Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller
VORWORT
Dieses Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisenregionen. Er beleuchtet das Schicksal der indigenen Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund, prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Schmetterlingseffekte der Hedge Funds und Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend Eine gelungene Mischung aus gehobener Reiseliteratur, globalem Polit-Thriller, gespickt mit abenteuerlichen Geschichten und persönlichen Essays – den Highlights seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Der Autor publizierte Hunderte von Reportagen in deutschsprachigen Tageszeitungen und Magazinen.
In diesem Jahr reiste ich gleich zwei Mal in die Karibik. Erst nahm ich an einem Segeltörn auf der «Paso Doble» teil, die von Grenada nach Trinidad zum Karneval führte, dann reiste ich via Barbados in Grenada exakt zur Zeit an, als das 9 jährige Jubiläum der „Befreiung“ oder auch „Besetzung“ Grenadas (je nach Standpunkt) durch US-Streitkräfte zelebriert wurde. Ich reiste mit meiner Freundin Roberta an und wir erfuhren in der Karibik, dass sie schon wieder schwanger war.
In St. George, der Hauptstadt Grenadas konnten wir an der offiziellen Zeremonie mit dem Ministerpräsidenten von Grenada, Nicolas Brathwaiter und dem US-Botschafter im Beisein von hochrangigen US-Militärs beiwohnen, worauf uns die PR-Dame des US-Botschafters zum Pressefrühstück auf den vor Grenada stationierten Flugzeugträger «US-John Rodgers» einlud. Das war natürlich spannend und wollte ich mir nicht entgehen lassen, schliesslich kann man nicht jeden Tag auf einem Kriegsschiff Frühstücken, das ein gewaltiges Vernichtungspotential besass.
So holte uns ein US-Marine-Boot am nächsten Morgen am Strand ab und fuhr uns zum Kriegsschiff hinüber, das vor der Küste Grenadas ankert. Erst konnten wir einen kleinen Rundgang machen und dann mit dem Kommandanten und seiner Presse-Adjudantin ein Gespräch über die US-Politik führten. Rückblickend war dieser Besuch keine gute Idee, weil ich mich seit diesem Vorfall auf dem Radar der US-Behörden und Geheimdienste befand und dies zu einem späteren Zeitpunkt auf den Philippinen zu spüren bekam und mich in einige «troubles» brachte, worauf ich letztlich zur «Persona non grata» in den Philippinen erklärt wurde. Vermutlich wurden auch meine vielen Kuba-Besuche kritisch verfolgt, die ich in den 90er Jahren auf die karibische Tropeninsel machte.
Blenden wir kurz zurück, weshalb die Amerikaner in Grenada einen Umsturz herbei führten. Auslöser war Maurice Bishop der als Sohn grenadischer Eltern in Aruba geboren ab dem 6. Lebensjahr in Grenada lebte, Jura in England studierte, wo er die politischen Ideen der 68er-Bewegung, der Black-Power-Bewegung und des trinidadischen Marxisten C. L. R. James aufnahm, bevor er 1969 in die Karibik zurückkehrte. Er fing an, auf Grenada nach sowjetischem Vorbild Arbeiterräte aufzubauen, gründete eine sozialistische Partei, das New Jewel Movement (NJM, Jewel steht für Joint Endeavor for Welfare, Education and Liberation – „Vereintes Bemühen um Wohlfahrt, Bildung und Befreiung“) und gründete Gewerkschaften.
Er genoss die Zustimmung der Bevölkerung, die mit der korrupten Herrschaft Sir Eric Gairys und seiner Mongoose Gang, einer „Schlägertruppe“, unzufrieden war. Nachdem Gairy die Wahlen wohl gefälscht hatte, errang Maurice Bishop am 13. März 1979 im Rahmen eines von der Bevölkerung befürworteten beinahe unblutigen Putsches die Macht und wurde Premierminister von Grenada. Die Menschenrechtssituation verbesserte sich unter Bishop.
