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Spirituelle Reisen und Heilverfahren mit Cannabis & Co.

Auszug aus dem noch unveröffentlichten Buch

VORWORT

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeit-reise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisen-regionen rund um den Glo-bus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund und analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transformationsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gna-denlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse in einigen Ländern auf und skizziert Ansätze zur Bewäl-tigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend. Eine gelungene Mischung aus globalen Polit-Thrillern, gehobener Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den High-lights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Es erwartet Sie eine Reise durch die epochale Vergangenheit und metamorphorische Phasen vieler exotischer Länder rund um den Globus. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell, ökologisch sowie politisch versierten Globetrotter.

Spirituelle Reisen mit Cannabis & Co. von den Inkas bis heute

Die Hanfpflanze hat das gleiche Schicksal erlitten wie die Ayurveda Medizin. Auch sie wurde seit 50 Jahren zu den Betäubungsmitteln gezählt und verboten. Daher machen wir noch eine spirituelle Cannabis-Reise von den Hochkulturen indigener Völker bis zu den heutigen Niederungen, Irrungen und Wirrungen beim Drogengenuss, vertiefen uns dabei auf die internationale und staatliche Repressionsmaschine im Umgang mit psychoaktiven Substanzen und fokussieren auf die hiesige Drogenpolitik, die vor allem die Pharmaindustrie schützt und stützt, aber wenig mit Prävention und Volksgesundheit zu tun hat.

Denn derweil die weltweit salonfähige Droge Alkohol, weit mehr Gesundheitsschäden und Tote fordert, wird die Hanfpflanze und der THC-Konsum noch immer stigmatisiert und sind in Nordeuropa, also in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und in der Schweiz verboten. Spanien und Portugal sowie die Tschechoslowakei haben die Gesetze gelockert und den Konsum im beschränkten Rahmen in sogenannten Social Clubs zugelassen. Nebst den USA und Kanada, die schon lange die Legalisierung vollzogen haben, folgt nun auch Mexico.

In der Schweiz läuft 2022 eine 5-jährige Pilotprojektversuchsphase an, damit wird sogleich klar, dass es hierzulande noch 10 Jahre dauern könnte, bis sich die Hanf-Politik endlich ändern könnte. Die Hanfpflanze und deren Substrate, bis zu 160 verschiedene Cannabinoide und Terpene werden wider besseren Wissens seit bald 50 Jahren als Teufelsdroge verurteilt, verdammt und kriminalisiert, dabei spendet die uralte Kultur- und Kultpflanze weltweit seit tausenden von Jahren wertvolle Heil- und Nahrungsmittel. So ist das Hanföl sehr reich an unge-sättigten Omega 3 und Omega 6 Fettsäuren und dies erst noch im optimalen Verhältnis.

Die Anwendungen in der Medizin sind unglaublich weitreichend. Auch die Kosmetik hat die heilsamen Hanf-Wirkstoffe wiederentdeckt und in Frankreich beginnen einzelne Winzer ihren Wein mit Hanf anzureichern. Das taten übrigens schon die Römer. Sie wussten um die potenzierte Wirkung von Alkohol und Cannabis. Und die indigenen Hochkulturen in Lateinamerika, allen voran Teotihuatlan, waren die Hochburgen der experimentellen Drogen-Höhenflüge. Wer zur Elite der gehören wollte, musste sich einem wochenlangen, Drogen-Höllentrip in den dunkeln Tempeln unterziehen. Der Cocktail bestand nicht nur aus Cannabis sondern hautsächlich auch aus psycho-aktiven Pilzen und Kakteen wie Don Pedro und Meskalin.

Haben wir in der Jugend in den 60er und 80er Jahren erst einmal die berauschende und horizonterweiternden Aspekte der THC-Substanz geschätzt, kommen mit zunehmendem Alter und neuen Erkenntnissen weitere wert-volle medizinische Wirkungen hinzu, wie geistige und körperliche Entspannung, eine gute Schlaf und Einschlaf-hilfe, intensiveren und kreativeren Sex, eine verbesserte Hautstruktur sowie veritable gesundheitliche Hilfen bei vielen Krankheiten, wie wir gleich sehen. Mary Jane wurde oft als Einstiegsdroge für härtere Substanzen verant-wortlich gemacht und dabei wurde ausgeblendet, dass Alkoholkonsumation der erste und wichtigste Schritt hin zu allen anderen Drogen ist und handkehrum auch die Medikamentensucht nicht zu verunglimpfen ist.

Heute ist der Mix von Alkohol, Designer-Drogen und schubverleihenden Medikamenten besonders gefragt und gefährlich. Synthetische Spice Produkte können auch tödlich sein. Eine Folge der verfehlten, weltweit auf Repression ausge-richteten und sehr verlogenen, rassistisch und politisch motivierten Drogenpolitik Nixons die somit ihren Ursprung im Amerika der 70er Jahre hat. Unter Präsident Nixon wurde behauptet „Cannabis mache Menschen“ zu Tieren. Ziel der diskriminierenden Kampagne des «War on Drugs» waren die Schwarzen und die weissen Kriegsgegner und in der Schweiz hingen Plakate mit dem Slogan «Hasch macht doof». Gemeint waren auch hier die Hippies, die Freaks und die „Bewegten“. Heute würde man sagen, es ging hauptsächlich um die Desavouirung einer unbequemen Minderheiteit und nicht um Gesundheitsvorsorge.

In den 90er Jahren wurde erst Zürich, dann die ganze Schweiz zum Hanf-Mekka mit den legendären Hanflädelis mit Duftstoffsäckli oder die sogenannten Kräuter-Badezusätze, die THC-haltiges Grass und Haschisch enthielten. Auch mit Löchern versehene Ping Pong Bälle gefüllt mit MariJane waren erhältlich. Damals war Gras als solches legal, solange es nicht explizit zum „Drogenmissbrauch“, also zum Handel und Vertrieb der Blüten verwendet wurde. Für die Herstellung von Duftstoffen oder zum Brauen von Hanfblüten-Bier gab es lasche Regulierungen, die auch nicht vom THC Gehalt abhingen. So wurden Tonnen von Outdoor-Cannabis legal und kostengünstig im grossen Stil wie im «Hexenkessel» oder in Videotheken, Kleider-Boutiquen, Drogerien und anderen Lädeli gehandelt.

Die Hanf-Euphorie dauerte aber nur kurz und änderte sich, als die Schweiz der UNO beitreten wollte und die darauf bestand, dass die Schweiz den „Single Convention Act“ von 1961 anerkenne. Zudem übten auch die Nach-barstaaten Deutschland und Frankreich Druck auf die Schweiz aus, die Liberalisierung, die der Bundesrat noch 2002 dem Parlament vorschlug und im darauf folgenden Jahr von beiden Kammern gutgeheissen wurde, wieder zurückzufahren, da dem Bundesrat der Drogentourismus ein Dorn im Auge war. Mit der Reform des Betäubungsmittelgesetzes «BetmG» wurde der der EU konforme Status übernommen, mit der Ausnahme, dass bei uns in der Schweiz die THC-Toleranzgrenze für Nutzhanf etwas höher liegt und CBD seit 2016 legalisiert ist.

Das Problem ist nur, dass man eine Pflanze schlecht halb legalisieren und immer noch kriminalisieren kann. Darum heisst der jetzige Artikel für die fünfjährigen Pilotprojekte in den vier Städten (Basel, Bern, Genf und Zürich) mit je 5000 Personen pro Stadt auch „Experimentierartikel“. Doch die Bedingungen sind etwas abstrus. Ebenso frus-trierend ist es, wenn man zwar unter gewissen medizinischen Kriterien eine Ausnahmebewilligung für Dronabinol (synthetisches THC) bekommt, dieses Medikament aber nicht von den Krankenkassen übernommen wird.

