische Bundesrat hatte am 16. April 2003 allen Grund, die Einsicht in Südafrika-Akten in der Schweiz zu stoppen. Denn es sind in der Schweiz viele, die aus tiefer politischer Überzeugung die Apartheidregierung in Südafrika unterstützt und am völkerrechtswidrigen und völkerrechtskonformen Geschäft mit dieser kräftig mitverdient haben.
Deren Aufklärung erscheint unumgänglich, wenn den laufenden Bestrebungen der Uno und auch der Schweiz, die Wirtschaft stärker in eine präventiv ausgerichtete Menschenrechtspolitik einzubeziehen, zum Durchbruch verholfen werden soll. Die Nuklearbeziehungen der Schweiz zu Südafrika Südafrika stieg bereits in den 1950er Jahren zum grössten Uranproduzenten der Welt auf.
Schweiz-Südafrika: Die Uran-Deals in den 70er Jahren
Noch in den 1970er Jahren war Südafrika das einzige Land, das bereit war, Uran ohne Auflagen gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu exportieren. Für die Schweiz, die wie Südafrika ein Atomwaffenprogramm unterhielt, aber über kein eigenes Uran verfügte, war Südafrika deshalb ein interessanter Partner und Lieferant. Die ab 1952 vom Bundesrat verfolgten Bestrebungen, von Südafrika Uran zu erhalten, fanden 1954 die Unterstützung der Schweizerischen Bankgesellschaft. Auch bei späteren Aktionen lautete das Ziel, das südafrikanische Uran ohne Auflagen zu erhalten («whether it would be sold unconditionally»).
Innerhalb der 1957 gegründeten Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien vertraten die beiden Staaten – wie auch in anderen Uno-Organisationen – regelmässig ähnliche Positionen und unterstützten gegenseitig ihre Kandidaten für die Wahl in den Gouverneursrat. Zwischen Donald Sole, der Südafrika im Gouverneursrat der IAEA vertrat, und dem Delegierten des Bundesrats für Atomenergie, Urs Hochstrasser, dessen Wahl in den Gouverneursrat Südafrika 1963 unterstützte, ergab sich eine enge Beziehung. Hochstrasser nutzte die Begegnungen mit Sole, um am Rande von internationalen Treffen die bilateralen Nuklearbeziehungen zwischen den beiden Staaten zu vertiefen und zu versuchen, aus Südafrika grosse Mengen an Uran zu beziehen, um damit staatliche Vorräte anzulegen.
Der südafrikanisch-israelische Atomwaffentest von 1979, den ein Vela-Satellit aufgrund des typischen Doppelblitzes als solchen erkannt hatte, löste in der Schweiz keine Überprüfung der Nuklearbeziehungen zu Südafrika aus. Das Politische Departement schenkte einseitig jenen Stimmen Glauben, die behaupteten, es habe sich um einen Fehlalarm gehandelt. Heute wissen wir, dass die Schweizer Diplomatie der falschen Seite Gehör geschenkt hatte. Wie Präsident Frederik Willem de Klerk am 24. März 1993 bekannt machte, baute Südafrika sechs Atombomben. Bereits im März 1969 meldete der Schweizer Botschafter in Pretoria ein erstes Mal nach Bern, die südafrikanische Regierung beanspruche für sich das «Recht, eine Atommacht mit eigenen Atombomben zu werden».
Das dafür benötigte spaltbare Material stammte aus der Urananreicherung, die Südafrika mit technischer Unterstützung aus der Schweiz, Deutschland und anderen Staaten aufbaute. Als Donald Sole 1968 vom südafrikanischen «Atomic Energy Board» den formellen Auftrag erhielt, in Europa Technologie zur Urananreicherung zu beschaffen, empfing ihn auch Urs Hochstrasser zu diesem Thema. 1970 unterhielt sich Hochstrasser am Rande einer «IAEA»-Konferenz mit dem Direktor des Atomic Energy Board of South Africa, Abraham J. A. Roux, über das südafrikanische Programm zur Urananreicherung und sicherte zu «abzuklären, ob seitens der schweizerischen Wirtschaft ein Interesse für eine Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Industrie besteht. Im Hinblick auf die politischen Probleme wird es vermutlich am besten sein, wenn man die Angelegenheit auf die Ebene direkter privater Kontakte verlegt.»
