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Südafrika 94: IKRK-Einsätze im «ANC-IFP» Bürgerkrieg

AUSZUG AUS DEM BUCH «DAS PENDEL SCHLÄGT ZURÜCK POLITISCHE & ÖKOLOGISCHE METAMORPHOSEN» DES ZÜRCHER FOTO-JOURNALISTEN GERD MICHAEL MÜLLER

Der HIV-Waisenkinderchor von Oa Hera bei Maltahöhe im Süden Namibias

VORWORT

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transformationsprozesse. Müller prangert den masslosen Kon-sum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahr-lässigkeit und politische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für namhafte Medien rund 30 Länder. Ein Mix aus spannenden Polit-Thrillern, tieferen Einsichten und tollen Bekanntschaften und Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten. Eine nicht alltägliche Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell als auch ökologisch und politisch versierten GlobetrotterInnen.

IKRK-Einsätze im «ANC-IFP» Bürgerkrieg

Das IKRK protokolliert die Geschehnisse und die Toten und Verwundeten oder Verschwundenen © GMC

Nach dem das Apartheid-Regime durch den UNO-Boykott und den südafrikanischen Widerstand zusammenbrach, kam es zu einem erbittertem Machtkampf zwischen dem «ANC» (African National Congress) und Buthelezi`s «IFP» (Inkhata Freedom Party). Der Bürgerkrieg forderte X-tausend Opfer und machte Zehntausende zu Flücht-ingen. Eine weitere Tragödie, denn zuvor hatte das weisse Regime im Zuge der Rassentrennung Hundertausende von schwarzen Menschen wie Vieh zwangsumgesiedelt. Nun gab es wieder eine Welle von Vertriebenen im Land und Grabenkämpfe unter den Schwarzen. Es war eine erklärte Strategie, der abtretenden, beziehungsweise gefähr-deten Machthabern, mit allen Mittel Zwietracht unter den Schwarzen zu säen und so hat das Botha-Regime Buthelzi als Gegenkandidat zu Mandela aufzustellen. Alle Mittel der Destabilisierung wurden angewandt und die Saat ging auf. Der darauf folgende Bürgerkrieg war fürchterlich.

Südafrika: Red Cross ICRC Ambulances
South Africa: Red Cross / ICRC Ambulances in Zamokhule, one of the riot hot spots at this time. © GMC

Im Südafrika der Nach-Apartheid beschäftigten die Menschen vor allem eins: die ständig wachsende Gewalt-Kriminalität. Hatte die Polizei früher in erster Linie die Verfolgung politischer Gegner zum Ziel, fochten die Sicherheitskräfte und Politiker nun einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Brutalität der Kriminalität aus. Der «Taxi-/Minibus-Krieg» in Durban forderte seit Jahren zahlreiche unschuldige Menschenleben. In Kapstadt tobte ein Bandenkrieg unter 80000 Jugendlichen, auch Johannesburg wurde Schauplatz zahlreicher Verbrechen. Als Tourist oder Geschäftsreisender spürte man die «Atmosphäre der Angst» intensiv. Die Polizeikräfte operierten wie paramilitärische Organisationen und hatten einen üblen Ruf, in den jeweiligen Städten.

Die Arbeitslosigkeit betrug fast 40 Prozent und liess so die weit verbreitete Armut und die Kriminalität in die Höhe schnellen, begünstigt durch die Ohnmacht und Korruption des mit sich selbst beschäftigten Justiz- und Polizei-apparates, der im Zuge des radikalen Umbaus gelähmt war. Täglich wurden in Südafrika über 60 Menschen, also jährlich insge-samt gegen 20‘000 Personen umgebracht. Südafrikas Gefängnisse platzten aus allen Nähten. Strafuntersuchungen bleiben jahrelang unbearbeitet liegen. Auch Jugendliche unter 14 Jahren waren vielfach lange Zeit inhaftiert.