Statt den flächendeckenden, nachhaltigen, ökologischen und Landschaftsschutz trächtigen Outdoor-Anbau zu fördern, der für Medizin, Kosmetik, Nahrungsmittel, Baustoffe, Textilien usw. genutzt als auch als Lawinenschutz und zur CO-2 Reduktion eingesetzt werden könnte, den Berg-Bauern eine wirtschaftliche Bio-Grundlage bieten würden, wird weiterhin durch das Verbot auf den Indoor-Anbau gesetzt und einseitig die Synthetisierung der Inhaltsstoffe für pharmazeutische Produkte gesetzt.

Zwar wurde in den USA Hanf, Gras, Hasch etc. in vielen Bundesstaaten schon länger weitgehend legalisiert, in der Schweiz lassen wir gerade einmal ein paar Pilotversuche zu, die in dieser Form untauglich sind und nur dazu dienen, bei einer Liberalisierung die Pharma-Industrie zu begünstigen und diese zu protegieren. In seinen «Perspektiven der Drogenpolitik 2030» kündigt der Bundesrat an die Vor- und Nachteile des Sanktionsverfahrens prüfen zu wollen und so die Chancen und Risiken einer Legalisierung neu beurteilen zu können.

Das heisst mit anderen Worten, die Regierung denkt über die nächsten zehn Jahre hinweg über eine Entkriminalisierung und Legalisierung nach. Derweil Portugal schon vor zehn Jahren, 2001, diesen Weg eingeschlagen hat mit durchaus positiven Konsequenzen. Dass die Schweizer Regierung 30 Jahre oder mehr dazu braucht, ist nicht gerade berauschend. Zwar gab es einen Versuch, aber Bundesrätin Ruth Dreyfuss scheiterte damals im Parlament knapp mit ihrer Vorlage.

Dabei hat die Schweiz, die in den 80er Jahren in der grossen Heroinkrise und angesichts der vielen Drogentoten ein weltweit einzigartiges Methadonabgabe-Programm entwickelt und den Heroinkonsum entkriminalisiert und praktisch eliminiert. Durch dieses Erfolgsmodell wurde Zürich und mit ihr die Schweiz zur Vorreiterin einer huma-nitären Drogenpolitik, die das Suchtpotential anerkannt hat. Seither setzt die Regierung auf das Vier-Säulen-Prinzip (Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression).

Derweil Hunderte von Verkehrstoten und Tausende von Gewaltakten unter Alkoholeinfluss als normal in Kauf genommen werden, hat Cannabis noch keinen umgebracht und führt in der Tendenz eher zu einem ruhigen, fried-lichen wenn nicht gar apathisch bekifften Zustand. Wo ist da die weitgerühmte Verhältnismässigkeit und helveti-sche Einsicht zur Faktenlage? Bei der Volksdroge Alkohol nimmt man all die Verkehrstoten, familiären Gewalt-Exzesse, Vergewaltigten und Aggressionen hin? Grotesk nicht? Als die Fussball WM 2012 in Portugal stattfand, verbot die Regierung Alkohol für drei Tage aber drückte beide Augen beim Cannabis-Konsum zu. Und siehe da, es waren die friedlichsten Fussballspiele aller Zeiten.

Jetzt vertiefen wir die heutigen medizinischen Fakten und die politische Grosswetterlage. Cannabis wird inter-national zwar nicht mehr mit Heroin gleichgesetzt, seit die «Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen» (United Nations Commission on Narcotic Drugs» (CDN) im Dezember 2020 auf einer Tagung in Wien über diverse Vorschläge abgestimmt hat, die 2019 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Neueinstufung von Cannabis gemacht wurden.

Es ging darum Cannabis aus der «Schedule IV der «Single Convention on Narcotic Drugs» aus dem Jahr 1961 herauszunehmen und zu zu entkriminalisieren. Weil Cannabis bisher zusammen mit Heroin und Methaphetamin, den illegalen Opiaten und Kokain in der Liste IV gestanden hat, beriefen sich viele konservative Staaten weiterhin auf die uralte Verordnung. die vor über 50 Jahren durch die messianische und heuchlerische US-Politik geprägte Drogenpolitik (und die Ambitionen eines arbeitslos gewordenen US-Alkohol-prohibitions-Chefbeamten, der nach einem neuen Tätigkeitsfeld suchte) weltweit im Umbruch ist.

Das Drogenverbot soll uns schützen, heisst es allenthalben. Unsere Gesundheit wird mit zwangs- und strafrecht-lichen Mitteln durchgesetzt. Auf sehr fadenscheinige, heuchlerische Weise, obschon die WHO Sucht per se als eine Krankheit definiert. Ob es nun Fresssucht, Alkoholsucht, Heroin oder Opium-Sucht oder Cannabis-„Missbrauch“ ist. Doch wie sieht die Realität aus? Ein obskures, kafkaeskes Wirrwarr, das jeglicher Logik widerspricht. Klingelt die Polizei, wenn Diabetiker, die Empfehlungen der Ärzte die Rezepturangaben missachten?

Sanktioniert und büsst die Polizei Vergehen bei «Ritalin»- oder verschreibungspflichtigem Tablettenmissbrauch? In den USA gab es auf-grund der geldgierigen Pharmaunternehmen und lockeren Verschreibungspolitik von Opiaten wie «Oxytoxin» als Schmerzmittel hunderttausende von Toten. Eine Katastrophe biblischen Ausmasses, die nur noch von Trumps primitiver Corona-Seuchenpolitik übertroffen wurde. Mittlerweile ist in vielen Bundesstaaten in den USA, in Kanada und in Uruguay, als auch in einigen Ländern in Europa (Spanien, Portugal, Tschechien) Cannabis legalisiert wurde, hinkt die Schweiz wie immer und überall hinterher.

Das liegt hierzulande wohl daran, dass die Pharmagiganten sich dieses Big Business, einen Markt von über fünf Milliarden Franken nicht entgehen lassen wollen und in Bundesbern dafür lobbyieren, dass ja keine eigentliche Liberalisierung sondern nur eine pharmazeutische Regulierung angestrebt wird. Mit anderen Worten, dürfte es wohl auch weiterhin für Kreti und Pleti verboten bleiben, diese uralte Kulturpflanze im Garten neben die Tomaten und anderen Kräutern anzubauen und zu ernten. Wäre dies der Fall, könnte die Schweiz ein halbes Kernkraftwerk abschalten, wenn die Grower in diesem Land nicht dazu gezwungen wären, die Nutzpflanzen unter Leuchten in Kellern und Industrieanlagen mit einem immensen Strombedarf hochzupäppeln, derweil der Hanf unsere Berg und Lawinenhänge sichern könnte, würde er im grossen Stil draussen anpflanzt.

Gewiss ist nur, dass das grüne Gold, wie fast alles in der Schweiz, von der Pharmaindustrie einträglich zu Kohle gemacht und Cannabis nur auf Rezept medizinisch, klinisch und evtl. erst noch synthetisch gegen teures Geld abgegeben wird. So kosten die derzeit für sehr wenige Personen (rund 3000) legal erhältlichen CBD oder THC-Präparate zwischen 600 bis 800 Franken und die Krankenkassen übernehmen die Kosten erst noch nicht oder nur in den seltensten Fällen.So wird eine dergestalt legalisierte Abgabe den Schwarzmarkt nicht beseitigen. Und der Weg zu einer Sonder-bewilligung ist bisher nur in vier Fällen möglich: bei Spastik wie Multipler Sklerose, bei chroni-schen Schmerzpatienten, bei HIV-Erkrankungen und bei Krebsleiden nach den Chemotherapien. Da lohnt sich kurz ein Blick zurück in die 80er Jahre.

