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Schweizer Rohstoffkonzerne schummeln bei CO2 Reduktion

Dass Schweizer Rohstoffkonzerne täglich Millionen Tonnen Kohle, Öl und Gas handeln, ist inzwischen bekannt. Weniger aber, wovon sie in ihren Nachhaltigkeitsberichten abzulenken versuchen: Die Treibhausgasemissionen ihrer Produkte waren 2023 100-Mal grösser als jene der gesamten Schweiz. Das zeigen erstmalige Schätzungen von Public Eye. Doch statt ihr fossiles Geschäftsmodell zu reformieren, verkaufen Vitol & Co neuerdings einfach das vorgebliche Gegenmittel zur von ihnen mitverursachten Klimakrise: CO₂-Zertifikate.

Jedes Jahr, meist im Frühling, begeben sich die grössten Schweizer Rohstoffhändler auf einen Spiessrutenlauf. Sie schreiben Nachhaltigkeitsberichte auf Hochglanzpapier, die zwar immer dicker werden, aus denen aber etwas nicht zu sehr hervorscheinen darf: Ihr fossiles Kerngeschäft besteht aus dem Ankauf, Transport und Verkauf von Kohle, Öl und Erdgas. Neben den Erfolgsgeschichten über ihre Bildungsprogramme, Arbeitsplatzsicherheit oder Umweltmassnahmen erzählen sie seit einigen Jahren immer öfters auch von klimarelevanten Projekten. Denn spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen, das die Absenkung der klimaschädlichen Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null vorsieht, ist dieses gesellschaftspolitische Thema für die PR-Profis der Firmen ein potenzielles Pulverfass. 

Public Eye hat den Klimateil dieser Berichte genauer gelesen und zu verstehen versucht, wie die fünf grössten Schweizer Rohstoffkonzerne ihr Geschäftsmodell klimaverträglich gestalten wollen. Die Lektüre war entlarvend: Mittels beschönigender Methoden und wohlklingender Worthülsen kaschieren die Konzerne Glencore, Gunvor, Mercuria, Trafigura und Vitol, dass ihre fossilen Energieträger ganz wesentlich zum einem der drängendsten Umweltprobleme beitragen. Deshalb haben wir selbst nachgerechnet. Mit erschreckendem Fazit: Die durch ihre Rohstoffe verursachten Klimaschäden überstiegen diejenigen der gesamten Schweiz im Jahr 2023 etwa um das Hundertfache. Auch ihre selbstgesetzten Klimaziele und die von den Rohstofffirmen vorgeschlagene Lösung, die Klimakompensation, halten inhaltlich wie kalkulatorisch den anstehenden Herausforderungen kaum stand.

Die letzte fossile Party?

In den letzten Jahren bescherten Corona, Krieg und Krisen den Rohstoffhändlern historische Rekordgewinne, die es zu verteilen galt. Zunächst haben die Firmen Milliardenbeträge als Dividenden und Boni ausgeschüttet, alte Schulden beglichen und hunderte Millionen Dollar an Korruptionsstrafen abbezahlt. Doch die Konten sind noch immer prall gefüllt, womit theoretisch auch genügend Mittel für die notwendige Transformation vom fossilen hin zu einem klimaverträglichen Geschäftsmodell vorhanden wären.

Kürzlich von Trafigura gekauft: Erdölraffinerie in Fos-sur-Mer, Frankreich.

Praktisch offenbarten vier der Firmen vergangenen August jedoch andere Prioritäten. So kaufte sich der Genfer Konzern Trafigura zum Monatsbeginn eine neue Erdölraffinerie. Dann legte Ölhändler Vitol kräftig nach, und übernahm eine bedeutende Kohlehandelsfirma. Nur wenige Tage später verkündete Glencore nicht nur, dass Kohle weiterhin sein wichtigstes Geschäftsfeld bleibe: Mit der Übernahme bedeutender kanadischer Minen baute der Zuger Konzern diese Sparte sogar noch aus. Schliesslich vermeldete Gunvor einen neuen Ölhandelsrekord und die Aufstockung seines Ölhandels-Teams. Und das alles innerhalb jenes Sommermonats, in dem zum fünfzehnten Mal in Folge ein globaler Hitzerekord gemessen wurde.

