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Kriminelle Organisation aus Bulgarien: Anklageerhebung gegen die Credit Suisse und Mitglieder der Organisation

Bern, 17.12.2020 – Nach umfangreichen Ermittlungen zu den schweizerischen Geschäftstätigkeiten einer bedeutenden, im internationalen Betäubungsmittelhandel und in der grossangelegten Geldwäscherei der daraus gewonnenen Erträge aktiven kriminellen Organisation aus Bulgarien, hat die Bundesanwaltschaft (BA) Anklage beim Bundesstrafgericht (BStGer) eingereicht. Sie erhebt Anklage gegen die Bank Credit Suisse AG und wirft ihr vor, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Geldwäscherei von Vermögenswerten zu verhindern, welche der kriminellen Organisation gehörten und unter ihrer Kontrolle standen. Die BA erhebt gleichzeitig Anklage gegen eine ehemalige Kundenbetreuerin der Bank und zwei Mitglieder der kriminellen Organisation.

Die kriminelle Organisation

Mit dem Ende des Kommunismus in Bulgarien sahen sich Spitzensportler ohne finanzielle Unterstützung nach anderen Einkommensquellen um. So wurden etwa auch viele Ringer von mafiösen Clans angesprochen. Einer von ihnen entwickelte und leitete mindestens im Zeitraum zwischen dem Beginn der 2000er-Jahre und 2012 eine hierarchisch aufgebaute und verzweigte kriminelle Struktur zum Zweck der Bereicherung ihrer Mitglieder durch Kokainhandel und die Wäsche der daraus erzielten Gewinne. In diesem Zeitraum organisierte der Protagonist die Einfuhr mehrerer Dutzend Tonnen Kokain von Südamerika nach Europa mittels Kurieren per Boot und Flugzeug. Der Protagonist wurde dafür in mehreren europäischen Staaten rechtskräftig zu langen Freiheitsstrafen verurteilt; etwa auch 2017 in Italien, wo seine Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation gerichtlich festgestellt wurde.

Der Erlös aus dem Verkauf der Betäubungsmittel wurde mindestens im Zeitraum zwischen 2004 und 2007 insbesondere in gebrauchten Eurobanknoten kleiner Stückelung auf Bankkonten unter der Kontrolle der kriminellen Organisation in der Schweiz deponiert und danach insbesondere durch Immobilienkäufe in Bulgarien und in der Schweiz in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust. Vor allem im Zeitraum zwischen Juni und September 2007 war die kriminelle Organisation damit beschäftigt, die Gelder krimineller Herkunft in Sicherheit zu bringen und der Justiz zu entziehen, insbesondere indem sie sie von der Schweiz ins Ausland überwies und die schweizerischen Konten und Bankschliessfächer der Organisation schloss.

Der schweizerische Verfahrenskontext
Die BA eröffnete am 1. Februar 2008 ein Strafverfahren gegen einen als Hilfsarbeiter im Wallis wohnhaften bulgarischen Ringer und gegen dessen Patron insbesondere wegen des Verdachts der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) und der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB). Zwischen September 2008 und Juni 2015 verfügte die BA mehrere Verfahrensausdehnungen: Wegen derselben Straftaten auf einen im Ringermilieu verkehrenden ehemaligen Bankangestellten; wegen des Verdachts der schweren Geldwäscherei und der Beteiligung an einer kriminellen Organisation auf den Anführer der oben beschriebenen kriminellen Organisation, auf dessen bulgarischen Vertrauensmann und Finanzberater, auf des Anführers Exfrau und Konkubine, auf deren Schwester, auf ein anderes hochrangiges Mitglied der Organisation, auf dessen Ehefrau sowie auf eine ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse, die sich um die Geschäftsbeziehungen der kriminellen Organisation kümmerte. Zudem wegen Widerhandlung gegen Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB in Verbindung mit Art. 102 StGB auf die Bank Credit Suisse AG; und wegen des Verdachts der schweren Geldwäscherei auf einen ehemaligen Angestellten einer Gesellschaft der Credit Suisse Group, der mit der Einrichtung von «Special Finance Transactions» beauftragt war.

Im März 2017 wurde der schweizerische Patron des bulgarischen Ringers per Strafbefehl wegen schwerer Geldwäscherei verurteilt, insbesondere, weil er im Februar 2006 umgerechnet mehr als CHF 4 Millionen in kleinen Banknoten mit seinem Personenwagen von Barcelona in die Schweiz zu schmuggeln versuchte. Im November 2019 und im Januar 2020 trennte die BA die Verfahren betreffend den Anführer der kriminellen Organisation, das andere hochrangige Mitglied der Organisation und dessen Ehefrau vom Hauptverfahren. Dies infolge der Unmöglichkeit, den Anführer und die Frau zu finden und das hochrangige Mitglied innert nützlicher Frist einzuvernehmen.