«Blickt man auf die Heroinkrise in der 80er Jahren zurück, kann man heute sagen, dass die Illegalität und Kriminalisierung den grössten Schaden verursacht hat», sagt Toni Berthel, der als Psychiater die «Eidgenössische Kommission für Suchtfragen» (EKSF) geleitet hat, die inzwischen zur «Eidgenössische Kommission für Sucht und Prävention nicht übertragbarer Krankheiten» (EKSN) umbenannt wurde. Berthel und andere SuchterxpertInnen sind überzeugt, in einer freiheitlichen Gesellschaft brauchen Erwachsene keine «Lebensführungs-BesserwisserInnen», das gelte auch für psychoaktive Substanzen aller Art. Verbote bringen nichts, eine geregelte Abgabe verbunden mit Sucht-Prävention sei der bessere Weg, ist Berthel überzeugt, «eine Drogenfreie Gesellschaft eine Illusion». Zudem sei es nicht haltbar, eine Droge mit geringem Suchtpotential und wenig schädlichen Indikationen wie Cannabis zu verbieten, derweil eine Substanz mit einem so hohen Suchtpotential wie Alkohol blauäugig konsumiert werde.

In diesem Punkt sind sich Berthel und der Pharmakopsychologe Boris Quednow, der an der Psychiatrischen Uni-versitätsklinik in Zürich zu Substanzkonsum und dessen Folgen forscht einig. Auch er ist der Meinung, dass der Konsum so bald wie möglich entkriminalisiert werde, «sonst bestrafe man die Schwerstbetroffenen weiterhin». Aber jede einzelne Substanz einzeln zu regulieren, sei enorm komplex. Und darüber hinaus stellen sich viele wie-tere Fragen ob dann diese Substanzen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten würden und welche Anfor-derungen an die hergestellten Substanzen bestünden.

Also sprechen wir auch über Legalisierungsschritte bei Kokain, von dem in der Schweiz jährlich über fünf Tonnen konsumiert werden. Oder auch über Crystal Meth, LSD und Meskalin. Allerdings sei auch klar, dass man ohne enge Rahmenbedingungen für die Abgabe, sofort die Kontrolle verliert, weil die Tabaklobby oder andere (auch du-biose) Interessenten den Startlöchern stehen. Doch zurück zu Cannabis, welches hier und nun auch im Fokus der vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) bewilligten Pilotprojekte über einen Zeitraum von drei Jahren (2022 – 2025) im Fokus der Kantone steht. Eine Substanz, die seit Jahrtausenden verwendet wird und ein seit langer Zeit bewiesenes, hohes medizinisches  Potential aufweist, wurde zu Unrecht stigmatisiert.

Soviel ist heute schon klar. Denn: Der Katalog der Krankheiten, bei denen Cannabis nachweislich eine positive aber keine oder kaum negative Aus-wirkungen hat, schon lange sehr viel weiter. In der Medizin werden THC und CBD daher immer öfters für thera-peutische Zwecke eingesetzt, bei Kopfschmerzen und Migräne, Übelkeit oder Erbrechen. Es wirkt Angst lösend, antipsychotisch, lindert Schmerzen bei Nervenverletzungen, hemmt Entzündungen, unterdrückt Muskel-spastiken und Krampfanfälle, stimuliert das Knochenwachstum, senkt den Blutzuckerspiegel und Augeninnendruck und kann auch Krebszellen zerstören. Das ist längst nicht alles, schauen wir uns das reichhaltige Potential dieser halb legalen, halb illegalen Pflanze einmal medizinisch und wissenschaftlich näher an. Israelische ForscherInnen sind weltweit führend bei der Untersuchung von medizinischem Cannabis.

Dr. Raphael Mechoulam, hat vor 50 Jahren THC und später auch CBD entdeckt. Untersuchungen der «Jüdischen Universität» und der «Universität Tel Aviv» haben ergeben, dass THC und CBD die Heilung von Knochenbrüchen fördert und die Lysylhydroxylasen (die zur Knochenheilung nötigen Enzyme) in den Zellen aktivieren können. THC bindet sich im Körper an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2. Beim andocken an die CB1-Rezeptoren, wird die Signalübertragung an die Synapsen beeinflusst, die Informationen an das zentrale und periphere Nerven-system übertragen, worauf sich ein Glücksgefühl einstellt, man entspannter wird und Schmerzen nachlassen. In Israel wurde auch die heilende Wirkung von Cannabis auf Darmkrebszellen und adenomatöse Polypen nachge-wiesen. Hier zeigte sich, dass CBG einen Zellstillstand bei Darmkrebszellen und einen apoptotischen Zelltod ver-ursachte. Die häufigste Form von Krebs ist Hautkrebs. also ein Melanom.

THC wirkt gut bei Alzheimer, Diabetes Typ-2, MS und Parkinson

Kommen wir nun zu einer der Haupttodesursachen in der westlichen Welt, Typ-2-Diabetes. Fettleibigkeit ein entscheidender Risikofaktor, der mit der Erkrankung in enger Verbindung steht. Bestimmte Moleküle, die in der Cannabispflanze gebildet werden, können dazu beitragen, die Krankheit zu verhindern und zu therapieren. Bei Typ-1-Diabetes geht es sich um eine genetische Störung, bei der der Körper kein Insulin produzieren kann. Typ-2-Diabetes oder Diabetes mellitus kommt viel häufiger vor und tritt auf, wenn die Bauchspeicheldrüse, nicht genü-gend Insulin produziert. Ist dies der Fall, kann kein normaler Blutzuckerspiegel aufrecht erhalten werden. Ein in Grossbritannien ansässiges entwickelt derzeit ein Cannabismedikament, das potenziell die Notwendigkeit von Insulininjektionen bei Diabetes ausschaltet. Das Unternehmen hat bereits ein orales Spray namens «Sativex» auf den Markt gebracht, das gegen die Muskelkrämpfe bei Multipler Sklerose hilft.

Dieses Medikament zielt auf die Verwendung der Cannabinoide CBD und THCV (Tetrahydrocannabivarin) ab, bei denen es sich um Moleküle handelt, die den Blutzuckerspiegel senken und die Insulinproduktion verbessern. THCV ist ein wirkungsvolles Cannabinoid und hat sich zunächst einmal als Appetitzügler erwiesen. Eine Studie, die von der «American Diabetes Association» veröffentlicht wurde, untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von THCV und CBD bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die Forscher, fanden heraus, dass THCV auch die Nüchtern-Plasmaglukose signifikant verringerte.

Die Cannabinoide CBD und THC verstärken sich wiederum gegenseitig in ihren therapeutischen Eigenschaften. Cannabigerol (CBG) ist wie Cannabidiol (CBD) ein nicht-psychoaktives Cannabinoid aus der Cannabispflanze. Dabei ist der CBG-Gehalt in der Regel in Indica-Sorten höher als in Sativa-Sorten und wirkt entzündungshemmend, antibakteriell, schmerzlindernd sowie augeninnen-drucksenkend. Forscher der «University of Barcelona» haben bewiesen, dass CBG ein partieller Agonist des Cannabinoidrezeptors 2 (CB2) und als Regulator der Endocannabinoid-Signale wirkt.

Italienische Forscher belegten, dass Entzündungen und oxidativer Stress bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose eine zentrale Rolle spielt und fanden heraus, dass Cannabis auch neuroprotektive Wirkungen gegen Entzündungen und oxidativen Stress ausübt und so vor dem Verlust neuronaler Zellen schützt. Forscher der «Universidad Complutense» Madrid in Spanien untersuchten die Auswirkungen von CBG und identifizieren Gene, die mit der Huntington-Krankheit in Zusammenhang stehen (z. B. das Gamma-Aminobuttersäure-A-Rezeptors (GABA).

Die Untersuchung wurde unter der Aufsicht von WissenschaftlerInnen aus 18 Ländern vorgenommen wurde. Das „Journal of Investigative Dermatology“ publizierte eine Studie, in der Mäuse mit Melanomen mit THC und CBD behandelt wurden und ein internationales Team von Forschern hat herausgefunden, dass diese Stoffe durch Apoptose und Autophagie zum Tod der Krebszellen führen. Unter dem Begriff Autophagie versteht man einen Prozess bei dem die Zelle sich selbst demontiert, um geschädigte Teile loszuwerden.