Freiwillig fliesst von den Übergewinnen der Krisenjahre also viel zu wenig in echte Alternativen. Stellvertretend dafür steht die Investitionspolitik des Branchenprimus Vitol. Der Genfer Konzern lenkte letztes Jahr über vier Fünftel seiner Gelder in den Ausbau seiner Geschäfte mit fossilen Energieträgern, wobei mehr als 8 Milliarden US-Dollar allein in den Erdölbereich flossen. Kurzfristig sehe Vitol tatsächlich keinen Rückzug aus dem fossilen Geschäft vor, wie der Schweiz-Chef kürzlich auch dem Westschweizer Wirtschaftstageszeitung «L’Agefi» eröffnete. Freilich nicht ohne die Verantwortung dafür an staatliche Stellen abzuschieben: «Es sind nicht wir Händler, die Energiepolitik machen, sondern die Regierungen.»

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A Flourish table

Die versteckten indirekten Emissionen

Aber ist der Einfluss der Schweizer Rohstoffhändler aufs Klima tatsächlich so gering? Ihre Nachhaltigkeitsberichte sollten eigentlich Klarheit darüber schaffen, mit wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) die Firmen die Atmosphäre verschmutzen. Doch für Public Eye erwies es sich als äusserst schwierig bis unmöglich, darin verlässliche, vollständige Informationen zum Treibhausgasausstoss der grössten Schweizer Klimasünder zu finden. Der Teufel steckt im vermeintlichen Detail: bei den indirekten Emissionen.

Direkte Emissionen entstehen während der vom Konzern kontrollierten Produktion, bei Rohstoffhändlern also beim Betrieb einer Kohlemine oder Erdölraffinerie. Obwohl die untersuchten Schweizer Firmen heute schon in dieser Stufe tätig sind, ist diese Emissionskategorie bei ihnen vergleichsweise klein. Viel gewichtiger sind ihre indirekten Emissionen in der Wertschöpfungskette, im Jargon «Scope 3» genannt. Diese entstehen an verschiedenen Stellen, beispielsweise bei der Flugreise zum nächsten Deal oder beim Transport der gehandelten Rohstoffe auf dafür gecharterten Schiffen. Die weitaus wesentlichsten Treibhausgase entstehen jedoch nachgelagert in der Nutzungsphase. Denn hat ein Händler sein Öl oder Gas erst einmal verkauft, wird dieses zur Energiegewinnung immer von irgendjemandem irgendwo verbrannt. Diese Emissionen sind folglich kein Nebenschauplatz, sondern ein integraler und materieller Bestandteil des Geschäftsmodells der Rohstoffhändler. 

Doch statt diese indirekten Emissionen nachvollziehbar zu berechnen und sauber auszuweisen, greifen die meisten Konzerne beim heiklen Thema in die rhetorische Trickkiste. So hält es beispielsweise Mercuria schlicht für unnötig, sich überhaupt mit diesen hochrelevanten Zahlen zu beschäftigen. Die «einzigartige Rolle in der Wertschöpfungskette primär als Intermediär» habe die Genfer Handelsfirma bewogen, nicht über ihre indirekten Emissionen aus dem Rohstoffhandel zu berichten. Vitol wiederum rapportiert nur den einen Bruchteil seiner indirekten Emissionen, die beim Verbrennen von Rohstoffen aus eigenen Produktionsstätten entstehen. Glencore hält es ähnlich, kommt aber wegen seiner zahlreichen Kohleminen auf deutlich höhere Werte. Trafigura wagt noch ein wenig mehr Transparenz und rechnet die indirekten Emissionen der Verkäufe seiner eigenen Tankstellennetze mit. Doch keiner dieser Konzerne deklariert die indirekten Emissionen des gesamten Rohstoffhandels, dem mit Abstand grössten Geschäftszweigs. Einzig bei Gunvor erscheinen die berichteten Zahlen vollständiger und damit glaubhafter. 

