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Wie Putin sich mit Hilfe Deutschlands die Staatsanwaltschaft untertan machte

Berlin, den 16.01.2009 Bundeskanzleramt Foto: Wladimir Putin, Ministerpräsident von Russland.

von David Crawford , Marcus Bensmann (Correctiv vom 24. Juli 2015)

Auch große Geschichten beginnen manchmal unscheinbar. Diese hier 2007, in dem sächsischen Städtchen Delitzsch, wo einige Steuerbeamte einen Computerhändler überprüfen –Ralf K., CDU-Mitglied und Kreistags-Abgeordneter in Nordsachsen. Nicht lange, und die Beamten stolpern über Ungereimtheiten, über Abschreibungen in Höhe von 21 Millionen Euro, die so gar nicht zu den anderen Geschäften des Kleinunternehmers passen. Der Computerhändler hat den Ermittlungen zufolge Millionenaufträge in Russland abgerechnet, obwohl seine Firma weder das Personal noch die Logistik für solche Aufträge hat. Etwas ist faul. Die Staatsanwaltschaft wird eingeschaltet – und die INES, die „Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen“, spezialisiert auf komplizierte Korruptionsfälle. Bald wird aus dem Verdacht auf Steuerhinterziehung eines Delitzscher Kleinunternehmers ein Korruptionsfall, der bis in die russische Staatsspitze führt, denn es stellt sich heraus, dass der Umsatz von dem amerikanischen Computerriesen Hewlett-Packard (HP) stammt.

Offenbar, so die Erkenntnis der Staatsanwälte,hat Ralf K. seit Frühjahr 2004 im Verbund mit HP eine schwarze Kasse eingerichtet. Demnach hat erst eine deutsche Tochterfirma von Hewlett-Packard Rechner und Software für gut elf Millionen Euro an Ralf K. geliefert. Und dann soll Ralf K. die gleiche Ware für rund 21 Millionen Euro zurück an HP verkauft haben. Der Gewinn, nach Abzug von Provision und Spesen: rund 9,3 Millionen Euro. Mindestens 7,6 Millionen Euro Schmiergeld sollen ausgezahlt werden. Schwarzgeld, das Ralf K. wenig später auf Konten in der ganzen Welt verteilt haben soll.Ralf K. ist nach Ansicht der Ermittler aber nur ein Handlanger, ein Rädchen in einem größeren Spiel. Die Weisungen kommen dabei nicht von HP. Sondern von dem Russen Sergej B. Er ist mit Ralf K. seit Anfang der 1990er Jahre befreundet.

Sergej B. machte damals ein Praktikum in Sachsen. Danach gründeten der Russe und der Deutsche Firmen mit fast identischen Namen und machten gemeinsam Geschäfte in den Weiten des ehemaligen Sowjetreichs. Auch die Empfänger des Schwarzgeldes können die Fahnder ermitteln – allen voran Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes und der Generalstaatsanwaltschaft. Deren Vizechef Juri Birjukow, ein kleiner, stahlharter Mann mit einer unschönen Reibeisenstimme, unterschreibt die zum Teil gefälschten Dokumente, die die Schwarzgeldzahlungen in Gang setzen. Birjukow ist eine außerordentlich wichtige Figur in Putins Machtgefüge. Nur ein Beispiel: Als 2003 der Ölkonzern Yukos zerschlagen wird und dessen Chef Michail Chodorkowskij in Lagerhaft kommt, stellt eben dieser Juri Birjukow den Haftbefehl aus. Von 2004 an fließen, so die Ermittler, die von Birjukow ausgehandelten Bestechungsgelder über Tarnfirmen an Mitarbeiter von Generalstaatsanwaltschaft und Geheimdienst – der in diesen Jahren schon nicht mehr KGB heißt, sondern FSB.

Berlin, den 16.01.2009-Bundeskanzleramt. Foto: Wladimir Putin, Ministerpraesident von Russland. Copyright by: GMC Photoweb Reiner Zensen,
Berlin, den 16.01.2009-Bundeskanzleramt. Foto: Wladimir Putin, Ministerpraesident von Russland. Copyright by: GMC Photoweb/Reiner Zensen

Die Fakten

  • Im November 1999 ermöglicht Wladimir Putin den Kauf eines Computernetzwerks für die russische Generalstaatsanwaltschaft. Den Zuschlag bekommt der US-Computerriese Hewlett-Packard, der keineswegs das günstigste Angebot abgegeben hat. HP zeigt sich erkenntlich und zahlt mindestens 7,6 Millionen Euro Schmiergeld.
  • Das Geld landet unter anderem bei russischen Staatsanwälten und Geheimdienstmitarbeitern. Seit dieser Zeit hat nie wieder ein russischer Generalstaatsanwalt gegen Präsident Putin ermittelt.
  • Ohne deutsche Hilfe wäre der Deal nicht möglich gewesen: Das HP-Geschäft wurde mit Hermes-Bürgschaften abgesichert.

