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Überbrückungsleistungen für ältere Langzeit-Arbeitslose: Die Verordnung geht in die Vernehmlassung

Bern, 28.10.2020 – Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 28. Oktober 2020 die Verordnung zum neuen Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) in die Vernehmlassung geschickt. Sie regelt im Detail die Bedingungen für den Anspruch auf Überbrückungsleistungen sowie die Berechnung der Leistungen. Die Vernehmlassung dauert bis zum 11. Februar 2021.

Das Parlament hat das neue Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) am 19. Juni 2020 angenommen. Das Referendum dagegen ist nicht zustandegekommen, das Inkrafttreten ist derzeit noch offen. Personen, die nach dem 58. Altersjahr ihre Stelle verloren haben und nach 60 von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden sind, können bis zum Bezug einer Altersrente Überbrückungsleistungen (ÜL) erhalten. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie vorher genügend lang in der Schweiz erwerbstätig waren und nur wenig Vermögen besitzen.

Mit den Überbrückungsleistungen wird eine Lücke geschlossen. Es wird verhindert, dass über 60-jährige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen Ende eines langen Erwerbslebens nach der Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung ihr Erspartes und ihr Kapital aus der beruflichen Vorsorge aufbrauchen und schliesslich Sozialhilfe beantragen müssen. Die ÜL sind Bedarfsleistungen und orientieren sich weitgehend an den bestehenden Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV und zur IV.

Die Verordnung über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLV) regelt insbesondere das vorzeitige Ende des Anspruchs auf ÜL. Bei Personen, bei denen absehbar ist, dass sie nach der Pensionierung im AHV-Alter EL erhalten werden, endet der Anspruch auf ÜL, wenn sie ihre Altersrente vorbeziehen können. Gemäss ÜLV hat die Prüfung auf EL-Anspruch von Amtes wegen zu erfolgen. Damit soll garantiert werden, dass dieser Prozess rechtzeitig in die Wege geleitet wird.

Geregelt wird in der ÜLV auch, wie das Vorsorgeguthaben der beruflichen Vorsorge berücksichtigt wird. Anspruch auf ÜL haben Personen, deren Reinvermögen 50’000 Franken (Ehepaare: 100’000 Franken) nicht übersteigt. Guthaben der beruflichen Vorsorge bis zu 500’000 Franken werden nicht zum Reinvermögen gezählt.

(Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen BSV)

Der Fiskus will den Ärmsten den letzten Franken ausreissen

Wer vom Sozialdienst Geld kassiert, soll auch dafür arbeiten und alles tun, um sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Social welfare recipients should work for the money they get and try hard to re-integrate in the labour market

Viele Sozialhilfeempfänger arbeiten 50 Stunden pro Woche, um die Integrationszulage von 300 Franken zu erhalten

Geht es nach dem Willen des Ständerates, werden Sozialhilfegelder künftig besteuert. Auch Ergänzungsleistungen für Rentner. Das Existenzminimum soll geschützt bleiben. Wie bleibt offen.Betroffen von der Reform sind auch mittellose Rentner und Behinderte, die Ergänzungsleistungen beziehen.

Aus Sicht des bürgerlich dominierten Ständerates sind Menschen, die Sozialhilfe beziehen heute manchmal besser gestellt, als Working Poor Familien oder Einzelpersonen. Eine Familie, die von der Sozialhilfe lebt muss keine beziehungsweise nur die Kopfsteuer von Franken 24 pro Person dem Fiskus bezahlen. Die „Einnahmen“ aus dem Grundbedarf von Fr. 960.- werden hingegen nicht besteuert im Gegensatz zu einer Familie, bei der beide Partner ein Einkommen haben.

Das mag sich plausibel anhören, doch geht der Vorstoss in die falsche Richtung. Unsere Gesetze bieten Steuerschlupflöcher und Pauschalbesteuerungsoptionen in Milliardenhöhe, die Unternehmenssteuerreform hat viele Unternehmen steuerlich entlastet und unsere Finma lässt kriminellen Bankern frei Hand. Dass der Fiskus nun ausgerechnet bei den Sozialhilfebezügern, die ausserdem noch die AHV-Mindestbeiträge aus dem Grundbedarf berappen müssen, zugreifen möchte, dürfte weder die negativen Schwelleneffekte zwischen Sozialhilfebezügern und Porking Poor abbauen, noch einen Beitrag zur angestrebten Steuergerechtigkeit bieten. Auf die paar Mäuse von den Sozialhilfeempfängern kann der Staat locker verzichten. Es gibt genug andere Quellen, die der Fiskus anzapfen kann, Allein bei einer steuerbefreiten Firma oder einem steuerbefreiten Verein wie die FIFA würde der Fiskus mehr Geld reinholen, als bei Tausenden von Sozialhilfebezügern zusammengerechnet.

Also geht es den bürgerlichen Kreisen auch in Krisenzeiten nur um einen weiteren versteckten Sozialabbau. Wie man das der zunehmend verunsicherten Bevölkerung im Hinblick auf Jobverlust und Null Chancen ab 46 Jahren im Arbeitsmarkt erklären und verkaufen will, steht in den Sternen geschrieben.