«Diese Praxis verdeckt nicht nur den wahren Einfluss der gehandelten Rohstoffe aufs Klima, sondern nutzt auch veraltete Berichterstattungsrichtlinien aus», erläutert Frederic Hans vom deutschen NewClimate Institute die zweifel- und lückenhafte Rechenmethode der Firmen. Diese orientierten sich an einem über zehnjährigen und längst überholten Standard, der grosse Freiheiten in der Erfassung und Berechnung der indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette gewähre. Seine Non-Profit-Organisation untersucht seit über acht Jahren die Klimaberichte multinationaler Konzerne und der Klimaspezialist konstatiert: «Indem Rohstoffhändler in ihren Berichten die indirekten Emissionen der Nutzungsphase weithin ausklammern, verdunkeln sie den grössten Teil ihres Klima-Fussabdrucks. Eine transparentere und wissenschaftlich genaue Berichterstattung ist dringend notwendig, damit Gesellschaft, Regierungen und Investoren die Auswirkungen des Geschäftsmodells Rohstoffhandel auf die Umwelt besser verstehen können.»

Die Mine Hail Creek in Australien – eine von 15 aktiven Kohleminen von Glencore in Down Under.

Der wahre Klimaschaden

Weil es die Rohstoffhandelskonzerne mit ihren indirekten Emissionen nicht so genau nehmen, haben wir selbst zum Taschenrechner gegriffen. Unsere auf den gehandelten Rohstoffvolumen basierenden Schätzungen sind konservativ und zeichnen dennoch ein düsteres Bild: Die indirekten Emissionen der fünf grössten Schweizer Rohstoffhändler beliefen sich im letzten Jahr – allein aus der verkauften Menge an Kohle, Öl und Gas — auf über 4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Das entspricht fast dem Hundertfachen aller Treibhausgase, die in der Schweiz ausgestossen wurden.

Bei Vitol liegen unsere Berechnungen über 40-mal höher als die vom Ölhandelsriesen selbst ausgewiesenen Klimaauswirkungen. Der Branchenprimus handelte 2023 täglich fast eine Million Tonnen Erdöl und nochmals rund die Hälfte davon an Gas. Insgesamt beliefen sich die indirekten Emissionen seiner letztes Jahr gehandelten Rohstoffe auf über 1,3 Milliarden Tonnen CO2. Die bei der Verbrennung des von Vitol verkauften Öl und Gas entstehenden Treibhausgase überstiegen damit sogar jene von Brasilien, dem Land mit den weltweit sechsthöchsten Emissionen.

Quelle: Public Eye Korrespondent Manuel Abebe, unter Mitarbeit von Robert Bachmann und Adrià Budry Carbó, 9. November 2024

Opalsucher in Coober Pedy: Die Hoffnung lebt im Untergrund

Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd M. Müller. Das ganze Manuskript ist als E-Book-Version erhältlich. Leseproben finden Sie hier.

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Der «Oa Hera» HIV-Waisenkinder Chor bei Maltahöhe in Namibia, wo fast ein Drittel aller Kids Waisen sind

Vorwort

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf politische Skandale und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die fatalen Auswirkungen wirtschaftlicher Ausbeutung, gesellschaftlicher Fahrlässigkeit und poli-tische Ignoranz auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig und erhellend erzählt Müller anhand seiner persönlichen Erlebnissen aus seiner investigativen Reise und Reportagetätigkeit für nahmhafte Medien rund 30 Länder. Nun zum Beitrag über die Opalschürfer im Outback.

Coober Pedy: Die Hoffnung derOpalsucher liegt im Untergrund

Australia: Opal Miner Cementary at Coober Pedy in the Outback. © GMC

Zwischen Adelaide und Alice Springs irgendwo inmitten einer glühend heissen, unwirtlichen Mondlandschaft liegt das damals 5000 Seelen zählende Wüsten-Nest Coober Pedy, auch «Opal-Miner City» genannt. Die Bewohner leben in unterirdischen maulwurfartigen Bauten und verbringen den Tag unter der Erde, im Stollen, mit Dynamit bestückt, um weitere Sprengungen vorzunehmen. Einblicke in das Leben der Opalschürfer in einem dynamit-geladenen Untergrund, angetrieben von der Hoffnung auf schnellen Reichtum und dem Risiko ausgesetzt, mausarm zu scheitern – echte Glücksucher also, aus allen Teilen der Erde sind hier bei ihrer gefährlichen Arbeit anzutreffen.