Am 15. Dezember 2020 trennte die BA die Verfahren betreffend den ehemaligen Bankangestellten, die Exfrau und Konkubine des Anführers sowie deren Schwester vom Hauptverfahren und erliess Strafbefehle gegen diese drei Personen. Gleichzeitig erliess sie betreffend den ehemaligen Angestellten einer Gesellschaft der Credit Suisse Group eine Einstellungsverfügung. Und schliesslich erhob die BA Anklage gegen die Credit Suisse AG und die drei übrigen natürlichen Personen.

Anklageerhebung
Die BA hat bei der Strafkammer des BStGer Anklage erhoben gegen (i) den Vertrauensmann und Finanzberater des Anführers, (ii) die ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse, (iii) die Bank Credit Suisse AG und (iv) den im Wallis wohnhaften bulgarischen Ringer.

(i) Um die aus den Straftaten der kriminellen Organisation stammenden Gelder zu waschen, bediente sich der Anführer der Dienste eines Vertrauensmanns zur Einrichtung und Verwaltung einer juristischen und wirtschaftlichen Struktur insbesondere in der Schweiz, in Österreich und in Zypern. Dieser Strohmann fungierte auch als Verbindungsglied zwischen den Banken in der Schweiz und den anderen Mitgliedern der Organisation und hatte den Gesamtüberblick über das ganze Geldwäschereiprozedere. Die Anklage wirft ihm vor, im Zeitraum zwischen Oktober 2004 und Januar 2009 als Mitglied der kriminellen Organisation Handlungen vorgenommen zu haben, die geeignet waren, die Ermittlung der Herkunft sowie die Einziehung von Vermögenswerten krimineller Herkunft, die der Organisation gehörten und unter ihrer Kontrolle standen, in Höhe von umgerechnet über CHF 80 Millionen zu vereiteln.

(ii) Die ehemalige Kundenbetreuerin der Credit Suisse AG war mindestens im Zeitraum zwischen Juli 2004 und Dezember 2008 für die Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit der kriminellen Organisation verantwortlich. Bis 2008 führte sie auf Instruktion dieser Klientel Transaktionen aus bzw. liess solche ausführen, obwohl starke Hinweise vorlagen, dass die Gelder von einem Verbrechen herrührten, und missachtete dabei insbesondere ihre Sorgfaltspflichten gemäss Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (GwG) und der Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung (GwV-EBK). Die Kundenbetreuerin verhinderte zudem die Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS). Darüber hinaus unterstützte sie die kriminelle Organisation aktiv, Gelder kriminellen Ursprungs mit einem Back-to-Back-Kredit in der Höhe von umgerechnet rund CHF 16 Millionen in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Dadurch vereitelte die Kundenbetreuerin die Ermittlung der Herkunft sowie die Auffindung und die Einziehung von Geldern krimineller Herkunft dauerhaft und wiederholt und trug so dazu bei, die kriminelle Herkunft des Vermögens der kriminellen Organisation durch die Ausführung von Finanztransaktionen von insgesamt mehr als CHF 140 Millionen zu verschleiern.

(iii) Die Credit Suisse AG in Zürich sah mindestens im Zeitraum zwischen Juli 2004 und Dezember 2008 weder die Pflicht vor, mehrere Geschäftsbeziehungen, die denselben Inhaber, denselben wirtschaftlich Berechtigten oder dieselbe Gruppe von wirtschaftlich Berechtigten hatten, zu konsolidieren oder zu gruppieren, noch die Pflicht, sie einer einheitlichen Risikostufe zuzuordnen. In der Praxis widersprachen sowohl das Verfahren der Eröffnung und Überwachung der Geschäftsbeziehungen durch die Kundenbetreuer als auch die Kontrollen der Vorgesetzten den geltenden Geldwäschereivorschriften und den internen Weisungen der Bank. Die Kundenbetreuer klärten Transaktionen mit erhöhten Risiken nicht bzw. nicht hinreichend ab, und das System der Kontrollen durch die Hierarchie und die Compliance war mangelhaft. Ebenso problematisch war, dass der Prozess der Analyse, Koordination, Meldung und Sperre der Bankkonten dysfunktional war und nicht verhindern konnte, dass Gelder der bulgarischen kriminellen Organisation in der Höhe von umgerechnet rund CHF 35 Millionen fortgeschafft wurden – selbst nach einem im August 2007 erlassenen Beschlagnahmebefehl der BA.
Die Credit Suisse wusste spätestens seit 2004 von diesen Mängeln. Dadurch, dass die Bank diese Mängel bis 2008 und darüber hinaus weiterbestehen liess, vereitelte sie die Erkennung von Geldwäschereihandlungen der kriminellen Organisation und der Kundenbetreuerin bzw. verunmöglichte sie deren Verhinderung.

