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Zu Gast in der iranischen Botschaft in Bern

The Iranian embassador in Bern Alireza Salari invited Irans Foreign Minister Mohammed Dschawad Sarif and a lot of diplomats from all over the world to the 35th year revolution celebration. © GMC Gerd M. Müller

Auszug aus dem Buch von Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book Version verfügbar und die Leseproben finden Sie hier.

Was „zum Teufel“ den iranischen Botschafter in der Schweiz, Alireza Salari, veranlasst hat, mich zur diplomatischen Feier aus Anlass des 35. Jahrestages der iranischen Revolution in die Botschaft in Bern einzuladen, weiss ich nicht. Ich erwartete einen kurzen Medientermin inmitten einer Schar JournalistInnen und ein paar Worte „zur Lage der Nation“. Doch es kam anders.

Verblüffenderweise war ich der einzige Medienschaffende und Pressefotograf unter einer handverlesenen Auswahl von Privatpersonen. Alle anderen gut 150 geladenen Gäste waren entweder Diplomaten, Spione oder beides. Noch interessanter wurde es, als auch der iranische Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif in der iranischen Botschaft in Bern erschien und von Alireza Salari enthusiastisch begrüsst wurde. Die Schweiz und die iranische Botschaft in Bern, als auch die akkreditierten Vertreter bei den Vereinten Nationen in Genf spielten eine wichtige Rolle in der Weltpolitik bei den diplomatischen Beziehenung zwischen dem Iran und der USA. Wie bei Kuba auch, dient und tritt die Schweiz als neutrales Land und Vermittlerin der diplomatischen Interessen dieser Länder untereinander auf.

Switzerland: Irans Foreign Minister Mohammed Dschawad Sarif ( محمد جواد ظریف پیرانشهری ) to the 35th year revolution celebration in Bern. © GMC Gerd M. Müller

Doch möchte ich an dieser Stelle die Feierlichkeiten in der Botschaft beenden und posthum einen weiteren einflussreichen von den Amerikanern am 3. Januar 2020 durch eine US-Drohne im Irak getöteten Strippenzieher der iranischen Aussenpolitik vorstellen und seine Fähigkeiten sowie seinen grossen Einfluss auf das Weltgeschehen anschauen. Die Rede ist von General Qasem Soleimani, der «Che Guevara» der iranischen Revolution, der inetwa auch so endete, wie sein berühmter kubanischer Vorgänger und dessen Strategie anwendete (die kubanische Revolution nicht nur in alle Länder Lateinamerikas zu exportieren, sondern auch kommunistische oder marxistische Länder in Afrika zu unterstützten). So wie Gaddafi mit der Finanzierung von Befreiungs- und Terrororganisationen oder Regierungsparteien vor ging, so exportierte auch Soleimani die iranische Revolution weit über die umliegenden Länder hinaus.

Iran: Gebäude bei der Pol-e Khaju Bridge mit Ayatolla-Gemälden. © GMC Gerd M. Müller

General Qasem Soleimani, Teherans langjährige graue Eminenz, wurde 1998 von Chomenei zum Chef der «Khuz»-Brigaden ernannt und koordinierte die Angriffe auf die israelischen Besatzer vom Libanon aus, bis diese dann zwei Jahre später abzogen. Der Einmarsch Israels im Libanon ist rückblickend ein schwerer Fehler, weil er den Iran dazu befeuerte, im Libanon die Hizbollah aufzubauen und im Irak mit shiitischen Milizen, die Sunniten anzugreifen, wie der damalige iranische Vize-Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian sich dazu äusserte.

General Soleimani war der Schöpfer der «Widerstandsachse gegen den Imperialismus» und der langjährige Chefstratege bei der iranischen Aussenpolitik, die darauf abzielte, „die Imperialisten im Ausland zu beschäftigen, die shiitische Gemeinschaft im ganzen Nahen Osten zu vereinen und die Glaubensgemeinschaft gegen die sunnitischen Machtansprüche zu verteidigen“. Insbesondere der acht jährige Irak-Krieg, der über eine Million Iraner das Leben kostete und der israelische Einmarsch im Libanon, prägten den unter den «Revolutionsgarden» und «Khuz»-Brigaden, einer Sondereinheit gross gewordenen Soleimani.