Südafrika: Poolsmoor Jail 805
Mit einer UN-Sonderkommission auf Inspektion im Poolsmoor Jail in Kapstadt. © GMC

Ende 1993begleitete ich einen Freund von mir, Daniel S., der als IKRK-/Rotkreuz Südafrika-Delegierter in Johannesburg stationiert war, auf seiner Reise in die Flüchtlingslager, um die dortige Lage zu sondieren, den Opfern zu helfen und die Friedensbemühungen zur Stabilisierung des Landes im Hinblick auf eine demokratische Verfassung und Regierung der «Regenbogen-Nation» zu unterstützen. Wir fuhren zu den damaligen Hotspots «Margate» und «Ladysmith», «Ezakhweni» und «Emphangeni», «Mfung» und «Obizo» sowie «Empendle» protokollierten die abgebrannen Häuser und die Toten, führten Gespräche mit Hinterbliebenen und versuchten zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln.

Eine schwierige, wenn nicht fast aussichtslose Aufgabe. 1994 kam es zu einem weiteren interessanten Treffen, mit Miss South Africa Basetsana Kumalo und an ihrer Seite Kwezi Hani, die junge Tochter von Chris Hani, der gerade ermordet worden war. Chris Hani war Generalsekretär der South African Communist Party (SACP), ein hochrangiges Mitglied des «ANC» sowie Stabschef von dessen be-waffnetem Arm «Umkhonto we Sizwe» (MK).

Als sich in den frühen 1990er Jahren das Ende der Apartheid abzeichnete, war er im «ANC» nach Nelson Mandela eine der beliebtesten Führungsfiguren. Hani wurde im April 1993 von dem polnischen Einwanderer Janusz Waluś ermordet. Dahinter stand ein Komplott, dessen Drahtzieher der ehemalige Parlamentsabgeordnete Clive Derby-Lewis von der Konserwatiewe Party war. Ziel war es, den Verhandlungs-prozess, der zur Beendigung der Apartheid führen sollte, zu zerstören.

Ein teuflischer Plan, der aufging. Das Treffen mit Basetsane fand in einem Spielcasino statt und wurde offensichtlich beobachtet. Es war ja auch eine brandheisse Zeit und die Bespitzelung politischer Akteure und deren Familien und Umfeld eine wohlbekannte Tatsache. Und so wurde auch ich zur Observationszielscheibe. Erst versuchte ein Schwarzer und später zwei Weisse Herren mich unauffällig diskret aber mit Nachdruck auszufragen. Und eine weitere illustre Person versuchte mich dann sogar in Gabarone, also in Botswana zu kontaktieren und in Südafrikas interne Machtkämpfe zu involvieren. Ich lehnte alle Annäherungs-versuche ab und kam so ungeschoren aus den Wirren der politischen Machtkämpfe davon.

Nelson Mandela im Dolder Hotel Zürich bei seinem ersten Staaatsbesuch. © GMC

Im Februar 1996 begann die von Mandela eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) unter Leitung des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu. mit der Aufarbeitung der Verbrechen zur Zeit der Apartheid. Die wurde vor allem zur Abrechnung und Demon-tage von Winnie Mandela genutzt, die in diesen Jahren nach Madibas Freilassung viel mehr gelitten hatte und härter kämpfen musste, als ihr Mann. Es war die damalige ANC-Spitze, die beschloss Winnie müsse sich von Nelson trennen um ihm die Wahl zum Präsidenten zu sichern. Winnies Stern stand immer unter dem Nelsons, aber sie war die eigentliche Powerfrau, die während seiner Haftzeit Mandelas Augen und Ohren waren und sie war es, die die Massen mobilisierte.

Einigen Gruppen gingen die in Mandelas Amtszeit erreichten sozialen Verbesserungen auch in Bezug auf die AIDS-Krise, nicht weit genug. Kritiker bemängelten ebenso, dass die Verbrechen des Apartheid-Regimes nicht strafrechtlich genug gesühnt wurden. Kinder unter sechs Jahren, schwangere und stillende Mütter erhielten zum ersten Mal eine kosten-lose Gesundheitsfürsorge; 1996 wurde die Gesundheitsfürsorge für alle Südafrikaner kostenfrei. Mit dem «Land Restitution Act» (1994) und dem «Land Reform Act 3» (1996) wurden Schritte zu einer Landreform unternommen. Während seiner Amtszeit wurden zahlreiche Gesetze der Apartheid-Zeit widerrufen, Armee und Polizei wurden neu aufgestellt.