(iv) Dem im Wallis wohnhaften Ringer wird vorgeworfen, im Zeitraum zwischen Juli 2005 und April 2009 Handlungen begangen zu haben, die geeignet waren, die Ermittlung der Herkunft und die Einziehung von Vermögenswerten in der Höhe von umgerechnet rund CHF 7 Millionen zu vereiteln.

Zusammenfassend wird der Credit Suisse AG in Zürich vorgeworfen, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen zu haben, um die Verwirklichung der Straftat der schweren Geldwäscherei zu verhindern (Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB in Verbindung mit Art. 102 Abs. 2 StGB), die die Kundenbetreuerin begangen hat, die für die Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit der kriminellen Organisation verantwortlich war.
Den drei natürlichen Personen wirft die Anklage vor, sich der schweren Geldwäscherei schuldig gemacht zu haben (Art. 305bis Ziff. 1 und 2 StGB). Dem Vertrauensmann und Finanzberaters des Anführers der Organisation und dem bulgarischen Ringer wird ausserdem vorgeworfen, sich der Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB bzw. der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 StGB schuldig gemacht zu haben.

Strafbefehle
Mit dem ersten Strafbefehl wird der ehemalige Bankangestellte verurteilt, der in Genf Vermögensverwalter war, bevor er im Sommer 2007 kündigte, um ausschliesslich für die kriminelle Organisation tätig zu sein. Dem Bankier wird vorgeworfen, jene Schritte unterlassen zu haben, zu denen er gemäss den geltenden Geldwäschereivorschriften verpflichtet gewesen wäre und die kriminelle Organisation unterstützt zu haben, indem er insbesondere Schritte unternahm, um in der Schweiz eine Gesellschaft zum Zweck der Verwaltung des Vermögens der kriminellen Organisation zu gründen.

Der zweite und der dritte Strafbefehl richten sich gegen die Exfrau und Konkubine sowie gegen deren Schwester. Beide waren in Finanz- und Immobilientransaktionen verwickelt, die dazu dienten, die Erlöse der kriminellen Organisation in der Schweiz zu waschen. Ausserdem organisierten die beiden Schwestern spätestens ab Juli 2007 die kontinuierliche Fortschaffung des in der Schweiz befindlichen Vermögens der kriminellen Organisation, um dieses auf Konten im Ausland in Sicherheit zu bringen und so dessen Einziehung zu verhindern.

Die BA wird ihre Strafanträge wie immer an der Hauptverhandlung vor dem BStGer stellen. Mit Einreichung der Anklage ist das BStGer für weitere Informationen zuständig. Wie immer gilt für die Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Die BA macht keine weiteren Angaben zur Anklageerhebung, zu den Strafbefehlen, zur Einstellung oder zu in diesem Zusammenhang noch laufenden Strafverfahren.

Die BA hat darauf verzichtet, gegen sämtliche in dieser Angelegenheit beschuldigten Personen Anklage zu erheben, und hat mehrere davon für die oben beschriebenen Tatsachen deshalb per Strafbefehl verurteilt. Die betroffenen Personen können innert 10 Tagen Einsprache gegen die Strafbefehle erheben. Bei Einsprache wird gegen sie Anklage beim BStGer erhoben. Ohne Einsprache erwachsen die Strafbefehle zu rechtskräftigen Urteilen.
Solange die Strafbefehle bzw. die Einstellungsverfügung nicht rechtskräftig geworden sind, kann keine öffentliche Einsichtnahme in diese ermöglicht werden.

Belarus (Weissrussland) 1000 Menschen im Visier der Strafjustiz, darunter eine Schweizerin

17. Dezember 2020 Die belarussischen Behörden verfolgen friedlich Protestierende mit allen Mitteln. Die Polizeigewalt forderte mehrere Todesopfer und gegen mehr als 1000 Menschen laufen Strafverfahren aufgrund ihrer politischen Einstellung. Auch die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin Natallia Hersche ist Opfer der Willkürjustiz.

