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Grundrechte und Rechtsstaat auf Kollateralschaden-Kurs

Die Eingriffe des Staates werden nicht nur durch Covid-19 sondern auch durch das umstrittene Antiterror-Gesetz noch verschärft, die Grundrechte mit Füssen getreten, so sehen es Menschenrechtsorganisationen. Bild: GMC/Gerd Müller

Bern – Die Mehrheit des Parlaments hat die umstrittenen Antiterror-Gesetze in der Schlussabstimmung angenommen und nimmt damit die Kollision mit Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien in Kauf. Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz wird die Anwendung der Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen.

Trotz scharfer Kritik an den Vorlagen im Parlament sowie von Organisationen und Fachpersonen aus dem In- und Ausland, hat die Mehrheit der Parlamentarier*innen den beiden Gesetzen zugestimmt. Bedenklich ist dabei die politische Polarisierung im Parlament.

«Es ist enttäuschend, dass die bürgerlichen Parteien heute offenbar bereit sind, die Prinzipien des liberalen Rechtstaates über Bord zu werden», stellt Patrick Walder von Amnesty International fest. «Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien gehören zu den Fundamenten einer freiheitlichen Rechtsordnung. Sie zu schwächen bringt keine Sicherheit, sondern öffnet der Willkür Tür und Tor.»

Kritik von Fachpersonen aus dem In- und Ausland

Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz hatte bereits letztes Jahr Änderungen an beiden Vorlagen gefordert, damit die Gesetze den in der Schweiz garantierten Grund- und Menschenrechten entsprechen. In den letzten Monaten kam weitere Kritik von verschiedenen Seiten dazu: Stellungnahmen der Menschenrechtsbeauftragen des Europarates, der Uno-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, der Schweizer Mitglieder des Uno-Ausschusses für die Rechte des Kindes und des Netzwerk Kinderrechte Schweiz sowie zuletzt ein offener Brief von über sechzig Rechtsprofessor*innen von allen Schweizer Universitäten.

«Internationale und nationale Organisationen haben bestätigt: Diese Gesetze bedrohen die Grund- und Menschenrechte. Schweizer Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren kamen zum gleichen Schluss. Aber die Mehrheit des Parlaments liess sich von den Fachpersonen nicht beirren und setzte auf symbolische Law and Order-Politik», erklärt Patrick Walder.

Die Grundrechte werden mit dem umstrittenen Antiterrorgesetz massiv verletzt. Bild: GMC Photopress/Gerd Müller
Vage Definition mit weitreichenden Folgen

Mit der extrem weit gefassten Definition kann selbst eine friedliche und legitime politische Betätigung als «terroristische Aktivität» verfolgt werden.

Als «terroristische Aktivität» gilt fortan in der Schweiz die «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung», die «mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklicht oder begünstigt» werden sollen. Gewalt-, die Androhung von Gewalt oder Straftaten werden nicht mehr vorausgesetzt, um eine Aktivität als «terroristisch» zu qualifizieren. Mit dieser extrem weit gefassten Definition kann selbst eine friedliche und legitime politische Betätigung als «terroristische Aktivität» verfolgt werden.

Die Gesetze brechen zudem mit der bewährten Tradition der Schweiz, Organisationen nur aufgrund eines Uno-Beschlusses zu verbieten und sie ansonsten bloss für ihre (illegalen) Taten strafrechtlich zu verfolgen. Neu werden Richter*innen entscheiden, ob eine Organisation als terroristisch – und damit als verboten – einzustufen ist. Jegliche Unterstützung einer als verboten deklarierten Organisation, auch in ihrer nichtkriminellen Tätigkeit, kann zukünftig strafrechtlich geahndet werden.

«Diese Gesetze werden Probleme schaffen für die politische Neutralität der Schweiz und für die Schweizer Rolle als Mediatorin in Konflikten», kritisiert Patrick Walder. «Sie verschaffen der Schweiz nicht mehr Sicherheit, sondern mehr aussenpolitische Schwierigkeiten. Die Schweiz begibt sich so auf einen gefährlichen Weg in der Terrorbekämpfung, in dem sämtliche Mittel als gerechtfertigt erscheinen und Unrecht mit Unrecht bekämpft wird.»

Amnesty International und die NGO-Plattform Menschenrechte werden die Anwendung der Gesetze kritisch verfolgen und die Rechte von betroffenen Personen auch juristisch verteidigen, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Annahme von zehn Resolutionen an der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz

Angehörige des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe entladen zusammen mit Bewohnern der Insel Leyte auf den Philippinen einen Lastwagen mit Gütern der Humanitären Hilfe

Besserer Zugang zu humanitärer Hilfe war eines der Schwerpunktthemen der Konferenz. © EDA

Die 32. Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz ging heute mit der Verabschiedung von zehn Resolutionen zu Ende, die die humanitäre Agenda der nächsten Jahre beeinflussen werden. Die Schweiz begrüsst es, dass Beschlüsse gefasst werden konnten zur Stärkung des humanitären Völkerrechts, eines der derzeit dringlichsten Anliegen.

Die 32. Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz, die vom 8. bis zum 10. Dezember 2015 in Genf tagte, fand vor dem Hintergrund besonders blutiger bewaffneter Konflikte statt, die interne Vertreibungen und Migrationsbewegungen in einem Ausmass zur Folge haben, wie wir es seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt haben. Die Konferenz findet alle vier Jahre in Genf, der Wiege des humanitären Völkerrechts, statt. Dieses Jahr nahmen rund 4000 Delegierte teil, welche die 196 Vertragsstaaten der Genfer Konventionen und 190 nationalen Gesellschaften vertraten.