Die Apoptose ist der natürliche Selbstmord der Zelle. Sie bricht auseinander und dann räumt das Immunsystem den Rest auf. Durch Studien an Tieren konnte gezeigt werden, dass THC und CBD beide Prozesse stimulieren und unterstützen können. Die Forscher nutzten bei ihrer Studie THC und CBD zu gleichen Teilen, so wie bei dem Medikament Sativex gegeben, das momentan eine Testphase als Schmerzmedikament für Krebspatienten durch-läuft. Die Forscher entdeckten das Potential von Cannabinoiden zur Behandlung von Melanomen bereits im Jahr 2006. Damals fanden sie den CB1- und den CB2-Rezeptor in Melanomzellen.

Diese Rezeptoren sind gleichzeitig die Bindungsstellen für THC im menschlichen Körper. Durch die Aktivierung dieser Rezeptoren war es den Forschern möglich das Wachstum der Krebszellen zu verlangsamen, weil durch die Behandlung Apoptose und Autophagie ausgelöst wurden. Wie wir sehen ist das rein medizinische Spektrum der Hanfpflanze enorm, ganz davon abgesehen dass die Pflanze, also die Samen und das Öl sehr gut zur Ernährung sind, weil sie einen überaus hohen Anteil und ein ideales Verhältnis an ungesättigten Fettsäuren und Aminosäuren enthalten.

73 Milliarden Dollar werden Cannabisfirmen nach Schätzungen der US-Firma «Grand View Research» im Jahr 2027 weltweit erwirtschaften. Die auf Cannabis spezialisierte Londoner Firma «Prohibition Partners» schätzen das Marktvolumen für Europa bis 2028 auf 115 Milliarden Euro. Das Umsatzpotential für die Schweiz wird derzeit auf gut fünf Milliarden veranschlagt, es könnte aber sehr viel höher sein. Zur Zeit haben kanadische Firmen die Nase vorn, gefolgt von Unternehmen in den USA und in Grossbritannien, aber auch in der Schweiz sind einige schon recht grosse Players am Start. Die Drogenprohibition hat nie funktioniert, das medizinische Potenzial wurde kastriert. Das wissen wir jetzt seit 50 Jahren. Also sollten wir nun zumindest Gras geben, statt mit abstrusen Pilotprojekten wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Die Bevölkerung ist reif genug dafür und will sich auch hier nicht länger bevormunden und für dumm verkaufen lassen.

Die Hanfpflanze hat unbestritten sehr viel medizinisches Potential, dass durchaus auch von der Pharmaindustrie vermehrt genutzt werden sollte. Aber bitte nicht ausschliesslich und unter Diskriminierung derer, die die phyto-medizinischen Qualitäten mit Sonnenlicht und Regenwasser, CO2-neutral mit geringerer THC-Potenz gratis anbauen und jederzeit unbeschwert legal konsumieren wollen, egal, ob als Joint, als Hasch-Keckse oder als Hanföl. Das allein würde schon der Volksgesundheit dienen und der Wirtschaft, als auch dem Staat, der Polizei und Justiz helfen. Steuereinnahmen für Jugendschutz und Prävention, für Staat und Kantone, die Entlastung der Strafver-folgungsbehörden von der sinnlosen Kifferjagd, einen wirtschaftlichen Innovationsschub auch bei Textilien und Baumaterialien. Ein paar Beispiele:

Die Haut ist unser grösstes Organ und dient als Schutzschild gegen Infektionen und Verletzungen. Es ist ein äusserst komplexes Membran mit der Epidermis und den Poren zu oberst, dann in der Derma mit den Talg- und Schweissdrüsen sowie den Haarfolikeln, gefolgt von der Subcutis mit den Adipozyten und dann der Muskelaufbau. Die Lipidschicht ist eine physiochemische Barriere mit antimikrobiellen Eigenschaften die das Hautmikrobiom steuert. Die Talgdrüsen (Sebozyten) tragen mit ihrem fettreichen Talg dazu bei und entscheiden bei unausge-wogener Produktion über Akne, ausgetrocknete Haut und weiteren dermatologischen Krankheiten.

Neusten Erkenntnissen zu folge gibt es eine interessante Verbindung zwischen Cannabinoiden und den Stoff-wechselvorgängen in der Haut. Bei einer systematischen Untersuchung der Auswirkungen auf die Haut beim Konsum von synthetischen Cannabinoiden, die rezeptfrei gekauft werden können, stellten Wissenschaftler fest, dass es zwischen Cannabinoiden und der Homöostase der Haut eine aktive Wechselwirkung gibt. An der derma-tologischen Universität Münster wurden 2015 erstmals die humanen Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 in den Talgdrüsen nachgewiesen.

Eine weitere Forschergruppe fand heraus, dass das Potenzial der Cannabinoide einen erheblichen Einfluss auf die Homöostase der Talgproduktion (Sebum) hat. In einem Experiment wurden die CB2 Rezeptoren gezielt in den Sebozyten ausgeschaltet, was zur Folge hatte, dass die Talgproduktion gedrosselt wurde. Im zweiten Experiment, stellte sich heraus, dass exogen applizierten Endocannabinoide die Lipidproduktion steigern, was die Bedeutung des CB2 Rezeptors in der sebozytischen Lipogenese aufzeigt.

Mit anderen Worten: Das Phyto-Cannabinoid Cannabidiol zeigt klar Anti-Akne Effekte auf, durch eine Normali-sierung der Talgproduktion, vermehrter Proliferation von Keratinozyten und bakteriellen Entzündungen. CBD hemmt die Sebum Lipogenese nicht, sondern sie bringt sie in die richtige Balanace. Auch ätherisches Öl, dass aus der Hanfpflanze extrahiert wird, besteht aus einer Vielzahl von Terpenen und antimikrobiellen Eigenschaften gegenüber P.acnes und sind überdies entzündungshemmend.

Dadurch können bzw. müssen auch die Terpene als weiterer Baustein in der komplexen Wirkung der Hanfpflanze für medizinische Zwecke und gesundheitliche Aspekte vermehrt in den Vordergrund gerückt werden. Überdies haben Cannabinoide auch eine Schlüsselfunktion in der Haut, die nicht nur auf die Immunzellen beschränkt ist. Die modulierende Wirkung ist auch in den Talgdrüsen und vielen anderen Zelltypen wirksam, die phatogene und gefahrassoziierte Erkennungsrezeptoren enthalten. Diese Zellen koordinieren und formulieren die lokalen Immun-antworten und die Produktion von pro- und anti inflammatorischen Mediatoren. Und das alles geschieht unter dem strengen Regime des menschlichen Cannabinoidsystems (ECS), wie die Quelle dieser spannenden Erkenntnisse, Dr. Christian Löfke, Zellbiologe beim Bio-Hanfproduzenten «BioBloom» erklärt.

Kommen wir noch kurz zu einer ganz anderen Verwendung von Hanf: Die Hanffaser wurde schon bei der Schifffahrt sehr geschätzt, neuerdings kommt sie auch als Baustoff wieder ins Gespräch und eröffnet ganz neue, nachhaltige Bauweisen für den Bau von Kleinsthäusern bis hin zu Mehrfamilienbauten. Und zwar beim Boden, bei den Innen- und Aussenwänden, bei den Zwischendecken bis hin zum Dach können die hervorragenden, atmungs-aktiven Dämmstoffe eingesetzt werden.

Da gibt es zunächst einmal den Hanfkalk für die Aussenwände, der sehr flexibel bei verschiedensten Konstruktionen eingesetzt werden kann. Man kann den Hanf in beliebig grosse Blöcke (wie Ziegelsteine) verbauen oder auch ganze Wände und Böden massgeschneidert damit konstruieren. Hanflehm kommt wegen der hervorragenden ther-mischen Masse in den Innenwänden und im Fussbodenaufbau zur Anwendung.