Gairy setzte auch auf soziale Reformen, wie die Einführung eines kostenlosen Gesundheitssystems und den Bau neuer Schulen und unterhielt gute Beziehungen zur Sowjetunion und zu Kuba, die Grenada mit Entwicklungshilfe und beim Bau des Flughafens unterstützten. Das passte den USA gar nicht. Am 25. Oktober 1983 begannen die Vereinigten Staaten unter dem Codenamen Operation Urgent Fury eine Invasion, in deren Verlauf die Regierung abgesetzt wurde.
Das war wohl eine der wenigen US-Operationen, die erstens glimpflich für die Zivilbevölkerung abliefen und letztlich zu einer Stabilisierung führte. Auch die US-Invasion in Panama ist nicht allzu desaströs verlaufen, aber alle anderen Interventionen, Invasionen und Infiltrierungen seitens der USA vom Vietnam-Krieg über den Afghanistan-Einsatz, die gescheiterte Schweinebucht-Invasion auf Kuba, der aussichtslose und vernichtende Irak-Krieg, der zum IS geführt hat oder auch der Sturz von Langzeit-Despot M. Gaddhafi in Lybien und das klägliche Versagen im Syrien-Krieg, zumeist sind die USA nach dem 2. Weltkrieg, ob als Aggressor oder Weltpolizist, kläglich gescheitert.
Ein „failed state“ eben, mit unübersehbaren Konsequenzen für die ganze Welt: Die Radikalisierung in der muslimischen Welt, die den Terror-Organisationen Al Kaida und dem IS Auftrieb gaben oder auch der von den USA ausgerufene „War on Drugs“ war 50 Jahre lang ein Desaster und Heuchelei. Nun ersaufen die Vereinigten Statten bei zunehmender Gras-Liberalisierung an ihren Hundertausenden von Opiat-Süchtigen und Toten und haben eine tief gespaltene Gesellschaft hinterlassen. Good night and bye bye good old America, kann man da nur sagen.
Grenada ist auch als Gewürzinsel bekannt und liegt etwa 200 Kilometer nordöstlich der Küste Venezuelas und südlich von Saint Vincent und den Grenadinen. Die Grenadinen sind ein Teilarchipel der kleinen Antillen, von denen die Insel Grenada selbst die größte ist; kleinere Inseln sind Carriacou, Petite Martinique, Ronde Island, Caille Island, Diamond Island, Large Island, und Frigate Island. Der nördlich angrenzende Teil der Grenadinen gehört zum Nachbarstaat St. Vincent und die Grenadinen. Der Grossteil der Bevölkerung lebt auf der Hauptinsel in der Hauptstadt St. George’s sowie die Städte Grenville und Gouyave liegen. Die größte Siedlung auf den kleineren Inseln ist Hillsborough auf Carriacou. Und dort traf ich an einer absolut abgefahrenen Party einen Segler, den ich 10 Jahre zuvor auf der Insel Lanzarote angetroffen und mit ihm und anderen auf einem Boot in Playa Blanca gelebt habe. Und die Story, die uns verband war ebensoeinzigartig wie unser Wiedersehen hier unter dem sternefunkelnden Karibischen Himmel auf einer kleinen Sandinsel und einem sehr speziellen Club mit Zutritt nur über einen schmalen Steg mit Haifischbecken auf beiden Seiten, was zu einem gefährlichen Rückweg bei 2-4 Promillien werden kann.
Rückblende zum Guardia Civil Sondereinsatz auf Lanzarorte
Lassen sie mich an dieser Stelle kurz das Lanzarote-Abenteuer mit einem Einsatz der Guardi Civil Anti-Terror Sondereinheit auf unserem Boot erzählen. Wir, eine handvoll Leute, lebten Ende der 70er Jahre in Playa Blanca auf der Kanarischen Insel Lanzarote an Bord eines Segelschiffes, das einem Schweizer gehörte, der in den USA lebte und erst vor wenigen Tagen hier eingetroffen war. Der französische Skipper, der marokkanische Bootsjunge und der amerikanische Freundes des Schweizer Bootseigners hatten das Boot von Frankreich hierher gebracht. Offensichtlich kam es zum Streit zwischen dem Bootseigner und dem Skipper am Abend zuvor über das Honorar der Yachtüberführung von Südfrankreich bis hier hin und die längere Wartezeit in Playa Blanca. Es kam zum handfesten Streit zwischen den beiden.