Hochstrasser zeigte sich auch ein Jahr später «der politischen Implikationen einer Zusammenarbeit mit Südafrika bewusst. Eine offizielle Mitwirkung schweizerischer Amtsstellen kommt seines Erachtens nicht in Frage, dagegen sei gegen private Kontakte (namentlich der Privatindustrie)» zum südafrikanischen Programm für Urananreicherung «nichts einzuwenden». 1977 machte die Gebrüder Sulzer AG klar, dass sie hochsensitive Technologie an das südafrikanische Urananreicherungsprogramm liefern werde und lehnte «ausdrücklich jede politische Beurteilung ab.
Da es sich um ein Geschäft in dreistelliger Millionenhöhe’ handle, sei «Sulzer» gewillt, bis an die Grenze des rechtlich Machbaren zu gehen.» Die Lieferungen, deren Einzelheiten ungeklärt sind, erfolgten über die Tochtergesellschaft in Südafrika. Später lieferte auch die Firma «VAT Aktiengesellschaft für Vakuum-Apparate-Technik» in Haag (Kanton St. Gallen) Vakuumventile aus Aluminium nach Südafrika, die in der Urananreicherungsanlage eine wichtige Rolle spielten. Die Aktiengesellschaft «Brown, Boveri & Cie» in Baden (BBC), die über Jahrzehnte eine enge Geschäftsbeziehung zur südafrikanischen Elektrizitätsliefergesellschaft «Escom» (Electricity Supply Commission) unterhielt, bewarb sich 1975 für die Lieferung von zwei Turbogruppen und Zubehör von je 1000 Megawatt zum Bau des Atomkraftwerks «Koeberg im Werte von 3’230 Millionen Franken.
Der Bundesrat gewährte trotz internationaler Proteste die Exportrisikogarantie. Südafrika entschied sich indes für einen anderen Lieferanten. Im Juli 1979 gaben die USA bekannt, dass sie nicht bereit waren, Südafrika auf 3 Prozent angereichertes Uran zum Betrieb des im Bau befindlichen Atomkraftwerks «Koeberg» bei Kapstadt zu liefern, es sei denn, Südafrika schliesse sich dem internationalen Atomsperrvertrag an. Südafrika weigerte sich, worauf die Kernkraftwerk «Kaiseraugst» AG in die Lücke sprang und das für die Erstausstattung des AKW «Koeberg» benötigte leicht angereicherte Uran lieferte. Die AKW «Koeberg I und II» gingen 1984 und 1985 in Betrieb.
Ein Schweizer Konsortium («Elektrowatt», «Motor Columbus», «BBC», «Sulzer») bemühte sich bei Escom» um den Auftrag, den technischen Unterhalt des AKW «Koeberg» sicherzustellen, ging aber leer aus. Zwischen 1971 und 1985 pflegte das «Schweizerische Institut für Nuklearforschung» (SIN) in Villigen mit Südafrika auf dem Gebiete der Beschleunigertechnik und Urananreicherung eine enge wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, bildete südafrikanische Atomwissenschaftler aus und stellte die Grundlagen zum Bau eines südafrikanischen Beschleunigerrings zur Verfügung.
1985 intervenierte das Departement für auswärtige Angelegenheiten vergeblich im Bundesrat gegen die Teilnahme von SIN-Direktor Prof. Jean-Pierre Blaser an den Einweihungsfeierlichkeiten in Südafrika. Bundesrat Alfons Egli setzte sich nach Absprache mit Schulratspräsident Maurice Cosandey erfolgreich für die Reise ein. Die Schweiz bezog auch völkerrechtswidrig in Namibia abgebautes Uran. In der Schweiz niedergelassene Firmen handelten damit. Die politischen Behörden sahen trotz internationaler Proteste keinen Anlass einzugreifen.
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