Putins Propaganda-Offensive verfängt in Europa

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Gleich mehrere russische Propagandakampagnen wurden diese Woche bekannt. In den USA flossen wohl Millionensummen – wen bezahlt Putin hier bei uns? Fest steht: Moskau unterstützt AfD. Über russische Versuche, die Gesellschaften anderer Länder zu manipulieren, wurde schon oft berichtet. Von der »taz  « bis zur »FAZ «, von »T-Online « bis zur »Zeit «, von der »Süddeutschen « bis zur »Welt am Sonntag «, nahezu die gesamte deutsche Presselandschaft warnt immer wieder vor abstrakten Bedrohungen und berichtet über konkrete Kampagnen, Methoden, Akteure. Auch der SPIEGEL hat immer wieder russische Einflussoperationen aufgedeckt, und auch in dieser Kolumne waren sie natürlich schon sehr oft Thema.

Doch neben dieser medial abgebildeten Wirklichkeit, in der russische Propaganda allgegenwärtig ist, gibt es den politisch-medialen Alltag in Deutschland. Und der blendet dieses Faktum oft fast vollständig aus.

Ganz oben: Putins enger Vertrauter

So sitzt zum Beispiel der AfD-Politiker Steffen Kotré bei »Markus Lanz« , redet längst widerlegten Unsinn über die Klimakrise und macht Werbung für russisches Gas. Mehr als ein Jahr, nachdem Kotré nachweislich am Rednerpult des Bundestags ein russisches Propagandanarrativ über vermeintliche US-»Biowaffenlabore« in der Ukraine wiedergegeben hat. Kotré gab auch russischen Propagandasendern Interviews . Immer wieder . Immer mit prorussischen, antiukrainischen Positionen.

Diese Woche wurde erneut eine russische Propagandakampagne aufgedeckt. Die US-Behörden gingen – längst überfällig – gegen das sogenannte Doppelgänger-Netzwerk vor, das in dieser Kolumne schon mehrfach Thema war. Dabei tauchte einmal mehr Kotrés Name auf. Gelenkt und angeleitet wurde die Kampagne von Sergej Kirijenko, einem Mann aus Putins innerstem Kreis , der sogar als sein potenzieller Nachfolger gehandelt wird.

Daraus ergibt sich Frage eins: Warum hat das so lang gedauert? Funktioniert die Zusammenarbeit zwischen deutschen, europäischen und US-amerikanischen Sicherheitsbehörden bei der Propagandabekämpfung wirklich so schlecht, dass acht Monate ins Land gehen, bevor eine gewaltige, völlig öffentlich stattfindende, unzweifelhaft illegale Kampagne gestoppt wird?

32 Fake-Webseiten machte das US-Justizministerium dicht . Mit den gefälschten Versionen von Nachrichtenwebsites, darunter auch dem SPIEGEL, hatte das Doppelgänger-Netzwerk im Zusammenspiel mit mehreren X-Accounts und eigenen Websites Desinformation unters Social-Media-Volk zu bringen versucht. Erstmals hatte das Auswärtige Amt im Januar 2024 über das Netzwerk berichtet.

»Wir unterstützen die Partei mit allen Mitteln«, heißt es in vom FBI veröffentlichten russischen Dokumenten, über die »T-Online« berichtet  – gemeint ist die AfD. Einer der mit der Propagandakampagne verknüpften »Publikation«, »Reliable Recent News« (»RRN«) gaben sowohl Steffen Kotré als auch René Springer Interviews , wie »T-Online« berichtet. Sowohl Kotré als auch Springer sind im Vorstand der AfD Brandenburg.

Daraus ergibt sich Frage zwei: Warum dürfen Leute, die in Deutschland russische Propagandapositionen verbreiten und sich russischen Propagandamedien zur Verfügung stellen, noch in deutschen Talkshows auftreten? Es sind ja nicht nur Kotré und Springer, es sind auch Maximilian Krah, Petr Bystron – und wer noch alles? Warum besteht nicht jedes Interview mit einem AfD-Vertreter primär aus Fragen zur Rolle Russlands im Hintergrund der Parteiaktivitäten? Aus Angst vor dem Zorn der gründlich desinformierten Wählerschaft der Rechtsextremen?

Auch das »Bündnis Sahra Wagenknecht« wird von den russischen Propagandisten tatkräftig unterstützt , wie die »Frankfurter Rundschau« nachzeichnet. Sahra Wagenknecht spreche »vielen aus dem Herzen«, war demnach etwa auf einer dem Doppelgänger-Netzwerk zugeordneten Fake-Seite nachzulesen, sie bringe die Dinge mit ihrer Kritik an der Ampel »auf den Punkt«. Das BSW werde als »Kümmerer- und Friedenspartei« präsentiert, so ein Experte zu der Zeitung.