Switzerland: Irans Foreign Minister Mohammed Dschawad Sarif and a british diplomat at the 35th year revolution celebration in Bern. © GMC Gerd M. Müller

Der Iran hat vom Zusammenbruch des Iraks und von den Folgen des Arabischen Frühlings profitiert und seinen Einfluss in der Region massiv ausgebaut. Teheran wird dabei von drei wesentlichen Interessen getrieben: die drei Komponenten der iranischen Aussenpolitik sind ideologische, geopolitische und sicherheitspolitische Strategien. Ideologisch betrachtet sieht sich der Iran einerseits als Schutzmacht unterdrückter Muslime im Kontext einer revolutionären Widerstandsmacht gegen Israel und die USA. Geopolitisch hingegen zielt der Iran darauf ab Saudi Arabien die Stirn zu bieten, um seinen Einfluss in der Region auszuweiten. Diese Rivalität wird in Syrien oder im Jemen ausgetragen. Da der Iran kräftemässig seinen mächtigsten Nachbarn militärisch unterlegen ist, verlagert er sein Abwehrdispositiv ins benachbarte Ausland. Die Strategie hat bisher gut funktioniert, doch dazu ist ein mächtiges Netzwerk nicht-staatlicher Akteure essentiel.

Teherans regionalpolitische Entscheidungen werden vom Obersten Nationalen Sicherheitsrat gefällt, dem der Präsident, Vertreter des Revolutionsführers, die Kommandeure der Streitkräfte und im operativen Geschäft die Quds (Jerusalem Brigaden) beiwohnen. Ferner sind auch noch die Pasdaran, die paramilitärischen Revolutionsgarden eingebunden. Dieses supranationale Netzwerk beinhaltet auch die Kooperation und Unterstützung der Hamas in den Palästinensischen Gebieten und im Gaza Streifen, derweil im Libanon wie erwähnt die Hisbollah eine entscheidene Rolle spielt auch zum Assad Regime gute Kontakte auf staatlicher Ebene bestehen. Dies ist die bisher sehr erfolgreiche asymetrische Kriegsführung des Irans im Nahen Osten.

Als Osama Bin Laden die Twin Towers in Schutt und Asche legte, wollte die Amerikaner plötzlich wieder mehr von den Iranern über die Taliban und die Lage in Afghanistan wissen. Auch der Iran sah Osama Bin Laden als Feind an und so lieferte Solemani als Chef der Khuz-Brigaden in Genf der CIA die wichtigsten Informationen. Doch die iranisch-amerikanische Allianz dauerte nicht lange, schon befeuerte der bescheuerte US-Präsident George Bush die Iraner wieder zu Staatsfeinden hoch und kreeirte die «Achse des Bösen». So fühlte sich der Iran durch die US-Intervention im Irak und der Umzingelung aggressiver, imperialistischer US-Truppen bedroht, intervenierte bei den Vereinten Nationen und die warnten die Amerikaner vor den Konsequenzen einer Intervention im Irak in Genf. Doch die Amerikaner, „idiotisch wie so oft“, zerstörten dann „binnen weniger Monate die gesamte Struktur im Irak, schwächten den Staat und lösten die Streitkräfte auf“, wie Hossam Dawod, ein Berater des irakischen Diktators ausführte. „So wurden die Fundamente der irakischen Gesellschaft total zerstört“, fügt er hinzu.

Das von den Amerikanern herbeigeführte Machtvakuum nutzte auch Soleimani aus. Er spielte eine zentrale Rolle bei der Nachkriegsentwicklung im Irak und beeinflusste die Geschichte auch dort, in dem er die im Iran ausgebildeten, irakischen, shiitischen Milizen zurück in die Heimat schickte, mit Waffen ausstattete und auch finanziell unterstützte, wie mir mehrere Insider bestätigen. Daraufhin griff die pro-iranische Hisbollah die US-Streitkräfte derart gnadenlos an, dass die Amerikaner sich zurückziehen mussten und wieder einmal ein gigantisches Chaos hinterliessen, das die westliche und nahöstliche Welt auf Jahrzehnte hinaus beschäftigen wird. Denn durch die shitische Aggression Irans im Irak entstand die sunnitische Extremismus-Variante, der IS, der wie wir wissen, ebenfalls viel Terror und Elend verursacht hat und noch immer tut, um die bekannten Ereignisse kurz zu fassen.

