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Offshore auch im Inland: Die Schweiz ist ein Paradies für Briefkastenfirmen


Die «Pandora Papers» zeigen, dass die Schweizer Offshore-Industrie auch fünf Jahre nach den «Panama Papers» immer noch in voller Blüte steht. Hiesige Anwält*innen und Treuhänder*innen errichten und verwalten die lukrativen Scheinfirmen aber nicht nur in exotischen Inselwelten. Recherchen von Public Eye belegen, dass allein in den Kantonen Genf, Zug, Freiburg und Tessin rund 33’000 sogenannte Domizilgesellschaften ansässig sind. Fast die Hälfte der den Schweizer Behörden gemeldeten Verdachtsfälle für Korruption oder Geldwäscherei betreffen solche substanzlosen Strukturen.
Genf, Lugano, Zug und Freiburg sind die Schweizer Städte mit den meisten Sitz- oder Domizilgesellschaften, also rechtlichen Firmenhüllen ohne wirtschaftliche Tätigkeit. Kantonaler Spitzenreiter ist Genf mit 13’638 solcher Konstrukte, was einem Drittel aller dort registrierten Unternehmen entspricht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Public Eye, welche die vier grossen Domizilzentren der Schweiz detailliert kartografiert. Die Briefkastenfirmen sind zu Dutzenden und zumeist rein virtuell in «Geistergebäuden» unterbracht, wo ihr Tagesgeschäft von Anwaltskanzleien und Treuhandbüros für monatlich 99 Franken erledigt wird – zur Wahrung des Scheins inklusive Concierge- und Telefonservice. Eine Vielzahl davon sind im Finanz-, Immobilien- oder Rohstoffhandel tätig. Eine aktuelle Studie des Bundesamts für Statistik bestätigt, dass jedes vierte im Rohstoffhandel tätige Schweizer Unternehmen keine Mitarbeitenden hat.
Briefkastenfirmen sind jedoch nicht unbedingt in illegale Aktivitäten verwickelt. Solche Konstruktionen werden in der Schweiz aber am häufigsten benutzt, um dubiose Transaktionen oder die wirtschaftlichen Nutzniesser zu verschleiern. Dies zeigte erst jüngst wieder der Fall der Zuger «Zeromax», über die das Luxusleben der Tochter des ehemaligen usbekischen Diktators, Gulnara Karimova, finanziert wurde. Laut der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) betreffen fast die Hälfte aller Verdachtsmeldungen solche Domizilgesellschaften. Und in fast 12 Prozent der Fälle sind diese in der Schweiz registriert. Einer der Hauptverdachtsmomente dabei ist Korruption.
  
Der Skandal um die Panama Papers genügte dem Schweizer Parlament nicht, um die Schlupflöcher für Anwaltskanzleien und Treuhänder im Geldwäschereigesetz bei dessen Revision im Frühjahr endlich zu schliessen. Und der Bundesrat ist weiter gegen ein öffentliches Register der wirtschaftlich Berechtigten von Schweizer Unternehmen, obwohl sich inzwischen mehr als hundert Länder verpflichtet haben, dieses zentrale Instrument zur Bekämpfung finanzieller Intransparenz einzuführen. Um eine Wiederholung des Bankgeheimnis-Debakels zu vermeiden, muss die Schweiz schnell die Konsequenzen aus den «Pandora Papers» ziehen und alle rechtlichen Schlupflöcher schliessen, die Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität erleichtern.

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Totalrevision der Kernenergiehaftpflichtverordnung verabschiedet

Schweiz: AKW Beznau

Das AKW Beznau ist veraltet und stellt ein Risiko für die Schweizer Bevölkerung dar. Bild: GMC

Bern, 25.03.2015 – Der Bundesrat hat eine Totalrevision der Kernenergiehaftpflichtverordnung (KHV) verabschiedet. Diese regelt den Vollzug des vom Parlament 2008 verabschiedeten neuen Kernenergiehaftpflichtgesetzes (KHG), das jedoch noch nicht in Kraft ist. Das neue KHG und die totalrevidierte KHV können erst in Kraft gesetzt werden, wenn das von der Schweiz bereits im Jahr 2009 ratifizierte Pariser Übereinkommen zur Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie von genügend Vertragsstaaten ratifiziert ist und in Kraft gesetzt wird. Dies wird frühestens Anfang 2016 der Fall sein.

Am 13. Juni 2008 verabschiedete das Parlament das revidierte Kernenergiehaftpflichtgesetz (KHG) und genehmigte die revidierten internationalen Übereinkommen zur Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie (Pariser Übereinkommen und Brüsseler Zusatzübereinkommen). Die Schweiz ratifizierte die beiden Übereinkommen im März 2009.

Das revidierte KHG erhöht die minimale national aufzubringende Deckungssumme von bisher 1 Milliarde Schweizer Franken auf 1,2 Milliarden Euro (nach aktuellem Wechselkurs ca. 1,3 Milliarden Schweizer Franken). Damit werden die Vorgaben des internationalen Haftungssystems erfüllt. Weiter wird das Entschädigungsverfahren stark vereinfacht und so der Opferschutz verbessert, falls von einem nuklearen Unfall im Ausland auch Opfer in der Schweiz betroffen wären. Für die Schweiz gelten in diesem Fall gleiche Voraussetzungen für Entschädigungsleistungen und gleiche verfahrensrechtliche Vorschriften wie in allen übrigen Vertragsstaaten.

Totalrevision der KHV

Der Entwurf zur Totalrevision der KHV wurde in einer Begleitgruppe mit Vertretern des Bundes (BFE, BJ, EFV, FINMA, SECO) sowie der Privatassekuranz (Schweizerischer Nuklearversicherungspool) und der Kernanlagenbetreiber (swissnuclear) erarbeitet. Die Vernehmlassung zur Totalrevision dauerte von 15. März bis 28. Juni 2013.

Die totalrevidierte KHV legt den durch private Versicherer zu deckenden Mindestbetrag auf 1 Milliarde Franken fest und definiert die Deckungsrisiken, welche die Versicherer ausschliessen dürfen. Weiter enthält die Verordnung die Methode zur Berechnung der von den Inhabern von Kernanlagen zu entrichtenden Prämien an die Bundesversicherung. Die Bundesversicherung übernimmt nukleare Schäden bis 1,2 Milliarden Euro, die nicht durch die private Versicherung gedeckt sind oder über deren Deckungssumme hinausgehen.

Die totalrevidierte Verordnung setzt zudem die Deckungssumme für Anlagen zur Nuklearforschung und für das Bundeszwischenlager auf 70 Millionen sowie für bestimmte Transporte von Kernmaterialien auf 80 Millionen Euro fest. Ferner sieht sie eine von der Anlagenversicherung getrennte Versicherung für Transporte von Kernmaterialien vor.

Datum des Inkrafttretens

Das neue KHG und die totalrevidierte KHV werden gemeinsam vom Bundesrat in Kraft gesetzt, sobald genügend Vertragsstaaten das revidierte Pariser Übereinkommen ratifiziert haben. Der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens steht zurzeit noch nicht fest; frühestens Anfang 2016 kann damit gerechnet werden.

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