Welche Befehle russische Propagandasöldner übrigens mit Blick auf die deutsche Parteienlandschaft haben, ist wohlbekannt. Die »Zeit« fasste ein Strategiepapier des deutschen Ablegers des Kremlsenders RT (als es ihn hierzulande noch gab) diesen Juni so zusammen: »Die Grünen, ist da sinngemäß zu lesen, solle man verächtlich machen. Die AfD: zu Wort kommen lassen. FDP: stärker als ›Ressource‹ nutzen. Linke: exklusive Zugänge nutzen. CDU: den rechten Parteirand interviewen. Nur die SPD, lautet das nüchterne Urteil, bringe keine Klicks.«

Man fragt sich, ob die »exklusiven Zugänge« zur Linken jetzt mindestens zum Teil zum BSW umgezogen sind – denn das gab es noch nicht, als dieses Dokument erstellt wurde. Zudem tun sich da, bis auf den Umgang mit der Linken, auch erstaunliche Parallelen zur aktuellen Kommunikationsstrategie der Führungsspitze der Union auf – und zu der diverser »alternativer« Krawallmedien am rechten Rand.

Frage drei, die sich aus den Enthüllungen deshalb einmal mehr ergibt: Wann hören diejenigen deutschen Parteien, die nicht Putins Einfluss unterliegen, endlich damit auf, dessen Propagandapositionen zu reproduzieren? Wie kann es sein, dass eine deutsche Volkspartei, zu deren Kernideen einmal die »Westbindung« gehörte, rhetorisch manchmal näher bei Putin scheint als bei der amtierenden US-Regierung, was den Umgang mit Grünen (»verächtlich machen«), BSW und AfD angeht?

Aus den jetzt veröffentlichten russischen Strategiedokumenten: Ziel sei es, heißt es da, »echte Konflikte zu beeinflussen und künstlich neue Konfliktsituationen zu schaffen«, mit einer »breiten Palette von Informationswerkzeugen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung«. Es gehe immer darum, »Konfliktsituationen mithilfe verfügbarer Werkzeuge (…) zu eskalieren, um die gesellschaftliche Situation zu destabilisieren«. Klingt ein bisschen nach der politischen Debatte im September 2024.

Millionensummen und radikale Randfiguren

Zwei noch interessantere, weil wirklich neue Enthüllungen gab es diese Woche in den USA. Die eine sorgte für viele Schlagzeilen. So soll ein »Medienunternehmen« namens »Tenet Media«, das diverse rechtsradikale Influencer mit Millionenpublikum bei YouTube und X beschäftigt, 10 Millionen Dollar für die Verbreitung russischer Propagandanarrative erhalten haben. Dabei machte sowohl Elon Musk mit , der die Akteure des Propagandanetzwerks immer wieder an seine fast 200 Millionen Follower weiterempfahl, als auch Donald Trump . Er gab einem der Hass gegen die Ukraine verbreitenden Stars der Plattform ein Interview, pries mit ihm gemeinsam Putin und machte Europa verächtlich. Die höchst erfolgreichen Russlandpropagandisten der Organisation möchten sich jetzt gern als Opfer betrachtet sehen .

Für weniger Aufsehen sorgte hierzulande ein zweites Ermittlungsverfahren gegen mutmaßlich im Sold Putins stehende Propagandisten in den USA: Schwarze Separatisten in den USA, die dem sogenannten Uhuru Movement angehören . Russische Akteure gaben diesen Leuten laut einer Anklageschrift der »New York Times« zufolge gelegentlich Geld, etwa um zu Protestaktionen zu fahren. Zwar handelt es sich nur um eine insgesamt niedrige fünfstellige Dollar-Summe. Parallel versorgten Russen die Truppe aber angeblich mit prorussischen Propagandanarrativen. Die Beschuldigten bestreiten alles, auch sie betrachten sich als Opfer. Der Prozess hat in den USA gerade erst begonnen.

Zusammengenommen vermittelt all das eine Ahnung der Breite und Tiefe, mit der russische Propagandisten den Westen zu unterwandern versuchen. Von obskuren Aktivistengruppen bis hin zu in Parlamenten vertretenen Politikern, von Social-Media-Bots und gefälschten Websites bis hin zu hochbezahlten Influencern mit Millionenpublikum. Und das dürfte weiterhin nur ein winziger Ausschnitt der tatsächlichen Aktivitäten sein.

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Über gmc

1992 gründete der Zürcher Fotojournalist Gerd Müller die Presse- und Bildagentur GMC Photopress und reiste hernach als Agenturfotograf und Fotojournalist in über 80 Länder. Seine Reportagen wurden in zahlreichen Reise- und Spa-Magazinen publiziert. 2021 publizierte er Auszüge aus seinem Buch Highlights of a wild life -Metamorphosen politischer und ökologischer Natur.