Nachdem die beiden Freunde Alyaksandr Kardyukou und Henadz Shutau am 11. August 2020 an einer friedlichen Kundgebung in Brest teilgenommen hatten, waren sie noch gemeinsam in der westbelarussischen Stadt unterwegs. Dabei trafen sie auf Polizist*innen in Zivilkleidung. Während Alyaksandr Kardyukou floh, wurde Henadz Shutau erschossen. Nun wird Alyaksandr Kardyukou des versuchten Mordes angeklagt, was eine lebenslange Haftstrafe nach sich ziehen kann.

Die Begebenheit ist auf einem von MediaZona veröffentlichten Video zu sehen: Henadz Shutau und Alyaksandr Kardyukou sassen am 11. August auf einer Parkbank in einiger Entfernung zu einer Kundgebung, als sich ihnen drei Polizist*innen in Zivil näherten. In den Aufnahmen ist nicht klar erkennbar, was daraufhin passierte, aber weniger als eine Minute später wurde Henadz Shutau von einer Kugel in den Hinterkopf getroffen. Er verstarb am 19. August.

Behörden versuchen Tat zu vertuschen

Alyaksandr Kardyukou flüchtete wenige Augenblicke, bevor der Schuss abgegeben wurde, doch wurde er am 14. August festgenommen und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamt*innen angeklagt. Laut Aussagen seiner Schwester wurde die Anklage am 2. Dezember geändert und lautet nun auf versuchten Mord.

«Es gibt weder Beweise, dass Alyaksandr Kardyukou sich an gewalttätigen Aktivitäten beteiligte, noch, dass er solche befürwortet. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur strafrechtlich verfolgt wird, weil er friedlich sein Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen hat. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden», sagte Marie Struthers, Regionaldirektorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.

Das Innenministerium beharrte in einer Pressemitteilung darauf, dass «eine Gruppe aggressiver, mit Metallstangen bewaffneter Bürger*innen die Polizisten angriff. Sie liessen sich nicht von Warnschüssen abschrecken. Die Beamt*innen setzten ihre Schusswaffen ein, um ihr Leben und ihre Gesundheit zu verteidigen.»

Diese Behauptungen widersprechen jedoch den Videoaufnahmen sowie Aussagen von Zeug*innen und medizinischen Akten, die Amnesty International vorliegen und die zeigen, dass Henadz Shutau von hinten erschossen wurde.

Laut Anastasiya Baranchuk, der Tochter von Henadz Shutau, berichteten Anwohner*innen, dass die Polizeibeamt*innen die beiden Männer gefragt hätten, für wen sie bei der Wahl gestimmt hätten. Daraufhin hätte ihr Vater geantwortet: «Für [Svyatlana] Tsikhanouskaya», die Kandidatin der Opposition.

Laut Anastasiya Baranchuk wurde ihrem Vater dann befohlen, hinzuknien und sich auf den Boden zu legen. Sobald er auf den Knien war, schlug ihm ein Beamter mit einer Pistole ins Gesicht und schoss ihm dann in den Hinterkopf. Zeug*innen berichteten, insgesamt drei Schüsse gehört zu haben.

Die Familie von Henadz Shutau fordert eine Untersuchung der Tötung. Sie erhielten jedoch am 3. September einen Brief, in dem ihr Gesuch von den Ermittlungsbehörden abgewiesen wurde. In dem Schreiben des Untersuchungskomitees, einer autonomen Regierungsbehörde zur Untersuchung schwerer Verbrechen, hiess es, dass es «nur unzureichende Beweise gibt, um eine strafrechtliche Ermittlung nach Paragraf 139 (Mord) einzuleiten».

Am 13. November berichtete Amnesty International über einen anderen Fall von einem friedlich Protestierenden, der von maskierten Männern spitalreif geprügelt, daraufhin in Polizeigewahrsam gebracht wurde und tags darauf seinen Verletzungen erlag. Weitere Informationen zum gewaltsamen Tod von Raman Bandarenka  (auf Englisch).

Menschenrechtsorganisationen haben Hunderte Aussagen von Gefangenen, die gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, gesammelt.

Unzählige Strafverfahren

Menschenrechtsorganisationen haben Hunderte Aussagen von Gefangenen, die gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, gesammelt. Bis jetzt haben die belarussischen Behörden keine einzige Ermittlung gegen Sicherheitskräfte eingeleitet.

Menschenrechtsorganisationen haben Hunderte Aussagen von Gefangenen, die gefoltert und anderweitig misshandelt wurden, gesammelt.

Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Vyasna wurden rund 1000 Strafverfahren gegen Menschen eingeleitet, die friedlich protestierten. Dutzende wurden bereits in politisch motivierten und unfairen Gerichtsverfahren verurteilt, wobei gegen die meisten von ihnen Haftstrafen verhängt wurden.

Schweizerin verurteilt

Zu den Verurteilten gehört auch die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin Natallia Hersche, die am 7. Dezember zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie sich der Festnahme widersetzt und einem Polizisten die Sturmhabe entfernt haben soll. In ihrer Abschlusserklärung vor Gericht äusserte sie sich dazu wie sie die Schweiz sieht und was sie sich für Belarus wünscht: «Ich lebe in einem demokratischen Land in Europa (…), wo die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit in der Verfassung verankert sind und vom Staat gewährleistet werden. Wo die Polizei ihr Gesicht nicht vor friedlich Demonstrierenden verbirgt. So sehe ich mein Heimatland. Das künftige Belarus, ein freies Belarus.»

Weitere Informationen zur Verurteilung von Natallia Hersche (auf Englisch).

«Belarus erlebt die schwerste Menschenrechtskrise seiner Geschichte seit der Unabhängigkeit.»
Marie Struthers, Regionaldirektorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International

«Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, die Anstrengungen zu erhöhen, um die schweren Menschenrechtsverstösse der belarussischen Behörden zu dokumentieren. Die Verantwortlichen müssen in fairen Gerichtsverfahren zur Rechenschaft gezogen werden und den Opfern und ihren Familien müssen Gerechtigkeit und wirksame Rechtsmittel gewährt werden.»

Hintergrund

Im August brachen in Belarus Massenproteste aus, nachdem die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko offiziell bestätigt worden war. Damit ignorierte die Regierung die weithin erhobenen Vorwürfe, dass die Wahl durch systematische Wahlrechtsverletzungen verfälscht worden sei. Seit dem Ausbruch der Proteste verfolgen die Behörden eine harte Linie gegen die Protestierenden. Zurzeit laufen gegen mehr als 1000 Menschen rechtswidrige Strafverfahren aufgrund ihrer politischen Einstellung. (Quelle: Amnesty International)

21. MELANI-Halbjahresbericht widmet sich der «Website-Sicherheit»

Bern, 29.10.2015 – Der 21. Halbjahresbericht MELANI widmet sich unter anderem Spionageangriffen, von denen auch die Schweiz betroffen war, den nach wie vor präsenten Phishing-Angriffen, sowie dem Schwerpunktthema «Website-Sicherheit». Das Schwerpunktthema ist eine von mehreren Neuerungen, die der Halbjahresbericht erfahren hat.

Um den Leserinnen und Lesern die Lektüre zu vereinfachen, wurde der Halbjahresbericht MELANI neu strukturiert und das Layout angepasst. MELANI hat den Start in die zweite Dekade ihres Bestehens zudem genutzt, um das Erkennungsbild neu zu gestalten. Ebenfalls neu ist insbesondere ein Schwerpunktthema, dem künftig ein umfangreiches Kapitel gewidmet ist. In der aktuellen Ausgabe bildet das Thema «Website-Sicherheit» den ersten Schwerpunkt. Ausserdem wird künftig in einem Editorial auf zentrale Aspekte der Halbjahresberichte eingegangen.

Schwerpunktthema «Website-Sicherheit»

Für die Erstellung und Aktualisierung von Internet-Auftritten kommen vermehrt Content Management Systeme (CMS) zum Einsatz. Diese haben den Vorteil, dass Personen ohne besondere Fachkenntnisse eine Website erstellen und aktualisieren können. Dabei wird jedoch häufig unterlassen, die Sicherheits-Updates der CMS-Systeme einzuspielen, obwohl diese in der Regel vorhanden wären. Im ersten Halbjahr 2015 konnten durch dieses Versäumnis einige Sicherheitslücken entdeckt werden: In der Schweiz wiesen 70% aller Websites, welche die CMS-Software WordPress installiert hatten, Sicherheitslücken auf. MELANI zeigt auf, wie CMS-Systeme sicher betrieben werden können.

Spionage: Auch Schweiz betroffen

In der ersten Hälfte 2015 hat ein bekannter IT-Sicherheitsdienstleister Details zur Spionagesoftware «Duqu2» veröffentlicht. Dadurch wurde publik, dass das Ziel der Spionage unter anderem die Nuklearverhandlungen mit dem Iran waren. Die letzten Verhandlungsrunden fanden in Lausanne, Montreux, Genf, München und Wien statt. In der Schweiz läuft diesbezüglich bei der Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren.