Iran: Die Masjed-Emam Moschee in Isfahan. © GMC Gerd M. Müller

Innenpolitisch wurden nach dem achtjährigen Iran-Irak Krieg rund 4000 Iraner bei einer Säuberungswelle exekutiert, womit der mörderische Gottesstaat einmal mehr seine Unbarmherzigkeit gegenüber politisch nicht linientreuen Personen erneut offenbarte. Bei späteren Protesten zum Beispiel bei den Aufständen infolge der erhöhten Benzinpreise, wurde scharf geschossen und viele Demonstranten mit gezielten Kopfschüssen getötet, weitere nach einer Inhaftierung zu langen Haftstrafen verurteilt oder exekutiert und in Massengräbern verscharrt, ohne dass den Angehörigen die Leichen übergeben wurden oder ihnen ein angemessener Abschied und die Trauerzeit zugestanden wurde. Ein barbarisches System.

Doch wie kam es zur Allianz des Irans mit Syrien? Die Lage ist kompliziert. Bashar Assad, der ja ein Christ ist und der für seine Greueltaten bisher nicht zur Rechenschaft gezogen wurde – trotz einst lau(t)en Protesten gegen sein diktatorisches Regime zu Beginn der Revolution im Schatten des arabischen Frühlings. Dank den Russen und der Türkei konnte er an der Macht bleiben. Das tragische an der EU und Nato ist, dass immer nur lamentiert und an den Frieden appelliert wird, derweil andere Staaten entschlossen sind, einzugreifen. Doch zurück zur Ursache der syrisch-iranischen Allianz: Weil die Sunniten und insbesondere der erstarkte IS nun auch in Syrien für Bashar Assad zur Gefahr wurden, solidarisierten sich Solemani und Assad im Kampf gegen die Sunniten. Nach Angaben gut informierter Kreise, flog Solemani verdeckt in einem mit humanitären Gütern beladenen Flugzeug nach Amman zu Assad und koordinierte mit ihm die Angriffe gegen den IS.

So gesehen, müsste Europa und der Westen Solemani ironischerweise ein klein wenig dankbar sein. Nun zu einem weiteren genialen Strategie-Spielchen Soleimanis, das zur Kontrolle des Iraks von Teheran aus führte und die Amerikaner Milliarden für den Erzfeind kosteten. Von der Wiederaufbauhilfe zwischen 2005 – 2015 im Umfang von rund 800 Mia. US-Dollars an den Irak wurden gemäss Aussagen des ehemaligen irakischen Ministers, Ahmed Al Hadj, aufgrund eines Finanzausschussberichtes etwa 312 Mia. von den Iranern via Hisbollah und andere pro iranische Organisationen abgezweigt und ausser Landes geschafft. „Der Irak wurde zum Goldesel des Irans“, bekräftig auch Hosham Dawod. Doch 2019 wird Solemani durch ein Geheimdienst-Leak beim iranischen Geheimdienst (MOIS) desavouiert. Dann kamen die Kriegsverbrechen von 2014 in «Jurf al Sakhar» ans Licht. Die shiitische Hisbollah verübte damals grauenhafte Verbrechen, was zu über 150’000 Vertriebenen unter der sunnitischen Bevölkerung führte.

Qassem Solemani ist tot – und das ist (mit Verlaub) gut so. Dies ändert jedoch wenig an der Aussenpolitik des Irans und man fragt sich auch, wieviele Amerikaner zuvor so hätten getötet beziehungsweise eliminiert werden müssen, um all das Unheil zu vermeiden, dass die USA ausschliesslich in ihren eigenen Interessen mit katastrophalen Folgen für die ganze Welt verursacht haben. Hier wie andernorts! Schauen sie sich doch nur mal auf Wikipedia die Auflistung aller US-Interventionen an. Das ergibt ein unglaubliches Puzzle der Infiltration, Subversion, Konterrevolution und wie immer man all das nenn will. Doch muss man sich bei aller Schuldzuweisung an die USA auch fragen, was denn eigentlich die muslimische Gesellschaft und Diaspora weltweit macht, um den fortwährend schwelenden religiösen Konflikt zwischen Sunniten und Shiiten endlich zu befrieden und den gordischen Knoten vieler Konflikte und Terrorakte zu beenden? Da geschieht fast gar nichts und das ist das grösste Problem. Aber erinnern wir uns kurz daran, wie lange der Konflikt zwischen Christen und Katholiken angedauert hat und wie viele Menschenleben die Religionskriege in Europa forderten.

