Netanjahu, Gallant und Al-Masri müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen den israelischen Premier Netanyahu, Ex-Verteidigungsminister Gallant und den Hamas-Anführer Deif erlassen. Es geht unter anderem um mutmassliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Als Reaktion auf die Nachricht, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant sowie gegen Hamas-Anführer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hat, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard: 

«Die Mühlen der internationalen Justiz haben endlich diejenigen eingeholt, die mutmasslich für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Palästina und Israel verantwortlich sind. Die heutigen Haftbefehle sind ein historischer Durchbruch für die Gerechtigkeit. Sie sollen der Anfang vom Ende der allgegenwärtigen Straflosigkeit sein, die im Zentrum der Menschenrechtskrise in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet steht.» 

«Mit diesen Haftbefehlen bringt der IStGH endlich auch echte Hoffnung auf Gerechtigkeit für unzählige Opfer und stellt das Vertrauen in den universellen Wert internationaler Rechtsinstrumente und der Justiz wieder her.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International

«Premierminister Netanjahu ist nun offiziell ein gesuchter Mann. Nach seiner Anklage sowie der Anklage von Gallant und Mohammed al-Masri, allgemein bekannt als Mohammed Deif, dürfen die Mitgliedsstaaten des IStGH und die gesamte internationale Gemeinschaft nicht ruhen, bis diese Personen vor die unabhängigen und unparteiischen Richter*innen des IStGH gebracht werden. Es darf keinen ‘sicheren Hafen’ für Personen geben, die mutmasslich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.» 

«Mit diesen Haftbefehlen bringt der IStGH endlich auch echte Hoffnung auf Gerechtigkeit für unzählige Opfer und stellt das Vertrauen in den universellen Wert internationaler Rechtsinstrumente und der Justiz wieder her.» 

«Wir fordern nun alle IStGH-Mitgliedstaaten und Nicht-Vertragsstaaten, einschliesslich der Vereinigten Staaten und anderer Verbündeter Israels, auf, ihre Achtung vor der Entscheidung des Gerichts und den universellen Grundsätzen des Völkerrechts zu zeigen, indem sie die vom IStGH gesuchten Personen verhaften und ausliefern.» 

«Die Rechenschaftspflicht hoher Beamter für ihre zahlreichen Verbrechen ist ein entscheidender Schritt zur Beendigung der anhaltenden Rechtsverletzungen in Israel und dem besetzten palästinensischen Gebiet. Sie könnte dazu beitragen, die fortgesetzte Enteignung und Unterdrückung der Palästinenser*innen unter Israels rechtswidriger Besatzung und Apartheid zu bekämpfen.» 

«Die Haftbefehle des IStGH gegen Netanjahu und Gallant enthalten eindeutige Anklagen wegen Kriegsverbrechen, die ‘schwere Verstösse’ gegen die Genfer Konventionen darstellen. Jeder Staat der Welt ist verpflichtet, diejenigen vor Gericht zu stellen, die solche ‘schweren Verstösse’ begangen haben sollen, unabhängig von der Nationalität des Täters oder des Opfers.» 

Amnesty International erwartet auch von der Schweiz, dass sie die gesuchten Personen verhaften, sollten sie sich in der Schweiz aufhalten.  

Hintergrund 

Am 21. November 2024 erliess die Vorverfahrenskammer I des IStGH einstimmig zwei Entscheidungen, in denen sie die Anfechtungen des Staates Israel («Israel») gemäss Artikel 18 und 19 des Römischen Statuts (das «Statut») zurückwies und Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wegen Anklagen wie Kriegsverbrechen durch Aushungern als Mittel der Kriegsführung und vorsätzliche Anstiftung zu einem Angriff auf die Zivilbevölkerung sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen.  

Dieselbe Kammer erliess auch einen Haftbefehl gegen Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) wegen Anklagen seit dem 7. Oktober 2023, darunter die Verbrechen gegen die Menschlichkeit Mord, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt sowie die Kriegsverbrechen Mord, vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten, Geiselnahme, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, grausame Behandlung und Verstösse gegen die persönliche Würde.

Die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant betreffen Verbrechen, die zwischen dem 8. Oktober 2023 und dem 20. Mai 2024 begangen wurden, dem Tag, an dem die Staatsanwaltschaft die Anträge auf Haftbefehle stellte. Nach der Bestätigung des Todes von Yahya Sinwar und Ismail Haniyeh genehmigte die Kammer die Rücknahme der Anträge auf Ausstellung von Haftbefehlen gegen sie. In Bezug auf Deif hat die Kammer festgestellt, dass sie derzeit nicht in der Lage ist, festzustellen, ob Deif getötet wurde oder noch am Leben ist. 

Am 20. Mai 2024 reichte der Ankläger des IStGH bei der Vorverfahrenskammer Anträge auf Ausstellung von Haftbefehlen ein, die folgende Personen betrafen: Yahya Sinwar, Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri (Deif) und Ismail Haniyeh wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die angeblich ab dem 7. Oktober 2023 auf dem Gebiet Israels und des Staates Palästina (im Gazastreifen) begangen wurden Oktober 2023 und Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die sie mutmasslich ab dem 8. Oktober 2023 auf dem Gebiet des Staates Palästina (im Gazastreifen) begangen haben.  

Am 3. März 2021 hatte der Ankläger des IStGH die Einleitung einer Untersuchung der Situation im Staat Palästina angekündigt. Dies folgte auf die Entscheidung der Vorverfahrenskammer I des IStGH vom 5. Februar 2021, dass der Gerichtshof seine strafrechtliche Zuständigkeit in dieser Situation ausüben kann und dass sich der territoriale Geltungsbereich dieser Zuständigkeit auf Gaza und das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, erstreckt.  

Quelle: Amnesty International