Männer aus Albanien, Italien, Kroatien, Griechen, Serbien, Polen und auch Schweizer schürfen hier im heissen Outback nach den kostbaren Steinen. Einöde, sengende Hitze, jede Menge Staub und Geröll sowie Strapazen ohne Ende, nichts bleibt den Opalschürfern erspart. Vierfünftel der Bevölkerung lebt im Untergrund in den zu Woh-nungen ausgebauten Stollen, die Licht- und Lüftungsschächte nach oben haben. Auch der Supermarkt, die Tankstelle und die Kirche sind im Untergrund. Noch Ende der 90er Jahre konnte man sich einfach einen «Claim» abstecken und zu bohren und sprengen beginnen. Glückspilze, die Coober Pedy als reiche Männer verlassen haben, gibt es nur wenige. Dafür ist der grosse Friedhof in dem Wüstennest ein beredtes Zeugnis. 

Australien: ein Vakuum-Cleaner der Opalmineure saugt den Schooter aus dem Schacht. © GMC

Es gibt auch einen Postboten für die Region. Die Ochsen-Tour von John Stillwell zeigt die hiesigen Dimensionen aufs Deutlichste auf. Zweimal pro Woche fährt John von Coober Pedy aus nach William Creek, einem Provinznest mit neun Häusern und dann nach Oodnadata weiter, einer verkommenen Aborginies-Siedlung weiter und versorgt so auf den 650 Kilometern noch drei Farmer mit der Post. John fährt diese Tour nun schon seit sechs Jahren und er hat die Strecke schon über 700 Mal gemacht. Er durchquert dabei auch die Moon Plain Area, eine trockene, steinige, sandige und mit kleinen Hügeln besetzte Mondlandschaft, die zur Rinderfarm Anna Creek führt und deren Zaun über 9600 Kilometer lang ist. Die Farm ist somit fast so gross wie die Niederlande.

Dann fahren wir weiter nach William Creek und obschon da nur neun Häuser stehen, gibt es die wahrscheinlich teuerste Sattelitenfunk-Telefonkabine der Welt sowie einen schattigen Parkplatz samt Parkuhr unter dem einzigen Baum weit und breit. Weiter geht die Reise durch das Outback einem alten Aborginies-Trail entlang zu den unterirdischen, heissen Quellen nahe der «Great Overland Telegraph Linie». Bei Sonnenuntergang spielten wir noch eine Runde Wüstensand-Golf am Schluss der anstrengenden Reise. Kommen wir zum unrühmlichen Teil:

Airshot of Hardy Reef, Great Barrier Reef, Brisbane, Queensland

Australien hat ein grosses CO2-Problem aufgrund der Abhängigkeit von der Kohleindustrie. Allein im Staat Queensland gibt es über 50 Kohlenminen und gleichzeitig mit dem Umweltgipfel 21 in Glasgow ist sogar eine der weltgrössten Minen, die «Adani-Mine» im Bau aber noch nicht in Betrieb. Australien ist der zweitgrösste Exporteur von Kohle und schert sich einen Dreck um die angestrebten Klimaziele. Der Kohleaustoss verursacht weltweit 30 Prozent der CO2 Emissionen. So kommt es zu langen Dürreperioden, verheerenden Buschbränden, aussergewöhnlichen Hitzeperioden, man könnte sagen, die Erde glüht und kocht vor Wut über den fossilen Raubbau und die Unbedenklichkeit bei der Ausbeutung des Planeten. Die Buschbrände führten zu über einer Milliarde toter Tiere und über die Hälfte des Great Barrier Reef ist ausgebleicht und ein zu einem gigantische Korallenfriedhof verkommen. Es gäbe noch viel über das Land, das ich fünf Mal bereist habe, zu berichten, doch fliegen wir nun in die Südsee.

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Links:

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Konzert und Foto-Ausstellung im GZ Heuried (12.1 bis 8.2.2023)

Autor/Fotografenportrait

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