Eines zeichnet sich jedenfalls immer wieder ab. Die fortlaufenden «Law and Disorder» Interventionen der Amerikaner, sei es im Irak, im Iran, in Afghanistan, in Syrien wie in Vietnam und an vielen anderen Orten sind oder endeten zumeist mit einem riesigen Desaster, dass alle Regionen letzlich instabiler machte und zahlreiche Aggressoren und Terrororganisation erst erschuf. Die Aufrüstung aller heute existierenden Terrogruppierungen inklusive der Taliban sind zumeist auf die militärische Aufrüstung und Veranlassung durch die Vereinigten Staaten geschehen. Ein fataler Kreislauf, der sich immer wieder zu wiederholen scheint. Hinzu kommen die menschenverachtenden Verhältnisse auf Guantanamo, die dort praktizierten Foltermethoden werfen ein unrühmliches Licht auf die westliche Welt und die gelobte humane und rechtsstaatliche Auffassung der Menschenrechte und verletzen auch Kriegsrecht. Seien wir uns bewusst, dass wir in unserer zumeist passiven Rolle, als ungläubige Zuschauer angesichts des grotesken Weltgeschehens und übelsten Machtgebaren, auch im Kleinen, oft korrumpieren und bei vielen Missständen die Augen zudrücken und weitere Interventionen bequem ausblenden. So geschehen auch 50 Jahre lang beim Thema Klimaerwärmung und CO2-Ausstoss. Die Menschheit lernt offenbar nichts hinzu.

Schmetterlingseffekt: Hedge Fonds sind die Treiber von Kriegen und Klimawandel

Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book-Version auf www.self-publishing.com zu finden.

VORWORT

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahrlässigkeit und poli-tische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für nahmhafte Medien rund 30 Länder. Ein Mix aus spannenden Polit-Thrillern, tieferen Einsichten und tollen Bekanntschaften und Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten. Eine etwas ab gehobene, nicht alltägliche Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell als auch ökologisch sowie politisch versierten GlobetrotterInnen. Nun zum 1. Kapitel des Buchs:

Hedge Fonds sind die Treiber von Kriegen und Klimawandel

Seien wir uns bewusst, die Finanzmärkte stehen im Zentrum der neoliberalen Wirtschaft, sie bestimmen weltweit die Preise für Rohstoffe und Lebensmittel und sie diktieren das Geschehen rund um den Globus. Hedge-Fonds sind der Fluch des Nahrungs-, Wasser- und Rohstoff-Kapitalismus in Reinkultur. Schauen wir uns dies einmal näher an: 2008 stiegen die Preise für Lebensmittel und Rohstoffe stark an, obschon sich die Welt nach der Finanzkrise in einer Rezession befand. Das zeigt, dass die Preise aufgrund von Spekulationen und nicht aufgrund einer erhöhten Nachfrage gestiegen sind. Was in den 80er Jahren mit Thatchers und Reagans Neoliberalismus begann und als Flügelschlag eines Schmetterlings an der Wallstreet 2010 bekannt wurde, führte fortan zu Aufständen, Kriegen und weltweiten Flüchtlingskrisen. Den Flügelschlag lösten der damalige Präsident Bill Clinton und der Nationalbankpräsident Alan Greenspan mit dem Commodity Modernisation Act aus, d.h. mit der Liberalisierung der seit den 30er Jahren strikt regulierten Märkten und einer begrenzten Anzahl von Spekulanten. Doch von da an, konnte jeder unbegrenzt mit Rohstoffen und Lebensmitteln spekulieren, worauf die Finanzmärkte Blut leckten und die Wallstreet und Hedge-Fonds das Geschehen fortan auf übelste Art und Weise diktierten.