Zwei der Resolutionen, die an der Konferenz verabschiedet wurden, betreffen die Stärkung des humanitären Völkerrechts. Mit der ersten Resolution haben sich die Staaten verpflichtet, unter Führung der Schweiz und des IKRK die Aufgaben und Modalitäten eines Staatentreffens zum humanitären Völkerrecht auszuhandeln. Ausserdem soll das Potenzial der Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz besser genutzt werden. Diese Resolution ist das Ergebnis eines Konsultationsprozesses, den die Schweiz und das IKRK gemeinsam geführt haben.

Während dieses Prozesses wurden eine Reihe von Optionen zur besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts mit den Staaten und anderen interessierten Akteuren diskutiert. Bei den Konsultationen herrschte die Meinung vor, dass es ein regelmässiges Staatentreffen braucht, um die dringendsten Probleme und Herausforderungen des humanitären Völkerrechts zu prüfen, Erfahrungen und Best Practices auszutauschen und allfällige Bedürfnisse der Staaten im Bereich des Kapazitätsaufbaus anzugehen.

Die zweite Resolution betrifft den Schutz von Personen im Freiheitsentzug in bewaffneten Konflikten. Inhaftierte Personen sollen durch das humanitäre Völkerrecht besser geschützt werden.

Die Konferenz bot Gelegenheit, an die vor fünfzig Jahren verabschiedeten sieben Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung (Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität) zu erinnern. Ausserdem ermöglichte sie Diskussionen über die aktuellen Herausforderungen, namentlich über den Schutz des Gesundheitspersonals und den Zugang von bedürftigen Menschen zu humanitärer Hilfe. Die durch bewaffnete Konflikte verursachte Migration und die Verbesserung der Prävention und Bewältigung von Naturkatastrophen waren ebenfalls wichtige Arbeitsthemen der Konferenz.

(Quelle: EDA)

Eröffnung der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz in Genf

Bern, 08.12.2015 – Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga rief anlässlich der Eröffnung der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz zu einer besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf. Die Konferenz, an der rund 4500 Personen teilnehmen, findet vom 8. bis 10. Dezember 2015 in Genf statt.

In ihrer Ansprache am ersten Tag der Konferenz betonte die Bundespräsidentin, wie wichtig es ist, die fundamentalen humanitären Grundprinzipien der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zu stärken: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit, Universalität. Denn, obwohl die Bewegung dieses Jahr bereits das 50-jährige Jubiläum der fundamentalen humanitären Grundprinzipien feiert, sind diese heute relevanter denn je. Es gilt kontinuierlich innovative Ansätze zu entwickeln, um den Schutz der Bevölkerung zu stärken.

«Das Recht darf im Krieg nicht schweigen»: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga erinnerte daran, dass eben diese Überzeugung vor mehr als 150 Jahren zur Gründung der Bewegung geführt hatte. Die Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung unterscheidet bei ihrer Arbeit auf den Brandherden des Weltgeschehens nicht zwischen Gute und Böse, nicht zwischen gerechtfertigten und verbotenen Kriegen, nicht zwischen Opfern und Tätern. Sie versucht ausschliesslich, die katastrophalen Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen einzudämmen. Die 32. Konferenz bietet eine Chance, gemeinsam einen Schritt für den besseren Schutz aller Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten beteiligt sind, zu machen, betonte die Bundespräsidentin.

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der 32. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds. Sie setzt sich dabei für eine bessere Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein, sowie für eine Stärkung des globalen humanitären Systems vor und nach Krisen.

Drei Themen stehen im Vordergrund der Veranstaltung: die Prävention und Bekämpfung von Gewalt; die Sicherstellung des Schutzes und des Zugangs zu humanitärer Hilfe; und die Minderung der Katastrophenrisiken. Einen wichtigen Platz wird indes auch das Thema der Migration einnehmen.

Die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung spielt dank ihrer weltweiten Präsenz und ihren rund 17 Millionen freiwilligen Helfern eine wichtige Rolle in der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise.

Einem Auftrag der 31. Konferenz folgend, hat die Schweiz zudem gemeinsam mit dem Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) einen Konsultationsprozess durchgeführt, um Mittel zur Stärkung des humanitären Völkerrechts zu identifizieren. Die 32. Konferenz soll nun auf der Grundlage des daraus resultierenden Berichts über die Umsetzung angemessener  Massnahmen entscheiden. Insbesondere sollen die Staaten einen regelmässigen Dialog über die Umsetzung des humanitären Völkerrechts führen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken.

Für die Schweiz hat die Konferenz in Genf eine herausragende Bedeutung. Seit 1986 findet sie in der Schweiz statt. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen sowie als Sitzstaat der Rotkreuz-Föderation und des IKRK verbindet die Schweiz besonders viel mit der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Traditionsgemäss engagiert sich die Schweiz deshalb stark dafür, diese internationale Konferenz als globalen humanitären Anlass zu positionieren und unterstützt sie finanziell.

Die Konferenz vereint wie alle vier Jahre die 189 Nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, deren Internationale Föderation, das IKRK sowie die 196 Vertragsstaaten der Genfer Konventionen. Sie ist das höchste Organ der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und eine der bedeutendsten humanitären Konferenzen. Die Entscheide, die an der Konferenz in Form von Resolutionen gefällt werden, beeinflussen die globale humanitäre Debatte, prägen neue Politikansätze und können die Weiterentwicklung des internationalen Rechts anregen.

Zusätzliche Verweise: