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„Ohne Inländervorrang geht es nicht mehr“

Appelle an die Freiwilligkeit der Unternehmen, mehr inländische Arbeitnehmer anzustellen reichen offensichtlich nicht aus. Da hilft nur die Peistsche. Das Zuckerbrot war gestern. Denn: Die Beschwörungsformeln für mehr Selbstverantwortung greifen ins Leere und seien längst zu unglaubwürdigen Worthülsen geworden, konstatiert Rudolf Strahm, der einstige Preisüberwacher in seiner Kolumne im Tages Anzeiger. Der Fachkräftemangel sei nur «ein Vorwand, um jüngere und billiger Arbeitskräfte ins Land zu holen» und die Ü50 Generation in den vorzeitigen Ruhestand beim Sozialamt zu spedieren.

«Wir haben es schon länger mit einem schleichenden und versteckten Verdrängungseffekt von ausländischen gegenüber schweizerischen Arbeitskräften im Inland zu tun». Strahm spricht damit aus, was zig zehntausende von Arbeitnehmern schon lange vermutet haben. «Die steigende Sockelarbeitslosigkeit ist ein Beweis dafür», konstatiert der ehemalige Preisüberwacher.

Strahm zieht für seine These die Statistiken zur Hand und zeigt auf, dass im Dezember 5300 Gesundheitsfachleute arbeitslos seien, derweil die Spitäler lauthals den Mangel an Pflegepersonal beklagen. Auch die Banken und Informatikbranche sagt, sie könne nur noch Fachkräfte im Ausland rekrutieren, im Inland sei dieser erschöpft. Gleichzeitig sind aber 3717 Bankenfachleute und 3061 IT-Fachleute als arbeitslos registriert. Die RAV melden 13814 Arbeitslose aus dem Gastgewerbe und 19951 arbeitslose Baukräfte. Auch diese Branchen zeichnen sich durch einen exzessiv hochen Ausländeranteil aus.

Auch Tourismus- und Kommunikationsbranche will keine älteren Schweizer

Zwei weitere Beispiele aus der Tourismus- und Kommunikationsbranche. In vielen Schweizer Hotels werden die Gäste von einem deutschen Receptionisten empfangen, von einem deutschen Koch bekocht und von einer deutschen Spa-Therapeutin betreut. Weit über 50% Prozent aller Kommunikationsstellen in der gehobenen Hotellerie und in der Industrie sind mit deutschen PR-Damen besetzt.

Auch in den PR-Agenturen und Medienhäusern gibt es einen hohen Anteil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem nördlichen Nachbarland. Dieser Trend hat schon vor der Finanzkrise Einzug gehalten. Damals schon konnte man als Kommunikationsfachmann beobachten, wir monatlich ein oder zwei PR-Mitarbeiterinnen aus den Metropolen und Hamburg ein Mail schrieben, sie kämen jetzt auch in die Schweiz arbeiten und hätten eine Stelle in einem Hotel erhalten.

Für einen Ü50 jährigen Schweizer PR- und Kommunikationsspezialisten gibt es aber keine Jobs mehr. Schon lange nicht mehr. Rund 50‘000 Beschäftigte sind in den letzten fünf Jahren ausgesteuert geworden. Kaum einer wird je wieder einen Job finden, wenn die Politik nicht endlich handelt und die künstliche Verteuerung älterer Arbeitskräfte aufgrund der höheren Sozialabgaben nicht endlich abschafft. Ausgesteuerte und Ausgegliederte werden gar nicht mehr in der Statistik erfasst. Daher sind die der Öffentlichkeit präsentierten Zahlen falsch und wiederspiegeln keineswegs die reale Situation.

Diskriminierung und Augenwischerei mit System

Die Diskriminerung lässt sich auch bei den Medien und in der Kommunikationsbranche relativ einfach nachvollziehen. Probe auf’s Exempel: Wenn man als gut gebildeter Arbeitssuchender mit einer kaufmännischen Ausbildung samt einem PR-Abschluss und einer Webpublisher-Weiterbildung sowohl von den Stellenbüro’s als auch von den HR-Damen bei der Nennung des Jahrganges und der Frage, ob man da ein Handicap habe, klar als nicht vermittelbar beziehungsweise chancenlos gilt, ist die düstere Ausgangslage schon glasklar. Auch beim Tages-Anzeiger war man so offen, zu sagen, dass man im Cross-Media-Bereich als Ü50 chanchenlos dasteht.

Würden alle Stellensuchenden über 50 Jahre die Frage des Alters und des Lohns gleich direkt ansprechen und notieren, dann könnte man eine reale Statistik und eine Realsatire über die Absagegründe und Vorwände erstellen, die ein ganz anderes Bild ergeben würden, als das uns von Politikern, Wirtschaftsverbänden und Arbeitgebern servierte Szenario.

Inländervorrang mit Indikationsmodell und Schutzklausel verknüpfen

Ein weiteres Indiz, dass über 55 Jährige chancenlos auf dem Arbeitsmarkt sind, ist die Tatsache, dass jedes Jahr rund 6000 Arbeitnehmer vor ihrer Pensionierung ausgesteuert werden. Auf die ganze Altersgruppe hochgerechnet seien dass über 30‘000 Personen, schreibt Strahm in seiner Kolumne. Er schlägt vor, dass den Inländervorranges mit einem Indikatorenmodell zu verknüpfen, welches den echten Fachkräftemangel branchenweise viel exakter erfasst. Man könne diesen auch mit der von den Industrieverbänden geforderten Schutzklausel verbinden. Strahm verweist darauf, dass auch andere Länder de facto einen Inländervorrang kennen und anwenden. Wir dürfen uns nicht von dem Dogma der totalen Marktliberalisierung einschüchtern lassen.

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