Hanfwolle glänzt durch aussergewöhnliche Dämmeigenschaften bei gleichzeitig hoher Leichtigkeit und Zähigkeit. Hanfvlies wiederum ist ein guter Trittschalldämmer. Und mit dem Hanfkalk erschliessen sich ganz neue, nachhaltige Einsatzmöglichkeiten in der Bau- und Holz industrie.So kann man zum Beispiel auch ein Bauernhaus mit Holzfachwerk komplett restaurieren und die Aussenwände mit Hanfkalk abdichten. Der notabene alle Energiestandards erfüllt ohne zusätzliche Verwendung von anderen Dämmstoffen. Hanfkalk entsteht aus Hanfschäben (gehäckselte Hanfstengel) die schon als Tierstreu verwendet werden und unter Beigabe von Kalk und Wasser ergibt sich dann eine Art Naturbeton. Das Verfahren lässt sich auch mit Lehm statt mit Kalk machen, wodurch die Bauweise wiederum für viele andere Weltregioinen erschlossen werden könnte. Für ein kleines Häuschen braucht es dazu etwa zwei Tonnen Hanfschäben und –fasern, ein Einfamilienhaus benötigt schon mal 15 Tonnen Hanfschäben und vier Tonnen Hanffasern. 

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Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller

© GMC/Gerd Müller

VORWORT

Dieses Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisenregionen. Er beleuchtet das Schicksal der indigenen Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund, prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Schmetterlingseffekte der Hedge Funds und Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend Eine gelungene Mischung aus gehobener Reiseliteratur, globalem Polit-Thriller, gespickt mit abenteuerlichen Geschichten und persönlichen Essays – den Highlights seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Der Autor publizierte Hunderte von Reportagen in deutschsprachigen Tageszeitungen und Magazinen.

Es war wieder einmal eine alte „Airline-Connection“ die mich in den Libanon verfrachteten sollte, denn dorthin wollte ich schon immer. In meiner Jugend war der Libanon die «Schweiz des Nahen Ostens», eine kulturelle Hochburg im Orient, ein Schmelztiegel von Jet Set, Aussteiger und kreativen Musik-Freaks. Zudem kam von der Beeka Ebene in meinen Augen der weltbeste Shit, also Haschisch aus von Hand geernteten Hanfblüten, von feinstem Geschmack und bestem Feeling sowie besonders intensiven und wohlriechenden Geschmacksnoten versehen. Tempi passati, als ich endlich in den Libanon kam. Da war das Land bereits vom Krieg mit Israel gezeichnet und wirtschaftlich am Boden zerstört, sowie gesellschaftlich zu tiefst gespalten zwischen ethnischen Gruppen wie den Shiiten, Suniten, Drusen und Maroniten sowie anderen Minderheiten. Beirut war ein heisser Boden und eine heikle Mission, selbst für einen krisenerprobten Reporter. Das grösste Problem war, dass ich kein Wort arabisch sprach oder verstand.

Ich habe Ich habe ja schon viele Konfliktregionen besucht und das selbst kritisch heisse Phasen erlebt, aber in die Hisbollah-Quartiere vorzustossen, habe ich mich ohne entsprechende Kontakte und Verbindungen oder eine ortsvertraute Person im Hintergrund dann doch nicht getraut. Doch um Kontakte zu knüpfen, war die Zeit bis zur Abreise innert wenigen Tagen zu knapp. Ausserdem ist einer der wichtigsten Schutz-Faktoren in meiner Tätigkeit, nicht nur die Sprache der Bevölkerung zu sprechen, sondern wenn möglich gar nicht als Ausländer oder Fremdling erkannt zu werden..

Während meines kurzen Aufenthaltes wurde ich alleine drei Mal an einem Tag von der libanesischen Armee angehalten und kurz verhört und in den Hisbollah Quartieren wurde es noch ungemütlicher. Fast an jeder dritten Ecke wurde man als Ausländer angehalten und gefragt, wer man sei und was man hier wolle. Die Hisbollah ist Irans wichtigster Verbündeter im Libanon und das nicht nur aus militärischer sondern auch aus politischer Sicht, denn die Hisbollah ist zusammen mit ihren Verbündeten die wichtigste politische Kraft im implodierten Land an der Levante. Doch der Libanon dient dem Iran als militärische Front gegen Israel und das ausserhalb des eigenen Staatsgebietes. Daher ist das Assad Regime in Syrien auch ein Verbündeter und Irans einziger strategischer Partner des Irans mit starken Kräften im Libanon.

Aufgrund der prekären Sicherheitslage und ohne lokale Kontaktpersonen sowie einen angemessenen Schutz zog ich mich aus diesem Quartier zurück und kam stattdessen im Palästinenser-Flüchtlingscamp «Schatila» an. Dort zeigte mir ein Palästinenser die drei Massakerstätten. Als Massaker von «Sabra» und «Schatila» wird eine Aktion von phalangistischen Milizen , also maronitisch-katholischen Gruppen bezeichnet, die gegen die im Süden von Beirut lebenden palästinensischen Flüchtlinge gerichtet war.

Im September 1982 – mitten im libanesischen Bürgerkrieg – wurden die Flüchtlingslager «Sabra» und «Schatila» gestürmt, die zu jener Zeit von israelischen Soldaten umstellt und Hunderte von Zivilisten massakriert. Da es sich bei der Kampfhandlung um einen Konflikt zwischen christlichen Milizen und palästinensischen Kämpfern handelte, entzündete sich die internationale Empörung an der israelischen Mitverantwortung. Denn nach dem Abzug des israelischen Militärs in eine Sicherheitszone vor der israelischen Grenze übernahm Syrien die militärische Kontrolle des Gebiets rund um das Flüchtlingslager.

Da auch Syrien daran interessiert war, die im Libanon verbliebenen «PLO»-Kämpfer und palästinensischen Nationalisten zu schwächen, wurde die Lage der Menschen im Flüchtlingslager noch schlimmer. Im Zuge der Lager-Kriege verübte die schiitische Amal-Miliz im Mai 1985 ein von libanesischen und syrischen Armeeverbänden geduldetes Massaker an Zivilisten in denselben palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila. Der libanesische Bürgerkrieg dauerte noch bis 1990. Das Massaker wurde daraufhin von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. Dezember 1982 als Genozid gewertet. Soviel zu dieser tragischen Geschichte der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon.

Nachdem ich Beirut ein wenig erkundet hatte, machte ich einen Abstecher nach Byblos, das zu den ältesten Städten der Welt zählt und seit über 7000 Jahren besiedelt ist. Der Hafen wurde schon seit der Steinzeit genutzt. Berühmt wurde der Ort auch durch die Sage von Adonis, der eine Tagesreise entfernt bei der Quelle des Adonis Flusses ums Leben kam. Der Aufstieg Byblos kam mit dem Bedarf der Aegyptischen Pharaonen am libanesischen Zedernholz für ihre Schiffe.

Dann kamen die Griechen, die dem Ort den heutigen Namen gaben, als Papyrus die grösste Rolle beim Aufstieg der Phönizier spielte, weil hier das erste Alphabet entstand und Byblos daher auch zum Geburtsort der Schrift und der Bibel wurde. Nach den Asyren und Babyloniern eroberten die Perser den Raum bis Alexander der Grosse den griechischen Einfluss durchsetze. Schliesslich kamen auch die Römer in Byblos an. Eine Stadt also, die geschichtlich gesehen immer eine grosse Rolle gespielt hat und verschiedenste Einflüsse und Strömungen erlebt hat.