Das Besuchszimmer sieht recht ordentlich aus. Doch das Gefängnis ist völlig überbelegt. © GMC

Im Rahmen meines humanitären Engagements in Südafrika konnte ich dank dem Zulu-Heiler Credo Vusama Mutwa 1997 auch das Pollsmoor-Gefängnis in Kapstadt (in dem Nelson Mandela die letzten Jahre seiner Haft verbrachte) mit einem kanadischen UN-Gesundheitsinspektorenteam besuchen. In dem für 3‘000 Häftlinge konzipierten Gefängnis waren rund 7‘000 Häftlinge inhaftiert. Fast 30% der Insassen waren damals HIV-positiv und viele Häftlinge wurden jahrelang ohne Anklage festgehalten, etliche verstarben. Es waren schockierende Zustände, die wir da antrafen. Ein Esslöffel als Kostprobe in der Gefängnisküche reichte aus, dass ich hernach Staphy-lokokken und Streptokokken hatte. Pädagogisch befremdend war auch, dass es im Kinderspielzimmer einzig eine Plastik-Schusswaffe als Spielzeug gab. So züchtet man von Kindesbeinen an eine neue nachwachsende Generation von Armut getriebener Krimineller heran.

Vusama Credo Mutwa, der zweithöchste Zulu-Sangoma ist ein sehr weiser und gütiger Mann

Den Zulu-Sangoma, Bantu-Schriftsteller & Historiker Credo Vusama Mutwa lernte ich im «Shamwari Game Reserve» kennen zusammen mit Dr. Jan Player, dem Rhinozeros-Retter und «Wilderness-Leadership-School»-Gründer. Die ganze Nacht über erzählte mir der gebildete Mensch die spirituellen Geheimnisse und ethnischen Zusammenhänge sowie kulturellen Eigenschaften und Besonderheiten der Bantu-Völker von Nord- bis Südafrika. Auch war er der erste, der den Klimawandel erkannte und mir erklärte, was es für die Völker und Regionen bedeutet, wenn der eine oder andere Käfer, diverse Insekten, die Schildkröten oder andere Wildtierarten und Meeressäuger aussterben und das zu Dürren und Plagen führe. In prophetischer Weitsicht hat Credo die Konflikte erkannt die daraus entstehen würden sowie es auch bei Staudamm-Projekten immer wieder zu Konflikten kommt, weil das ja die Lebensgrundlage vieler Menschen in mehreren Ländern verändert. Auch die Plagen wie wir sie in den letzten 20 Jahren erleben, hat er voraus gesagt. Und das gute 10 Jahre vor dem erste «IPPC»-Klimabericht.

Nur war ich gerade mit meiner Tochter und ihrer Mutter unterwegs und hatte noch Termine und Treffen bezüglich Wildlife- und Ökoprojekte und konnte nicht hier bleiben, um Credo beim «Kaya Lendaba» zu helfen. Ich war hin und her gerissen. Der Zulu-Heiler wollte die Wunden der Regenbogennation heilen und beim «Shamwari Game Reserve» ein multikulturelles Dorf bauen, in dem alle südafrikanischen Ethnien vertreten sein würden. Es sollte als Leuchtpfahl für die Wiedervereinigung Südafrikas dienen und helfen, die Konflikte zu beenden.

Das Dorf Kaya Lendaba sollte die Stämme der Regenbogennation zusammenführen. © GMC

Gerne hätte ich die Ausbildung zu einem «Sangoma», also einem Heiler gemacht, da Credo mir die Qualifikationen und die geistig-spirituelle Weltsicht zutraute. Dies erfüllte mich mit Stolz und wäre wohl eine wegweisende Weiche in meinem Leben gewesen, denn ursprünglich wollte ich auch mal als Game Ranger in einem dieser neu entstehenden Wildlife-Reservate arbeiten. Ich konnte mir nichts Schöneres vor stellen, als Wildlife-Manager in einem intakten und geschützten oder schützenswerten Umfeld zu arbeiten. Daher reiste ich immer wieder nach Botswana, Südafrika und Namibia, um mir einen Teil dieses Traums zu erfüllen und es war immer ein grossartiges Gefühl im Busch und in der Wildnis unterwegs zu sein.

Nach den Freveln des Apartheidregimes kam eine neue schwarze Elite, die sich an Südafrika ebenso schamlos bereicherten, wie ihre weissen Vorgänger. Hier zwei Beispiele:

Headerbild Südafrika Township Soweto 499
Township Soweto © GMC

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