Phishing nach wie vor ein grosses Thema

Phishing, das illegale Beschaffen von Informationen wie Benutzernamen, Codes, Einmalpasswörtern usw., ist nach wie vor ein sehr grosses Thema. MELANI beobachtet fast täglich mehr oder weniger grossflächige Phishing-Kampagnen. Der Fantasie der Angreifer sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Vermeintliche E-Mails von Banken, gefälschte Steuerformulare oder sogar das Ausnützen der aktuellen Flüchtlingsproblematik im Balkan sind nur einige Bespiele für die Vorgehensweise der Täterschaft.

(Quelle: MELANI, EJPD)

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Wie der Bundesrat den Dschihad-Terrorismus in der Schweiz bekämpfen will

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Bern, 02.11.2015 – Der Bundesrat hat den zweiten Bericht über die Bekämpfung des dschihadistisch motivierten Terrorismus in der Schweiz zur Kenntnis genommen. Er begrüsst die Fortschritte der Sicherheitsbehörden und die geleisteten Koordinationsarbeiten. Der Bundesrat will prüfen, ob präventive polizeiliche Massnahmen verstärkt werden sollen, beispielsweise um einen mutmasslichen Dschihadisten an der Ausreise aus der Schweiz zu hindern. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ist deshalb beauftragt worden, eine entsprechende Evaluation vorzunehmen. Der Bundesrat weist ausserdem darauf hin, wie wichtig lokale und kantonale Strukturen jenseits der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung der Radikalisierung sind. Diese bestehenden Strukturen gilt es zu nutzen, anstatt neue zu schaffen.

Bereits im Januar dieses Jahres hatte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) die terroristische Bedrohung in der Schweiz als erhöht eingestuft. Mittlerweile hat sich die Bedrohungslage nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa leicht verschärft. Die Zahl der dschihadistisch motivierten Reisen nach Syrien nimmt weiter zu. Waren es bisher hauptsächlich Männer, sind es nun auch Frauen und Minderjährige. Diese Entwicklungen werden in allen Ländern Europas beobachtet. Auch die Schweiz ist davon betroffen.

Der erste Bericht der Task-Force TETRA erschien im Februar 2015. Seither haben die Sicherheitsbehörden die Koordination auf allen Ebenen intensiviert und beachtliche Fortschritte erzielt. So beschäftigen sich fedpol und der NDB derzeit mit rund siebzig konkreten Fällen von mutmasslichem dschihadistisch motiviertem Terrorismus. In mehr als zwanzig dieser Fälle hat die Bundesanwaltschaft (BA) Strafverfahren eröffnet. Diesen Herbst hat sie einen ersten Fall vor dem Bundesstrafgericht zur Anklage gebracht. Weitere werden folgen.

Sensibilisierung und Zusammenarbeit

Um Personen zu erkennen, die sich radikalisieren, ist die Sensibilisierung und Ausbildung in den kantonalen Polizeikorps, den Grenzwachtkorps und den Konsularabteilungen verstärkt worden. Um die Koordination auf nationaler Ebene zu erleichtern und der Bedrohung besser begegnen zu können, stützen sich die kantonalen Polizeikräfte auf die bestehenden Strukturen der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS). Gestärkt werden diese Strukturen durch einen Führungsstab, der nach einem Terroranschlag (oder anderen einschneidenden Ereignissen) zum Einsatz kommen kann. Auch auf internationaler Ebene wurde die Koordination und Zusammenarbeit verstärkt. Beispielsweise hat die Schweiz das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus unterzeichnet.

Eine Reihe von Punkten muss noch vertiefter analysiert werden, insbesondere die Zweckmässigkeit präventiver Polizeimassnahmen, um einen mutmasslich dschihadistisch motivierten Reisenden an der Ausreise aus der Schweiz zu hindern. Der Bundesrat hat deshalb das EJPD beauftragt, den Nutzen solcher Massnahmen und deren Konsequenzen zu evaluieren. Diese Analyse soll auch die Prüfung der gesetzlichen Grundlagen umfassen, aufgrund derer die Polizei verdächtigte Personen zur Fahndung ausschreiben kann.

Terrorismus-Bekämpfung geht über den Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden hinaus

Obwohl die Arbeit der Sicherheitsbehörden unentbehrlich ist, stellt sie nur einen Teilaspekt in der Terrorismusbekämpfung dar. Die Radikalisierung ist ein Phänomen, das weit über den Wirkungsbereich der Sicherheitsbehörden hinausgeht. Alle in der Schweiz und im Ausland gemachten Erfahrungen verdeutlichen es: Radikalisierung muss auf lokaler Ebene und unter Einbindung der Sozial-, Familien- und Bildungsstrukturen bekämpft werden. Die Kantone und Gemeinden mit ihren gut funktionierenden Strukturen spielen hier eine zentrale Rolle. Der Bundesrat legt Wert darauf, keine neuen Strukturen zu schaffen. Vielmehr gilt es, die bestehenden Strukturen auf das Phänomen der dschihadistischen Radikalisierung auszurichten, vermehrt Erfahrungen und Fachkenntnisse auszutauschen und Synergien zu nutzen. Der Bundesrat hat deshalb beschlossen, keine nationale Hot- oder Helpline einzurichten.