Wenn man bedenkt, dass der Libanon in den 70er und frühen 80er Jahren ein sehr liberales Land mit einem ausgeprägtem französischen Savoir vivre war und Beirut, als auch Teheran im Iran und Kabul in Afghanistan, Hochburgen des Vergnügens waren und des internationalen Jet-Set ebenso wie Aussteiger auf dem Weg nach Indien anzog.  Heute strahlte Beirut nur noch einen erbärmlich heruntergekommen „Katastrophen-Chick“ aus. Die Spuren der vielen Kriege und Bombenattentate sind unübersehbar und äusserst bedrückend. Als 2020 auch noch der ganze Hafen in die Luft flog und das umliegende Quartier pulverisierte, war der von einigen Clans ausgeblutete Staat total am Ende angelangt.

Zudem beherrbergt der Libanon auch noch eine weitere Last, die der über eineinhalb Millionen syrischen Flüchtlinge. Eine aussichtslose Lage für das Zedernland. Mit dem Mietauto fuhr ich von den Tempelruinen des Unesco Welterbe Byblyos nach Tripolis und dann in das Hochgebirge weiter bis nach Bsharreh zu den maronitischen Felsenklostern hoch. Für die Bekka-Ebene reichte die Zeit leider nicht. Heute ist der Libanon ein implodierter, höchst korrupter, abgehalfter Staat und die religiösen Gruppen sind zerstrittener, den je zuvor. Aber halten wir uns in Erinnerung, dass auch Europa über 150 Jahre von religiösen Konflikten erschüttert wurde bis eine säkulare Gesellschaft entstand.

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Beirut: Photo exposition from the Tel Al Zatar Massacre in the Palestinian refugie area Shatila. © GMC/Gerd Müller
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IN EIGENER SACHE: IHR BEITRAG AN HUMANITAERE PROJEKTE

Geschätzte Leserin, werter Leser

Der Autor unterstützt noch immer zahlreiche Projekte. Infolge der COVID-19 Pandemie ist es aber für den Autor selbst für und zahlreiche Projekte schwieriger geworden. Die Situation hat sich verschärft. Für Ihre Spende, die einem der im Buch genannten Projekte zufliesst, bedanke ich mich. Falls Sie einen Beitrag spenden wollen, melden Sie sich bitte per Mail bei mir gmc1(at) gmx.ch. Vielen Dank im Namen der Empfänger/innen.

Peru: Amnesty fordert ein Ende der Polizeigewalt

16. November 2020 Gegen die Proteste vom 14. November in Lima setzte die Polizei massive Gewalt ein, es gab zwei Todesopfer. Zwei junge Menschen starben infolge von Schussverletzungen, viele Demonstrierende wurden verletzt, darunter auch Medienschaffende, die über die Proteste berichteten. Die nationale Koordinationsstelle für Menschenrechte registrierte 41 verschwundene Personen.

Die Proteste in Lima forderten am Samstag, 14. November, zwei Todesopfer. Es handelt sich dabei um zwei junge Menschen, die infolge von Schussverletzungen starben. Das Gesundheitsministerium hat bis dahin 94 Verletzte im Zusammenhang mit den Demonstrationen gezählt, darunter finden sich auch mindestens vier Medienschaffende, die über die Proteste berichteten. Die nationale Koordinationsstelle für Menschenrechte registrierte 41 verschwundene Personen.

«Die politische Krise in Peru wird auch zu einer Menschenrechtskrise, indem die Proteste mit Gewalt niedergeschlagen werden. Die Behörden müssen den Schutz der Bevölkerung über jegliche politische Interessen stellen», sagt Marina Navarro, Direktorin von Amnesty Peru. Amnesty International betont, dass die Rolle von JournalistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen in diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung ist, und verurteilt die Berichte über Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Mitglieder des Nationalen Koordinierungsausschusses für Menschenrechte auf das Schärfste.

«Die politische Krise in Peru wird auch zu einer Menschenrechtskrise, indem die Proteste mit Gewalt niedergeschlagen werden. Die Behörden müssen den Schutz der Bevölkerung über jegliche politische Interessen stellen.» Marina Navarro, Direktorin von Amnesty Peru

Nach eingehender Untersuchung und Verifikation von audiovisuellem Material, hat Amnesty International festgestellt, dass die Polizei exzessive und unverhältnismässige Gewalt zur Eindämmung der Kundgebungen angewendet hatte. Dabei haben die Sicherheitskräfte Tränengas, Schrotkugeln und andere Feuerwaffen eingesetzt. Ein Video vom 12. November zeigt, wie Polizeibeamte direkt in eine Menschenmenge feuern, ein anderes wie ein Beamter seine Kollegen mit dem Ruf «töten ihn, tötet ihn» anfeuert.  Weiter gibt es Berichte über willkürliche Verhaftungen durch die Nationalpolizei, die in Zivil agierte und sich weigerte, sich auszuweisen.

Die Nationalpolizei berichtet über elf Verletzte in ihren Reihen und informiert, dass es zur Festnahme von Personen kam wegen «Unruhestiftung, Aggression und Widerstand gegen die Staatsgewalt», jedoch ohne eine genaue Zahl zu nennen.

Amnesty International fordert von der Staatsanwaltschaft, dass diese eine umfassende und unabhängige Untersuchung zu den oben beschriebenen Vorkommnissen einleitet. Die Organisation fordert ausserdem, dass die Unterdrückung von Protesten mit Gewalt umgehend beendet wird und erinnert daran, dass die Menschen ein Recht auf friedlichen Protest haben. Letztlich ruft sie die Justizbehörden dazu auf, das im März 2020 verabschiedete und von Amnesty kritisierte «Polizeischutz»-Gesetz nicht anzuwenden, da dieses internationalen Standards zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Fällen von Polizeigewalt nicht genügt.

Grundrechte und Rechtsstaat auf Kollateralschaden-Kurs

Die Eingriffe des Staates werden nicht nur durch Covid-19 sondern auch durch das umstrittene Antiterror-Gesetz noch verschärft, die Grundrechte mit Füssen getreten, so sehen es Menschenrechtsorganisationen. Bild: GMC/Gerd Müller

Bern – Die Mehrheit des Parlaments hat die umstrittenen Antiterror-Gesetze in der Schlussabstimmung angenommen und nimmt damit die Kollision mit Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien in Kauf. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz wird die Anwendung der Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen.

Trotz scharfer Kritik an den Vorlagen im Parlament sowie von Organisationen und Fachpersonen aus dem In- und Ausland, hat die Mehrheit der Parlamentarier*innen den beiden Gesetzen zugestimmt. Bedenklich ist dabei die politische Polarisierung im Parlament.

«Es ist enttäuschend, dass die bürgerlichen Parteien heute offenbar bereit sind, die Prinzipien des liberalen Rechtstaates über Bord zu werden», stellt Patrick Walder von Amnesty International fest. «Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien gehören zu den Fundamenten einer freiheitlichen Rechtsordnung. Sie zu schwächen bringt keine Sicherheit, sondern öffnet der Willkür Tür und Tor.»

Kritik von Fachpersonen aus dem In- und Ausland

Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz hatte bereits letztes Jahr Änderungen an beiden Vorlagen gefordert, damit die Gesetze den in der Schweiz garantierten Grund- und Menschenrechten entsprechen. In den letzten Monaten kam weitere Kritik von verschiedenen Seiten dazu: Stellungnahmen der Menschenrechtsbeauftragen des Europarates, der Uno-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, der Schweizer Mitglieder des Uno-Ausschusses für die Rechte des Kindes und des Netzwerk Kinderrechte Schweiz sowie zuletzt ein offener Brief von über sechzig Rechtsprofessor*innen von allen Schweizer Universitäten.

«Internationale und nationale Organisationen haben bestätigt: Diese Gesetze bedrohen die Grund- und Menschenrechte. Schweizer Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren kamen zum gleichen Schluss. Aber die Mehrheit des Parlaments liess sich von den Fachpersonen nicht beirren und setzte auf symbolische Law and Order-Politik», erklärt Patrick Walder.

Die Grundrechte werden mit dem umstrittenen Antiterrorgesetz massiv verletzt. Bild: GMC Photopress/Gerd Müller
Vage Definition mit weitreichenden Folgen

Mit der extrem weit gefassten Definition kann selbst eine friedliche und legitime politische Betätigung als «terroristische Aktivität» verfolgt werden.