Natürlich könnte man den Kantonen vorschreiben, das Existenzminimum zu garantieren – so wie es das Parlament 2004 vorschlug – doch bräuchte es dann auch einen nationalen Konsens über die Höhe dieses Existenzminimums und Garantien für die Unantastbarkeit der untersten Grenze von Humanität. Damals plante das Parlament mit dem Steuerpaket 2004 im Gesetz nichts anderes, als die Befreiung des Existenzminimums zu verankern. Hier müsste man also ansetzen.

Unsinniges und „gefährliches Vorgehen“. Auch mittellose Rentner bedroht

Auch Nationalrat Paul Rechsteiner (SP) hält die Motion für „gefährlich, ungerecht und anangebracht“. So sieht das auch Carlo Knöpfel, Professor an der FHNW-Hochschule für Soziale Arbeit: „Personen, die Sozialhilfe beziehen, haben nicht das Geld um Steuern zu bezahlen“. Dass der Ständerat den Kantonen freistelle, wie sie neue Härtefälle verhinderten, sei gefährlich“. Der Spardruck und das schlechte Image könnten die Versuchung vorantreiben, Sozialhilfebezüger noch stärker zu belasten, was verheerende Folgen hätte.

Denn auch mittellose Rentner und Behinderte wären von der Reform betroffen. Neu würden auch die Ergänzungsleistungen zur AHV besteuert. Da Senioren mehr Ansehen als Sozialhilfeempfänger haben, sollten sie sich nun auflehnen und dafür einsetzen, dass der Grundbedarf weiterhin steuerbefreit bleibt.

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Caritas will die Armut in der Schweiz bis 2020 halbieren

Die Stärke einer Gesellschaft misst sich am Wohl der Schwachen. Darum ruft Caritas zu einer Dekade der Armutsbekämpfung auf: Bis 2020 soll die Armut in der Schweiz halbiert werden.

Mit der Erklärung „Armut halbieren“ forderte Caritas Ende 2009 eine Dekade der Armutsbekämpfung (2010 – 2020) in der Schweiz. Ziel der Dekade ist es, die Zahl der armutsbetroffenen Menschen zu halbieren und das Risiko der sozialen Vererbung von Armut markant zu verringern. Die Kampagne wird von allen Mitgliedern der Schweizerischen Bischofskonferenz und zahlreichen weiteren Organisationen mitgetragen.

Caritas formuliert in der Erklärung „Armut halbieren“ vier zentrale Forderungen an Politik und Wirtschaft: Bund und Kantone müssen alljährlich Rechenschaft darüber geben, was sie zur Bekämpfung der Armut unternehmen. Die Sozialhilfe soll nach landesweit einheitlichen Grundsätzen festgelegt werden. Bund, Kantone und Wirtschaft sollen die Bildung von Sozialfirmen fördern. Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sind, finden so Arbeit und soziale Integration. Bund und Kantone müssen dafür sorgen, dass alle einen Berufsabschluss machen können.

Aber Caritas intensiviert auch ihr eigenes Engagement in der Armutsbekämpfung: Das Hilfswerk beobachtet und überprüft die Anstrengungen von Bund und Kantonen in der Armutspolitik. Armut muss ein Thema sein! Es verstärkt die Sozialberatungen und die Überbrückungshilfen für Arme in prekären Lebenssituationen, erhöht die Anzahl der Caritas-Märkte auf 30 Läden und baut das bisherige Angebot an Sozialfirmen aus.

Seit Beginn der Kampagne wurden auf Initiative der Caritas in zahlreichen kantonalen Parlamenten Vorstösse eingereicht, die einen jährlichen Armutsbericht fordern. Die Sozialberatung wurde durch eine umfassende Schuldenberatung erweitert und die Zahl der Caritas Märkte hat sich von 19 auf aktuell 24 erhöht.

Weiterführende Informationen

 

Sozialalmanach 2015

Der Sozialalmanach nimmt jährlich die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz unter die Lupe. Zudem widmet er sich einem ausgewählten Thema aus der aktuellen Sozialpolitik. Expertinnen und Experten analysieren das Thema in seinen verschiedenen Facetten und und schlagen Stategien für eine sozial gerechte Politik vor.

Jeder Fünfte von uns ist eine Migrantin oder ein Migrant. Fast ein Drittel des Arbeitsvolumens wird von Migranten erbracht. Die Migrantinnen und Migranten steigerten die staatlichen Nettoeinnahmen 2011 um 11 Milliarden Franken. Kurzum: Sie tragen zum Wohlstand der Schweiz wesentlich bei.

Dennoch beschäftigt sich die Schweiz intensiv mit ihrer Migrationspolitik. Dabei konzentriert sich die Debatte auf die Eingrenzung der Zuwanderung. Einwanderer werden für strukturelle Probleme im Land verantwortlich gemacht. Angesichts der einseitigen und festgefahrenen Diskussion um Vor- und Nachteile der Zuwanderung hat sich Caritas Schweiz entschlossenen, einen ungewöhnlichen Sozialalmanach 2015 herauszugeben: persönlich und berührend.

Der erste Teil des Buches zeigt mit dem «Bericht über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz 2013/2014» von Bettina Fredrich sozialpolitische Trends auf. Der zweite Teil und Schwerpunktteil «Herein. Alle(s) für die Zuwanderung» ist ein Bekenntnis der Caritas zur Zuwanderung und zu einer Migrationspolitik, die soziale Chancengerechtigkeit zum Ziel hat. 20 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft äussern sich in persönlichen Essays, Beiträgen und Interviews zu einer Schweiz der offenen Türen.