Zusammen mit den interkantonalen Konferenzen und den zuständigen kantonalen Stellen wird der Delegierte des Sicherheitsverbundes Schweiz (SVS) bestehende, ausserhalb der Zuständigkeit der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden getroffene Präventionsmassnahmen erheben. Ziel ist es, bewährte Methoden und Verfahren (best practices) zu nutzen und Massnahmen zur Prävention von Radikalisierung zu verbessern.

Zusammensetzung und Auftrag der Task-Force TETRA

Die Task-Force TETRA (TErrorist TRAvellers) ist eine von der Kerngruppe Sicherheit des Bundes (KGSi) eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe. Geleitet wird die Gruppe von fedpol. In der Gruppe vertreten sind der NDB, die BA, die Politische Direktion und die Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das Grenzwachtkorps, das Staatssekretariat für Migration (SEM), das Bundesamt für Justiz (BJ), die Flughafenpolizei Zürich und einzelne Kommandanten kantonaler Polizeikorps der Schweiz sowie der Delegierte des Sicherheitsverbundes Schweiz. Die Ziele der Task-Force sind die Verhinderung von Terroranschlägen in der Schweiz oder die Nutzung der Schweiz als Durchgangs-, Vorbereitungs- oder Logistikbasis für terroristische Straftaten im Ausland sowie der gezielte Schutz des Schengen-Raums und der Schengen-Aussengrenzen. Diese Ziele stehen im Einklang mit der vom Bundesrat am 18. September 2015 gutgeheissenen Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung.

(Quelle: EJPD/Fedpol)

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Schweiz erstattet 19,4 Millionen USD Korruptionsgelder an Brasilien zurück

Bern, 15.04.2015 – Die Schweiz erstattet Brasilien 19,4 Millionen USD Korruptionsgelder zurück. Es handelt sich um Vermögenswerte, die von der Bundesanwaltschaft im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Geldwäscherei gegen mehrere brasilianische Staatsangehörige eingezogen worden waren.

Die Bundesanwaltschaft (BA) hatte im Jahr 2003 gestützt auf eine Meldung der Meldestelle Geldwäscherei ein Strafverfahren gegen mehrere brasilianische Staatsangehörige eröffnet, die Inhaber oder wirtschaftlich Berechtigte verschiedener Bankkonten in der Schweiz waren. Die BA übermittelte im Verlauf des Strafverfahrens verschiedene Rechtshilfeersuchen an die brasilianischen Behörden. Dank der aus Brasilien erhaltenen Beweismittel konnte die BA im Jahr 2008 ihr Strafverfahren abschliessen und Vermögenswerte in Höhe von insgesamt 19,4 Millionen USD einziehen. Im gleichen Jahr ersuchten die brasilianischen Behörden, die im gleichen Fall ebenfalls ein Strafverfahren (Operation Anaconda) führten, die Schweiz um die Rückerstattung der eingezogenen Vermögenswerte.

Rückerstattung gestützt auf das Sharing-Gesetz

Vermögenswerte, die im Rahmen eines schweizerischen Strafverfahrens eingezogen worden sind, können nicht auf der Grundlage des Rechtshilfegesetzes an einen ausländischen Staat zurückerstattet werden. Eine Rückerstattung ist jedoch möglich gestützt auf das Bundesgesetz über die Teilung eingezogener Vermögenswerte (Sharing-Gesetz). In der Regel werden die eingezogenen Vermögenswerte zwar gleichmässig zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat aufgeteilt. In begründeten Fällen ist es jedoch möglich, von dieser Regel abzuweichen und die Vermögenswerte vollumfänglich an den ausländischen Staat zurückzuerstatten. Im vorliegenden Fall ist eine Rückerstattung angebracht, weil die Gelder vorwiegend aus der Korruption zulasten des brasilianischen Staates stammen und namentlich auch dank der von Brasilien gewährten Rechtshilfe eingezogen werden konnten. Das Bundesamt für Justiz (BJ) schloss deshalb im Einvernehmen mit der BA und anderen schweizerischen Behörden mit dem brasilanischen Justizministerium eine entsprechende Vereinbarung über die Rückerstattung ab. Brasilien hat der Schweiz die dafür nötige Gegenrechtserklärung abgegeben.