Als «terroristische Aktivität» gilt fortan in der Schweiz die «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung», die «mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt» werden sollen. Gewalt-, die Androhung von Gewalt oder Straftaten werden nicht mehr vorausgesetzt, um eine Aktivität als «terroristisch» zu qualifizieren. Mit dieser extrem weit gefassten Definition kann selbst eine friedliche und legitime politische Betätigung als «terroristische Aktivität» verfolgt werden.

Die Gesetze brechen zudem mit der bewährten Tradition der Schweiz, Organisationen nur aufgrund eines Uno-Beschlusses zu verbieten und sie ansonsten bloss für ihre (illegalen) Taten strafrechtlich zu verfolgen. Neu werden Richter*innen entscheiden, ob eine Organisation als terroristisch – und damit als verboten – einzustufen ist. Jegliche Unterstützung einer als verboten deklarierten Organisation, auch in ihrer nichtkriminellen Tätigkeit, kann zukünftig strafrechtlich geahndet werden.

«Diese Gesetze werden Probleme schaffen für die politische Neutralität der Schweiz und für die Schweizer Rolle als Mediatorin in Konflikten», kritisiert Patrick Walder. «Sie verschaffen der Schweiz nicht mehr Sicherheit, sondern mehr aussenpolitische Schwierigkeiten. Die Schweiz begibt sich so auf einen gefährlichen Weg in der Terrorbekämpfung, in dem sämtliche Mittel als gerechtfertigt erscheinen und Unrecht mit Unrecht bekämpft wird.»

Amnesty International und die NGO-Plattform Menschenrechte werden die Anwendung der Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Libanon: Flüchtlingsfrauen sind Opfer von sexueller Ausbeutung und Gewalt

Palästinesiche Flüchtlingsfrauen in Camp Schatila in Beirut. Palestinian refugie women in Schatila camp in Beirut, where around 300'000 refugies are living,

Flüchtlingsfrauen sind auch im Libanon vermehrt Opfer von sexueller Gewalt und Ausbeutung.  © GMC Photopress, Gerd Müller

Der Mangel an internationaler Unterstützung und eine Politik der Diskriminierung seitens der libanesischen Behörden führen dazu, dass weibliche Flüchtlinge im Libanon vermehrt sexueller Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind. Das stellt Amnesty International in ihrem jüngsten Bericht «‘I want a safe place‘: Refugeee women from Syria uprooted and unprotected in Lebanon» fest.

Die Weigerung der libanesischen Behörden, Aufenthaltsbewilligungen zu verlängern sowie die Kürzung der finanziellen Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft führen dazu, dass weibliche Flüchtlinge zunehmend in prekäre Situationen kommen. Das Risiko der Ausbeutung ist für sie beträchtlich gestiegen, sei es durch Vermieter, Arbeitgeber und sogar durch Polizeibeamte.

Schatila Palestinian Refugie Camp in Beirut. Beirut: Das Palästinenser-Flüchtlingscamp Schatila

Neben den syrischen Flüchtlingen gibt es auch noch mehrere Palästinenser-Flüchtlingscamps wie Schatila. Bild: GMC Photopress/Gerd Müller

Seit 2015 verhindert die libanesische Regierung, dass das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) weiterhin syrische Flüchtlinge im Libanon registriert. Zudem haben die Behörden neue Regelungen erlassen, die es den Flüchtlingen erschweren, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern. Ohne offiziellen legalen Status steigt die Gefahr für Flüchtlinge, willkürlich verhaftet, eingesperrt oder sogar ausgewiesen zu werden. Das führt dazu, dass viele es nicht wagen, Misshandlungen und Ausbeutung bei der Polizei zu melden.

Bei 20 Prozent der Flüchtlingsfamilien, die im Libanon leben, sorgen allein die Frauen für den Lebensunterhalt, weil ihre Männer in Syrien entweder getötet, verhaftet, entführt oder an einen unbekannten Ort verschleppt wurden.

Bei 20 Prozent der Flüchtlingsfamilien, die im Libanon leben, sorgen allein die Frauen für den Lebensunterhalt.

Schatila Palestinian Refugie Camp in Beirut. Beirut: Das Palästinenser-Flüchtlingscamp Schatila

Offiziell hat die libanesische Regierung 546’000 syrische Flüchtlinge aufgenommmen. Aber 500’000 Personen wurden von der Uno noch nicht registriert. BIld: GMC Photopress

«Die meisten syrischen Flüchtlinge im Libanon kämpfen unter schlimmsten Bedingungen um das Überleben. Sie leiden unter Diskriminierung und haben es schwer, an Lebensmittel, eine Unterkunft oder gar einen Job zu kommen. Für weibliche Flüchtlinge ist die Situation besonders schwer. Wenn sie alleine für ihre Familie sorgen müssen, werden sie häufig bedroht, ausgebeutet oder missbraucht, sowohl bei der Arbeit als auch auf der Strasse», sagt Kathryn Ramsay, bei Amnesty International verantwortlich für Gender Research.

Armut und Ausbeutung

Zählen zu den Ärmsten: Die Palästinensischen Flüchtlinge im Lager Schatila.Belong to the poorest: The palestinian refugies in Beirut-City

Zählen zu den Ärmsten: Die Palästinensischen Flüchtlinge im Lager Schatila. Bild: GMC Photopress/Gerd Müller

Rund 70 Prozent der syrischen Flüchtlingsfamilien im Libanon leben deutlich unter der libanesischen Armutsgrenze. Die humanitäre Hilfe der Uno für syrische Flüchtlinge war im vergangenen Jahr systematisch unterfinanziert. 2015 hat die Uno nur 57 Prozent der finanziellen Unterstützung erhalten, die sie für ihre Arbeit im Libanon angefordert hatte. Diese Unterfinanzierung hat vor allem das Welternährungsprogramm getroffen und dazu geführt, dass die Lebensmittel-Unterstützung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ab Mitte 2015 von 30 US-Dollar auf 13,50 US-Dollar pro Monat gekürzt werden musste. Nach einer Finanzspritze gegen Ende des Jahres konnte die Unterstützung wieder auf 21,60 US-Dollar im Monat angehoben werden, das macht pro Tag aber gerade einmal 72 Cent. Ein Viertel der Frauen, mit denen Amnesty International sprechen konnte, bekam im vergangenen Jahr keine Lebensmittelhilfe mehr.

Ein Viertel der Frauen bekam im vergangenen Jahr keine Lebensmittelhilfe mehr. Sie sind einem erhöhten Missbrauchsrisiko ausgesetzt.

Viele weibliche Flüchtlinge berichten, dass sie hart kämpfen müssen, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten im Libanon zu bestreiten. Sie sind einem erhöhten Missbrauchsrisiko ausgesetzt, weil sie es schwer haben, Geld für Essen und Unterbringung zu beschaffen. Einige berichten von sexuellen Annäherungsversuche seitens Männern oder Angeboten, «Hilfe» mit Sex zu bezahlen. Frauen, denen es gelungen ist, einen Job zu ergattern, werden häufig von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und müssen sich in diesem Klima der Diskriminierung oft mit extrem schlechter Bezahlung zufrieden geben.

Leben in der Illegalität

Beirut: Im palästinensischem Flüchtlingszentrum Schatila leben weit übr 100'000 Personen. The palestinian refugie camp Schatila in Beirut-City, where areound 300'000 poor people are living

Beirut: Im palästinensischem Flüchtlingszentrum Schatila leben weit über 150’000 Personen. Bild: GMC Photopress

Die bürokratischen Hürden für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wurden im Januar 2015 von den libanesischen Behörden erhöht. Ohne diese Bewilligung leben die Flüchtlinge in ständiger Angst vor Verhaftung und gehen deshalb nicht zur Polizei, um Missbrauch anzuzeigen. Das betrifft besonders weibliche Flüchtlinge.