Wir entdecken die Bedeutung des Falls, als wir zurückgehen in das Jahr 1999. Es ist ein schicksalhaftes Jahr für Russland. In diesem Jahr inszeniert Wladimir Putin einen Sexskandal, zettelt einen Krieg an, bricht die Unabhängigkeit der russischen Staatsanwaltschaft, steigt auf zum russischen Präsidenten – und ermöglicht das Schmiergeldgeschäft mit HP. 

Als das Jahr 1999 beginnt, trägt Russland, trotz Korruption und Willkür, noch die Grundzüge eines Rechtsstaates. Eine Gewaltenteilung ist vorhanden, im Parlament, der Duma, erheben unabhängige Abgeordnete ihre Stimme, Teile der Justiz arbeiten eigenständig. Der Präsident heißt Boris Jelzin. Doch er steckt in Schwierigkeiten. Der Generalstaatsanwalt der russischen Föderation ermittelt gegen Jelzin und seine Verwandten. In der Schweiz sind ungeklärte Vermögen der Familie aufgetaucht, von denen Luxuswaren bezahlt wurden. Der Generalstaatsanwalt heißt Juri Skuratow, er traut sich, sogar gegen den Präsidenten zu ermitteln. Boris Jelzin ist in höchster Not. Doch er erhält Hilfe von einem gewissen Wladimir Putin. Im Jahr zuvor, die Ermittlungen gegen Jelzin haben gerade begonnen, hat er Putin zum Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB gemacht, dem Nachfolger des KGB. 

Der Druck auf Generalstaatsanwalt Skuratow ist immens. Doch er ermittelt weiter. Bis zum 18. März 1999. An jenem Tag wird im russischen Fernsehen ein Film gezeigt, auf dem sich ein Mann, der dem Generalstaatsanwalt ähnlich sieht, mit zwei Frauen im Bett vergnügt. Schaut man das verwaschene Schwarzweiß-Video heute an, liegt der Verdacht nahe, dass es eine plumpe Fälschung ist – die Beteiligten agieren wie in einem Pornofilm, genau wissend, wo sich die Kamera befindet. Und Staatsanwalt Skuratow schwört Stein und Bein, dass er nicht der Mann im Film sei. Doch das Dementi rettet ihn nicht.  Denn Geheimdienstchef Putin sagt in einem Fernsehinterview: Seine Experten hätten festgestellt, dass der nackte Mann in dem Sexvideo sehr wohl Generalstaatsanwalt Skuratow sei. Das Wort von Geheimdienst-Chef Putin wiegt schwerer. Generalstaatsanwalt Skuratow ist nach dem Putin-Interview erledigt.

Wenig später wird er beurlaubt. Ein Nachfolger steht schon bereit: Wladimir Ustinow, begleitet von seinem Stellvertreter, eben jenem Juri Birjukow mit der Reibeisenstimme. Die beiden kennen sich aus dem Nordkaukasus, aus den wirren Jahren nach dem ersten Tschetschenien-Krieg. Die Ermittlungen gegen Boris Jelzin liegen fortan auf Eis. Der Dank des Präsidenten lässt nicht lange auf sich warten: Am 9. August 1999 ernennt er Putin zum Premierminister, zum zweiten Mann im Staat. Putins Amtszeit beginnt mit Tod und Terror. Im Wochenrhythmus werden Sprengstoff-Attentate auf große Wohnhäuser verübt, knapp 300 Menschen sterben. Am 22. September beobachten Hausbewohner in der Kleinstadt Rjasan Männer, wie sie Säcke in einen Hauskeller wuchten. Die herbeigerufene Polizei beschlagnahmt die Säcke – in denen Sprengstoff ist, wie ein Sprengmeister feststellt. Die Männer, so stellt sich heraus, sind Agenten des Geheimdienstes FSB.