Im gleichen Jahr fuhr Russland aufgrund des Klimawandels und der Trockenperiode über 30 Prozent weniger Weizenernte ein. Die Wallstreet spekulierte auf eine Verknappung des Angebotes und trieb den Weizenpreis um 50% in die Höhe, was in Tunesien und Ägypten zum Arabischen Frühling führte, weil Ägypten fast 80 Prozent des Weizens aus Russland importierte. Der rasche Anstieg der Lebensmittel- und der Erdölpreise führt zwangsläufig zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen, stellten auch Wissenschaftler und Mathematiker fest. So arteten 2011 in Lybien nach dem Sturz Gaddhafis als auch im Irak-Krieg, beides führende Ölexportstaaten, die Kriege aus, befeuerten weitere Konflikte in der Region und lösten einen Flächenbrand aus, der den ganzen Orient überzog. So war es auch im Krieg in Syrien. Auslöser dafür waren wiederum die Hedge-Fonds und Spekulanten an der Wallstreet und in London. Sie trieben den Ölpreis massiv in die Höhe, weil sie auf Export-Verluste spekulierten. Der Flügelschlag des Schmetterlings hat auch hier zugeschlagen und so sind die deregulierten Märkte zu einem Motor des Chaos geworden.

Diese Spekulationen und die Entwicklung in den Ölstaaten hatten zudem noch weitreichendere Folgen. Durch den enormen Kursanstieg der Petrodollars kamen Russland und Saudi Arabien aber auch Venezuela zu immensem Reichtum und vergrösserten ihre Militärbudgets und Polizeikräfte entweder zur Unterdrückung von Revolten im eigenen Land oder für weitere Offensiven. Russland in Syrien, in der Ukraine und zuletzt auf der Krim. Im Falle von Saudi Arabien kam es zu kriegerischen Zuspitzung in Jemen und in vielen anderen Regionen im Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, derweil der Iran, den Nahen Osten auf seine Weise infiltrierte und mit seinen kruden Ideologien, Waffen und Kämpfern vollpumpte. Der Anstieg des Ölpreises war auch der Anfang des Verderbens für Venezuela, das letzlich am Ressourcen-Fluch zu Grunde ging. Die Spekulanten waren auch hier letztlich Auslöser und verantwortlich für die Flüchtlingsströme von Lateinamerika in die USA und von Afrika und dem Orient nach Europa.

In Grossbritannien war es dem Einfluss des neoliberalen Medienmoguls Rupert Murdoch zu verdanken, dass es zum Brexit kam und bei den rechtsradikalen Regierungen in Polen, Ungarn und Italien, sind ebenfalls Medienmogule für den Auftrieb der Neonazis und Faschisten in Deutschland. Nach der Hausse folgt die Flaute, nach dem Boom folgt der Crash, soviel Ökonomie hat jedes Kind schon in der 3. Klasse mitbekommen. Die Folgen sind wiederum verheerend. In Venezuela gibt es eine apokalyptische Hungersnot, dasselbe in Kuba, in Kenya und im gesamten Subsahara-Gürtel, wo verheerende Dürren zu Bürgerkriegen und im Orient zu desaströsen Wirtschafts– und katastropalen Menschenrechtslagen führen.

Der völlig entfesselte Rohstoff- und Finanzmarkt ist wie die Pest, weil er dank Algorithmen und Herdenmentalität sowie auf zynische Weise immer gegen den Wohlstand der fragilen Ökonomien wettet Mit der Covid-Krise wurde dies überdeutlich, dass die Märkte über das Wohl der Menschen gestellt werden und ein System geschaffen wurde, das kein Mitleid mit den Menschen, sondern nur Gewinner und Verlierer kennt. Jedes Waschmittel und jede Nahrung muss heute jede Komponente deklariert sein, bei der künstlichen Intelligenz, bei der eine Machine die Entscheidungen über unser Sein oder Nicht sein Entscheiden, braucht hingegen keine Deklaration und Regulation. Absurder geht es nicht. Dieses Thema kommt im letzten Kapitel ausführlicher zur Sprache.

Gut 500 Firmen mit weit über 10000 Angestellten arbeiten in der Schweiz in der Rohstoffbranche, die mit March Rich ihren ersten berüchtigten Protagonisten hatte, der es zu zweifelhafter Berühmtheit brachte, als er zum erstenmal in den 70er Jahren in die Schlagzeilen geriet. Der in Belgien geborene US Bürger sorgte dafür, dass der Rohstoffhandel in der Schweiz bedeutend wurde. Seine skrupellosen Öldeals mit Südafrika und dem Iran unter Umgehung internationaler Sanktionen verhalfen dem „Vater des Schweizer Erfolgsmodels“ zu immensem Reichtum und ihn auf die Liste der meistgesuchten Verbrecher in den USA brachte, bis Bill Clinton, der Gottvater der Neoliberalen ihn 2001 begnadigte. Wir erinnern uns, dass Clinton und Greenspan auch die Liberaliserung der Nahrungsmittel-Märkte vorantrieben und damit die Hedge-Fond Plage auslösten.