Im Libanon leben mehr Flüchtlinge pro Einwohner als in jedem anderen Land. Die internationale Gemeinschaft hat versagt, das Land bei der Bewältigung dieser Aufgabe zu unterstützen. Das ist trotz allem keine Entschuldigung dafür, Flüchtlingen Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch zu verweigern.

«Statt ein Klima der Angst und Einschüchterung zu schüren, sollten die libanesischen Behörden ihre Politik revidieren und dafür Sorge tragen, dass Frauen auf der Flucht besser geschützt werden und alle Flüchtlinge im Libanon ihre Aufenthaltsbewilligung ohne bürokratische Hindernisse verlängern können», sagt Kathryn Ramsay.

Internationale Unterstützung dringend erforderlich

Beirut: Palestinian refugie boy shooting at enemies in Shatila. Ein palästinensischer Junge mit einer Spielzeugwaffe im Anschlag im Flüchtlingscamp Schatila.

Ein palästinensischer Junge mit einer Spielzeugwaffe im Anschlag. Bild: GMC Photopress/Gerd Müller

Die mangelnde internationale Finanzierung und Unterstützung für Flüchtlinge im Libanon ist ein entscheidender Faktor für die grosse Armut und das steigende Risiko der Ausbeutung für Frauen auf der Flucht. Das Uno-Flüchtlingshilfswerk geht davon aus, dass 10 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Gastländern, also rund 450‘000 Menschen, als besonders verletzlich gelten und deshalb dringend auf einen Wiederansiedlungsplatz ausserhalb der Region angewiesen sind. Dazu zählen Frauen und Kinder.

Amnesty International ruft die internationale Gemeinschaft deshalb auf, deutlich mehr Plätze für die besonders verletzlichen Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, damit sie sich in einem sicheren Land niederlassen können. Ausserdem müssen sichere und legale Wege geschaffen werden, damit diese Menschen die Region verlassen können, ohne ihr Leben zu riskieren. Die finanzielle Unterstützung für die Region muss deutlich aufgestockt werden. Die Geberkonferenz für Syrien für die Jahre 2016 und 2017 bietet dafür eine gute Gelegenheit.

Burkhalter im Kampf gegen Menschenhandel in Europa und Asien

Bern, 24.11.2015 – Am Menschenrechtsseminar des Asien-Europa-Treffens (Asia Europe Meeting, ASEM) zum Thema „Menschenrechte und Menschenhandel“ in Montreux hat Bundesrat Didier Burkhalter den Menschenhandel als gravierenden Verstoss gegen die Menschenrechte verurteilt. Ein gemeinsames Vorgehen könne den internationalen Menschenhandel eindämmen, sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA. Die Bekämpfung des Menschenhandels steht im Zentrum des 15. ASEM-Menschenrechtsseminars. Die Schweiz ist dieses Jahr Gastgeberin dieser Plattform des ASEM zur Förderung der Menschenrechte und wird danach dem Seminar als Partner beitreten.

Je nach Schätzung fallen weltweit jährlich etwa 2.4 Millionen Personen dem Menschenhandel zum Opfer, wobei Frauen und Kinder besonders betroffen sind. Präzise Angaben zu Opferzahlen sind schwierig, da Menschenhandel typischerweise im Verborgenen stattfindet und deshalb nie alle Fälle Eingang in die offiziellen Statistiken finden. Menschenhändler nützen die Armut und Perspektivlosigkeit ihrer Opfer aus und schrecken dabei auch vor Gewalt, Drohung, Nötigung und Täuschung nicht zurück, um die Opfer sexuell auszubeuten, ihre Arbeitskraft auszunutzen oder ihnen Körperorgane zu entnehmen. Auch die Schweiz ist als Ziel- und Transitland von Menschenhandel betroffen. 2014 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik 46 Fälle erfasst und 15 Urteile wegen Menschenhandel gefällt.

Menschenhandel stelle eine schwere Verletzung der Menschenrechte dar, sagte Bundesrat Didier Burkhalter bei der Eröffnung des 15. Menschenrechtsseminars des ASEM. „Den Opfern des Menschenhandels wird das Recht auf Selbstbestimmung genommen, und sie werden gehandelt und benutzt wie Waren.“ Dadurch würden sie ihrer Menschenwürde beraubt. Um den Menschenhandel einzudämmen, müssten die Menschenhändler verfolgt und die Opfer unterstützt werden, fügte der Vorsteher des EDA an. „Wir können mehr tun, um die Ursachen des Menschenhandels zu bekämpfen, und so präventiv gegen dieses ruchlose Verbrechen vorgehen“, sagte Bundesrat Burkhalter und rief die Mitglieder des ASEM auf, enger zusammenarbeiten, Erfahrungen auszutauschen und die internationalen Standards umzusetzen. „Gemeinsam können wir die Situation verbessern und die dafür notwendigen Schritte machen.“ Die Schweiz stehe ihrerseits im Kontakt mit möglichen Herkunfts- und Transitstaaten von Opfern des Menschenhandels und unterstütze etwa im Westbalkan Projekte, um die Situation besonders verletzlicher Gruppen zu verbessern und sie so zu stärken.

Nationales und internationales Engagement der Schweiz gegen den Menschenhandel

Neben einem nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, den die Schweiz seit 2012 umsetzt und der die Pfeiler Prävention, Strafverfolgung, Schutz der Opfer und Stärkung der internationalen Partnerschaften umfasst, unterstützt die Schweiz auf multilateraler Ebene unter anderem die Initiative der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zum Schutz von Hausangestellten in diplomatischen Haushalten. Ein Handbuch zu diesem Thema wurde während des letztjährigen OSZE-Vorsitzes fertiggestellt und veröffentlicht. Im Rahmen der Staatenkonferenz zur UNO-Konvention gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (UNTOC) hat die Schweiz eine diplomatische Initiative lanciert, die eine Klärung der internationalen Definition von Menschenhandel und die Schaffung von Umsetzungsstandards zum Ziel hat.
Die Schweiz ist ausserdem im Bereich Prävention von Menschenhandel und Schutz von Opfern in Osteuropa, Balkan, Asien, Westafrika, Nordafrika, Horn von Afrika und Naher Osten tätig. Dabei werden einerseits spezifische Programme zu Menschenhandel umgesetzt, andererseits tragen auch Programme im Bereich Arbeitsmigration zur Vorbeugung von Menschenhandel – insbesondere Zwangsarbeit – und zum Schutz von Opfern bei. So unterstützt die Schweiz im Rahmen ihres Engagements zur Bekämpfung des Menschenhandels zum Beispiel in Serbien den Aufbau entsprechender Kapazitäten, um die Prävention und die Bekämpfung vor Ort zu verbessern und die Opfer besser schützen zu können. In Thailand beteiligt sich die Schweiz unter anderem an der Entwicklung von Bildungs- und Sensibilisierungsprogrammen gemeinsam mit den regionalen Schulbehörden.

Schweiz wird Partner des ASEM-Menschenrechtsseminars

Am 15. Menschenrechtsseminar des ASEM, der (informellen) Plattform der Organisation zur Förderung der Menschenrechte, nehmen vom 24. bis 26. November 2015 in Montreux rund 130 Vertreter von Regierungen und Behörden sowie der Zivilgesellschaft der 53 ASEM-Partner teil. Bundesrat Burkhalter kündigte an, dass die Schweiz, Gastgeberin des diesjährigen Menschenrechtsseminars, danach diesem Seminar als Partner beitreten werde, um die Durchführung und den Inhalt zukünftiger Seminare mit vorzubereiten. „Diese Partnerschaft ist ein Beispiel für das politische Engagement der Schweiz als Mitglied des ASEM und unterstreicht zugleich das Engagement der Schweiz für die Förderung der Menschenrechte“, sagte Bundesrat Burkhalter.