Der russischen Öffentlichkeit gilt der Wohnhausterror weiterhin als das Werk tschetschenischer Terroristen. Den ersten Kriegsgang gegen Tschetschenien hatten die russischen Truppen verloren, im Jahr 1996 zogen sie sich zurück. Putin empfand diese Niederlage stets als Schmach, er will sie ausmerzen. Nun hat er einen Vorwand, einen neuen Kriegsgrund: Am 1. Oktober 1999 marschieren russische Soldaten ein nach Tschetschenien. Die Justiz ist fortan in Putins Hand. Sie wird ihn nicht mehr behelligen. Über all dem ist ein anderer Beschluss völlig untergegangen. Am 14. November 1999 entscheidet Putin, etwas Gutes für die Generalstaatsanwaltschaft zu tun. In einem Regierungsbeschluss gestattet er der Behörde, 30 Millionen Dollar von einer ausländischen Bank zu leihen, um dafür ein Computernetzwerk anzuschaffen. Eine merkwürdige Entscheidung. Russland ist nach der Rubelkrise fast pleite. Krankenhäuser verrotten. Warum ausgerechnet jetzt ausländische Darlehen für die Generalstaatsanwaltschaft? Ein solcher Deal lädt förmlich ein zu Korruption. Das dürfte auch Putin wissen. Winkt er ihn ganz bewusst durch, damit sich die neuen Generalstaatsanwälte die Taschen füllen können — und er sich so ihrer Loyalität versichern kann? 

(Quelle: Correctiv)

Bundesamt für Justiz bewilligt die Auslieferung von ex FIFA’s Vize Eugenio Figueredo

Das FIFA-Hauptquartier in Zürich strahlt die Macht dund die Millionen der Sportfunktionäre aus. The FIFA-Headquarter in Zürich reflects power and money involved in the big sport-business

Das FIFA-Hauptquartier: Weltmeister im Korruptionssumpf

Bern, 17.09.2015 – Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat die Auslieferung von Eugenio Figueredo an die USA bewilligt. Der uruguayische Staatsangehörige kann den Auslieferungsentscheid des BJ innert 30 Tagen beim Bundesstrafgericht anfechten.

Der ehemalige Vizepräsident des Südamerikanischen Fussballverbandes (CONMEBOL) und ehemalige Vizepräsident der FIFA war am 27. Mai 2015 zusammen mit sechs weiteren FIFA-Funktionären aufgrund von US-Verhaftsersuchen in Zürich festgenommen und in Auslieferungshaft versetzt worden. Das am 1. Juli 2015 dem BJ übermittelte formelle US-Auslieferungsersuchen stützt sich auf einen Haftbefehl vom 20. Mai 2015 der für den Bezirk Ost von New York zuständigen Staatsanwaltschaft. Figueredo wird vorgeworfen, beim Verkauf von Marketingrechten für die Copa America der Jahre 2015, 2016, 2019 und 2023 von einem uruguayischen Sportvermarktungsunternehmen Bestechungsgelder in Millionenhöhe angenommen haben. Figueredo wird zudem vorgeworfen, in den Jahren 2005 und 2006 namentlich durch die Verwendung von gefälschten medizinischen Gutachten die US-Staatsbürgerschaft erschlichen zu haben.

Den Markt verfälscht

Das BJ ist in seinem Auslieferungsentscheid zum Schluss gelangt, dass sämtliche Voraussetzungen für eine Auslieferung erfüllt sind. Insbesondere ist der im US-Auslieferungsersuchen dargelegte Sachverhalt auch nach schweizerischem Recht strafbar (beidseitige Strafbarkeit). Danach hat Figueredo durch die Annahme von Bestechungsgeldern für die Vergabe von Sportmarketingverträgen den Wettbewerb massiv beeinflusst und den Markt für Medienrechte im Zusammenhang mit der Copa America verfälscht. Andere Sportvermarktungsfirmen sind benachteiligt worden; zudem sind die betroffenen Fussballverbände daran gehindert worden, allenfalls günstigere Vermarktungsverträge auszuhandeln. In der Schweiz wäre dieses Verhalten als unlauteres Handeln gemäss Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb strafbar. Auch die ihm zur Last gelegte Verwendung von gefälschten medizinischen Gutachten im Rahmen seines Einbürgerungsverfahrens wäre nach Schweizer Strafgesetzbuch als Urkundenfälschung strafbar.

Der Auslieferungsentscheid des BJ ist noch nicht rechtskräftig. Figueredo kann innert 30 Tagen eine Beschwerde beim Bundesstrafgericht erheben, die innert fünf Tagen dem BJ angekündigt werden muss. Der Entscheid des Bundesstrafgerichts kann nur in besonderen Fällen – namentlich bei Hinweisen auf schwere Mängel des Strafverfahrens im Ausland – an das Bundesgericht weitergezogen werden.