Erst wollte der Franzose das Boot versenken, was die Crew verhindern konnten. Dann zischte der Franzose wutentbrannt ab und wir dachten schon „das wars“. Doch der „fiese Kerl“ rächte sich, in dem er der Guardia Civil einen anonymen Anruf vom Flughafen Arecife vor seiner Abreise gab und denen sagte, wir hätten Waffen und Drogen an Bord. So wurden wir am Morgen nach der Abreise des Skippers aus dem Tiefschlaf gerissen, weil plötzlich eine Herde Elefanten auf das Boot stampfte, dann waren militärische Befehle zu hören und als ich als erster meinen Kopf aus der Lucke rausstreckte, schaute ich in vier Maschinenpistolen rein, keinen halben Meter vor meiner Nasenspitze. Da gefror jegliche Bewegung und Erregung sofort ein. Ich erstarrte und durfte dann aussteigen, danach auch all meine Bootsfreunde. Ein halbes Dutzend schwerbewaffneter Elitesoldaten der Guardia Civil standen um uns herum. Nach sechs Stunden war die Durchsuchung des Segelbootes und die Qual ausgestanden und die Sondereinheit rauchte noch einen Joint mit uns zur Entspannung nach dem harten Einsatz mit den paar Krümmeln, die sie in auf dem Boot bei der Durchsuchung gefunden hatten. Und wie so oft kommt das eine mit dem anderen und ein Unglück selten allein.
Weil unsere Anti-Terror-Mission letzlich so glimpflich abgelaufen war und es zudem Silvesterabend war hatten wir uns beim Zocken am Nachmittag ziemlich betrunken. Der sogenannte «Si, Si, Si-Drink», mit einem Drittel Vodka, einem Drittel Coitreau und ein Schuss Cham-pagner, war teuflisch gut und kamen richtig geil in Fahrt. Nur als der Ami in der ganz engen und total überfüllten Schlauch ähnlichen Bar , die Seenotrettungspistole von zuhinterst quer durch den Laden über die Theke hinweg abfeuerte und das Geschoss durch die Flügeltüren preschte, war die Party-Laune bei den Anwesenden Kanaken jäh zu Ende. Sie wollten ihn fast lynchen und da er schon zur nächsten Patrone griff, streckte ich den lieben Boots-Freund mit einem gezielten Faustschlag vom Hocker und schleifte ihn raus. Damit verhinderte ich wohl weitere Todesopfer. Und der Ami war echt sturzbesoffen und daher knallhart im Nehmen. Das sahen wir, als er erst kopfvoran beim Torkeln auf dem Pflaster aufschlug. Und als wir dann beim Pier ankamen, war das Boot durch die Ebbe, etwa zwei Meter tiefer. An ein runter hieven war nicht zu denken. Da wären wir alle abgesoffen. Also schmissen wir ihn aufs Deck runter, wo er aufprallte, grunzte und ins Komma fiel, aber am nächsten Morgen irgendwie wieder auf den Beinen stand oder besser gesagt rumschwankte.
Soviel zu zwei herausragenden Erlebnissen auf den Kanaren und nun traf ich einen dieser Personen hier wieder und konnte am nächsten Morgen mit ihm auf seinem Segelschiff unerwartet meinen Karibiktrip fortsetzen.
Link zu einigen Print-Reportagen von Gerd M. Müller
Die Insel der Idealisten, die sich von Hoffnung ernähren (AT/BT)
Zu wenig zum Leben, zuviel zum Sterben (Der Bund)
Kuba-Krise im Touristenparadies (Sonntags Zeitung)
Kuba’s Koloniale Pracht (Relax & Style)
Auf nach Varadero – es eilt! (St. Galler Tagblatt)