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Schweiz soll kein Zufluchtsort für Potentatengelder mehr sein


Nigerias Ex-Diktator Sani Abacha plünderte während seiner Herrschaft grosse Teile der Staatskasse und schaffte das Geld ins Ausland – auch in die Schweiz. Nach seinem Tod wurde 1999 ein Drittel der geraubten Gelder, 700 Millionen Dollar, auf Konten bei 19 Schweizer Banken blockiert. Dabei wurde nicht nur klar, dass das Geldwäschereigesetz nicht ausreichte, um Potentatengelder vom Schweizer Finanzplatz fernzuhalten. Ebenso zeigte sich, dass die Schweiz keine wirksame Strategie hatte, um diese Gelder der betrogenen Bevölkerung zurückzugeben. Die Rückerstattung von 505 Millionen Dollar erfolgte dann 2005 ohne klare Vorgaben: Ein erheblicher Teil des Geldes versickerte.

Die Abacha-Affäre wurde im Anschluss jedoch zum Wendepunkt im Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern: Dank unseres Einsatzes und jenem der nigerianischen Zivilgesellschaft etablierte sich die Praxis, bei der Rückgabe von Geldern die Verwendung früher zu thematisieren, und Garantien zu verlangen. Auch bemühte sich die Schweiz im Nachgang, die Zivilgesellschaft der Herkunftsländer in den Entscheid über die Verwendung der Gelder und in die Überwachung der Rückgabe einzubeziehen.

Der dubioses Geheimdeal der Genfer Staatsanwaltschaft

(c) Reuters

Der korrupte Nigerainische Diktator Abacha verschob MIllionen in die Schweiz. Die Genfer Staatsanwaltschaft bot Hand zu einem dubiosen Deal. Bild: z.V.g. EvB

Nun enthüllte die Schweizer Presse am 17.3. jedoch ein Geheimabkommen zwischen dem Abacha-Clan und Nigeria, abgesegnet von der Genfer Staatsanwaltschaft. Der letzte Teil der blockierten Gelder des verstorbenen nigerianischen Ex-Diktators Sani Abacha soll unter skandalösen Bedingungen zurückgegeben werden: Die Übereinkunft enthält keinerlei Vorgaben, um sicherzustellen, dass das rückgeführte Geld tatsächlich der damals beraubten Bevölkerung zugute kommt. Diese Rückführung steht in krassem Widerspruch zur offiziellen Schweizer Praxis, die ironischerweise das Resultat früherer Kapitel der endlosen Abacha-Affäre ist. Zudem schliesst das Abkommen das Strafverfahren gegen die Verantwortlichen definitiv ab, und lässt diese straffrei ausgehen.

Dass die Genfer Staatsanwaltschaft ein solch katastrophales Abkommen akzeptiert, zeigt einmal mehr, wie schwierig es für die Schweizer Strafverfolgungsbehörden ist, die Illegalität von Potentatengeldern hieb- und stichfest nachzuweisen.

Die Erklärung von Bern fordert deshalb schon lange eine Umkehr der Beweislast. Das würde es den Schweizer Behörden erlauben, Potentatengelder aus notorisch korrupten Staaten einzuziehen, sobald ihre legale Herkunft nicht bewiesen werden kann. Bei kriminellen Organisationen ist das heute schon der Fall.

Das Abkommen zwischen dem Abacha-Clan und der Genfer Staatsanwaltschaft beweist zudem, dass die Rechtshilfe in der Schweiz immer noch nicht funktioniert. Dieser Deal ist fast schon eine Einladung, solche Vermögen auch künftig in der Schweiz zu parkieren.

Veränderungen brauchen einen langen Atem und wachsamen Blick

Deshalb setzt sich die Erklärung von Bern seit über 15 Jahren für die Stärkung und die verbesserte Anwendung der im Geldwäschereigesetz vorgesehen Massnahmen ein: Die Schweiz darf nicht länger Zufluchtsort für die Vermögenswerte berüchtigter Potentaten sein. Wir fordern, dass Finanzintermediäre bestraft werden, die ihre Sorgfaltspflicht verletzen. Und wir kämpfen dafür, dass unrechtmässig erworbene und in der Schweiz gehortete Vermögenswerte zugunsten der Bevölkerung in den Herkunftsländern beschlagnahmt und zurückerstattet werden.
Unterstützen Sie die Arbeit der Erklärung von Bern (EvB) für eine gerechtere Welt mit einer Spende, und engagieren Sie sich mit uns für einen verantwortungsvoll handelnden Finanzplatz Schweiz!

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