Zurück in die Schweiz. Hier gehörten Christoph Blocher und Martin Ebner zu den skrupellosesten Liberalisierer in den 90er Jahren. Von den «Bloomberg» Journalisten Javier Blas und Jack Farchy wissen wir, dass Ebner zu den Rettern von Marc Richs Imperium gehörten und auch der heutige «Glencore» Ivan Glasberg Chef seine Sporen in Johannesburg in Südafrika abverdiente und viel von seinem Meister bei den illegalen Öl-Deals und der Umgehung von Sanktionen gelernt hat, auch wenn er in der Kohleabteilung tätig war. Tiefe Steuern, die zentrale Lage in Europa, der stabile Schweizer Franken und der Zugang zum internationalen Finanzsystem sowie die schwache Regulierung boten in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz einen fruchtbaren Boden für Unternehmen, welche die Ressourcen weltweit ausbeuten und kaum Steuern bezahlen. Aus «Glencores» Umfeld gingen andere erfolgreiche Rohstoffhändler wie «Vitol» hervor, das dem Inselstaat Kuba zu Öldeals verhalf und dafür den Zucker zu günstigen Preisen abnahm, als Kuba in den 90er Jahren zahlungsunfähig war.

Es wurde gemunkelt, dass «Vitol» in Kuba ein Luxushotel finanzierte und betrieb und sich der damalige wie «Vitol»-Chef Ian Taylor ab und zu mit Fidel Castro zu einem Zigarrenschmauch und einen Cuba libre traf. In den 90er Jahren kamen dann die ehemaligen Sowjetrepubliken zu den neuen Rohstoff-Eldorados hinzu. Die Schweizer Rohstoffhändler kontrollieren fast 80 Prozent des weltweiten Handels und agieren skrupellos. Der Fall «Gunvor» im Kongo, die Machenschaften der «Credit Suisse» in Mosambik sowie die Geldwäscher-Affäre in Bulgarien zeigen exemplarisch die Spitze des Eisbergs der Korruption. Der Bundesrat bestätigte zwar in einem Bericht „das grosse Korruptionsrisiko“, tat aber nichts weiter, um die Bankenaufsicht zu stärken und die Geldwäscherei einzudämmen. Die Rohstoffhändler «Glencore», «Trafigura», «Vitol», «Mercuria» und «Gunvor» erhielten nach Recherchen von Public Eye von 2013 bis 2019 insgesamt 363,8 Milliarden US-Dollar an Krediten. «Public Eye» untersuchte auch die hochrisikoreichen Finanzinstrumente und –praktiken der Rohstoffhändler, die mittlerweile selbst als Banken fungieren, sich aber weitgehend der Finanzkontrolle und der Banken- und Finanzaufsicht «finma» entziehen. «Gunvor» zahlte in den USA 164 Millionen Strafe für die Verfehlungen in Brasilien, Equador und Mexico. Es ist stossend, dass sich grosse Konzerne, Banken und Superreiche immer wieder mit lächerlichen Bussen freikaufen können, derweil andere für viel geringe Taten ins Gefängnis wandern. Beispiele dafür gibt es auch in der Schweiz genug.

Erst im November 2020 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur «Strategie Nachhaltige Entwicklung (SNE) vorgelegt, und sie ist erneut ein Armutszeugnis für die „saubere“ Schweiz. Noch übler sieht die Bilanz der Vorzeigeschweiz aus, wenn man die wirtschaftlichen Faktoren des grössten Off-Shore Finanzplatzes berücksichtigt, denn Ende 2019 verwalteten Schweizer Banken ein Viertel des Weltvermögens. Sagenhafte 3742,7 Milliarden Franken. Allein die 300 reichtsten Schweizer besitzen ein Vermögen von über 400 Milliarden Franken, aber das immense Vermögen wird kaum in nachhaltige Projekte investiert. Im Gegenteil. Die Goldgrube und Steueroase Schweiz begünstigt und schützt Hunderte potenter Hauptsitze multinationaler Rohstoff-Konzerne und trägt massiv zum Abfluss von Privatvermögen aus den Entwicklungsländern und damit zur weltweiten Umverteilung von unten nach oben bei. Die Ausbeutung und Gier kennt keine Grenzen, auch nicht in Zeiten von Covid-19, ganz im Gegenteil, sie begünstigt die Globalen Technogiganten und Superreichen. Und dieser grosse Schatten fällt auf die Schweiz zurück, egal wie weiss wir das Image waschen und wie schön wir es uns einreden oder anderen predigen!

Die Schweiz glänzt in vielen Statistiken, wie beim Gold- und Geld-Reichtum, beim Glücklich sein, bei den Patenten, beim Receyclen doch die Realität sieht ganz anders aus. Neben den 810‘000 Millionären und einigen Milliardären gibt es in der kleinen Schweiz über 300‘000 Familien, die ihre Krankenkassenprämie nicht bezahlen können, 240‘000 Personen, die für ihre Steuerschulden betrieben wurden und über 400‘000 Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. Die Sozialausgaben bei Bund, Kantonen und Gemeinden verdreifachten sich in den letzten 15 Jahren, hinzu kommt, dass ein Prozent die Hälfte des Gesamtvermögens für sich behält. Was heisst das? Das bedeutet das Unternehmen in der freien Marktwirtschaft Arbeitsplätze mit existenzsichernden Löhnen anbieten müssten und über Coperate Governance hinaus eine Wertschöpfung für die Gemeinschaft ausweisen müssten anstatt nur Dividenden für reiche Aktionäre.

Die «finma», die Schweizer Finanzmarkaufsicht ist eine Schlafmützen und Beschwichtigungsbehörde par excellence. Bei Whistleblowern sieht die Sache ganz anders raus, diese werden verfolgt und wie Kriegsverbrecher behandelt. ZU diesem Missstand komme ich noch ausführlicher im letzten Kapitel. Es scheint in der Schweiz zum guten Ton zu gehören, dass reiche Menschen und Finanzinstitute sich an keine Regeln halten müssen und für ihre Delikte nicht inhaftiert werden.

„Der Kuhhandel hat in der Schweiz eben Tradition“, möchte da wohl manch einer salbungsvoller Politiker sagen. Aber auch in Deutschland passieren unsaubere Dinge von gigantischem Ausmass, wenn man auf den Abgasskandal der Deutschen Autobauer schaut. Bisher wurde noch keiner der glorreichen Automanager dafür persönlich gebüsst und belangt und in der Schweiz warten die geprellten Käufer von Stinkautos noch immer auf eine Entschädigung oder Nachrüstung. Die Schweizer Banken haben nichts hinzugelernt und helfen noch immer, korrupten Politikern und Kleptokraten ihre unrechtmässig entwendeten Staatsgelder zu verstecken, wie die Pandora Papers zeigen. Man sollte endlich jeden einzelnen daran beteiligten Banker zur Rechenschaft ziehen.

Kapitalismus- und Globalisierungskritiker Jean Ziegler, Genfer SP-Nationalrat und UNO-Sonderberichterstatter von 2000 bis 2008 sagte: „Für den Neoliberalismus ist der Egoismus der Motor. Für Antikapitalisten und soziale Menschen ist der Mensch vom Wunsch nach Solidarität, Reziprozität und Komplementarität beseelt“. „Die Oligarchie des globalen Finanzkapitals, flankiert von Aussenminister Ignazio Cassis, will die NGOs zum Schweigen bringen“, sagt Ziegler.

Es sei die Aufgabe der NGOs, gegen das fiskalische Ausbluten der Entwicklungshilfe und gegen die Straflosigkeit für Konzerne und Superreiche zu kämpfen. „Die Tatsache, dass die Schweiz Mafiosi, Diktatoren und korrupten Eliten den roten Teppich ausbreitet und Unterschlupf bietet, ist skandalös“, ergänzt der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter. Zwei Milliarden Menschen haben heute schon keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 62 UN Staaten praktizieren Folter. „Wir sind uns bewusst, dass wir diese kanibalistische Weltordnung so nicht wollen und nicht akzeptieren“, so lautet Zieglers Fazit auf Aufruf.

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