Auszug aus dem Buch «DAS PENDEL SCHLÄGT ZURÜCK – POLITISCHE & ÖKOLOGISCHE METAMORPHOSEN» des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller.
Vorwort:
Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisen-regionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund und analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transformations-prozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse in einigen Ländern auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend. Eine gelungene Mischung aus globalen Polit-Thrillern, geho-bener Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Es erwartet Sie eine Reise durch die epochale Vergangenheit und metamorphorische Phasen vieler exotischer Länder rund um den Globus. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell, ökologisch sowie politisch versierten Globetrotter.
Die Parfüminseln tauchen aus der Versenkung empor
Lange hielten sich die rivalisierenden Sultanate am Schnittpunkt der arabischen und afrikanischen Welt im Verborgenen. Ausser den Parfumherstellern, die sich hier mit den begehrten Ylang-Ylang Duftstoffen eindeckten und bereicherten, kennen nur wenige die Grande Comores, mit den vier Inseln, Grande Comores, Anjouan, Moheli und Grand Mayotte. Die Einheimischen nennen die vier Vulkaninseln zwischen Madagaskar und Mocambique Ngazidja, Ndzuani, Mwali und Mayotte. Sie sind politisch und geografisch gespalten und kulturell ein Panoptikum, wo malayische, polynesische, afrikanische und französische Einflüsse verschmelzen. Vor der Kolonialzeit rangen bis zu 12 Sultanate vergeblich um die Vorherrschaft. Den Franzosen gelang es 1845, die durch die zerstrittenen Regenten geschwächten Komoren unter ihre Schutzherrschaft zu stellen und sie 1912 zum Überseeterritorium der Grande Nation zu erklären.
In einem Referendum votierten 1977 allein Mayottes Bevölkerung für den Verbleib bei Frankreich. Die anderen Inseln entschieden sich für die Unabhängigkeit und für die lang ersehnte, hartumkämpfte Unabhängigkeit und vereinten sich schliesslich zur islamischen Konföderation der Komoren. Doch der Spaltpilz Mayotte trübten die Einheit des neuen Insel-staates, der die Unabhängigkeit übrigens wirtschaftlich gesehen, enorm büsste und total verarmte. An touristischer Attraktivität würde es den Inseln bei weitem nicht fehlen. Grande Comores ist mit 1025 Quadratkilometern die grösste Insel. Hinter Ngazidjas Hauptstadt Moroni, deren prächtiger Bau die strahlend weisse Freitagsmoschee schon von weitem aus dem Häusermeer hervorsticht, erhebt sich der mächtige Vulkan Karthala.
1977 brach er zum letzten Mal aus, hinterlies breite Lavaspuren, die der jüngsten komorischen Vulkaninsel einen bizarren Anstrich verlieh. Durchquert man Grande Comores von West nach Ost über den steilen Dibwani-Pass, ragen auf der nördlichen Flanke der Strasse viele weitere kleine Vulkankegel empor. Dieser fantastischen Mondlandschaft haben die Komoren wohl auch den arabischen Namen der «Mondinseln» zu verdanken. Auch die Küste ist zumeist aus schroffem, pech schwarzen Lavagestein. Der schönste Badeort der Hauptinsel wartet mit drei perlenweissen Stränden auf, umsäumt vom vorgelagerten, schillernden Korallenriff. Hier hat sich das Galawa Hotel eingenistet. Bei Ebbe treffen scharenweise buntgekleidete Frauen mit Kopftüchern ein. Im seichten, kristallklaren Wasser fischen sie mit Netzen und Harpunen aus Armierungseisen Jagd auf Tintenfische oder auch grössere Fische, die sich in ihren im Kreis aufgespannten und dann zusammengezogenen Netzen verfangen.
Anjouan, die Perle der Komoren, ist die Insel der unberührten Täler, der idyllischen, tropischen Fluss- und schroffen, dicht bewachsenen Kraterlandschaften und Vulkankegeln. Am Fusse der Regenwälder liegen die herrlich duftenden Vanille, die Gewürz und die Ylang Ylang Plantagen, an denen sich die französischen Parfumhersteller Jahrzehntelang bereicherten. Die Nachbarinsel Moheli gibt sich überaus afrikanisch orientiert und ist ein Refugium der Riesenwasserschildkröten, die ich völlig überraschend zu Hunderten am nächtlichen, vom Vollmond hell erleuchteten Strand ihre Eier verbuddelnd sah.
Ansonsten ist die Insel eher ein Refugium für Robinson Cruso AnhängerInnen. Auf dem Markt von Mitsamiouli erkennt man die wenigen Musungus (weisse Touristen) auf den ersten Blick. Ich sah jedenfalls ausser meinen drei Journalisten-Kollegen keinen einzigen Weissen auf der Insel. Hier dominierten nicht mit schwarzen Hijabs verschleierte Frauen, sondern die mit farbenfrohen Ngazidjas und um den Körper geschlungen Lesotho-Tücher gekleideten Ladies das Bild, derweil die Frauen auf Anjouan zumeist einen rotweissen Chiromani trugen. Viele der Gesicher waren mit einer dicken Schicht aus Sandelholz als Sonnen- und Moskitoschutz bedeckt. Die mit fortschreitender Tageszeit bröckelnde Schönheitsmaske,, diente dazu die zarte Haut der Frauen gepflegt zu erhalten. Echt schockiert war ich, als ich im Hotelzimmer, der sich so puritanisch gebenden islamischen Gottesstaaten auch wenig kaschiert Präservative herum lagen. Dass anstatt des Korans Kondome auf dem Nachtisch liegen würden, hätte ich hier zuletzt erwartet. Und dass es hier Kondome offensichtlich zur Standard-Hotelzimmer-Ausstattung gehörten, hätte ich nimmer erwartet. Man(n) lernt dazu. Später fand ich heraus, dass es neben dem Normaltarif auch noch einen Schäferstündchen-Tarif gab.
Doch von den pragmatisierten und zeitgenössischen sogenanten Unsitten nun zu den traditionellen matriarchalischen Sitten des Landes. Bei der Grande Mariage, dem pompösesten Fest und wichtigsten Ereignis im Leben eines Komorers und einer Komorerin, werden traditionellerweise alle Geschütze aufgefahren. So kommt es vor, dass die Eltern ihrer Braut ein Haus bauen, derweil der Bräutigam die Braut mit echtem Gold oder Juwelen überhäuft. Die während Tagen oft mit Hunderten von Gästen zelebrierte Hochzeit ist nicht nur ein festliches Grossereignis sondern stets auch mit sozialem Aufstieg verbunden. So jedenfalls die Erwartung der meisten InselbewohnerInnen. Eine Familie vollzieht durch diesen Akt auch einen Klassen-wechsel in die Oberschicht, wird im Kreis der grands notables aufgenommen und ist fortan auch im politisch religösen Kontext einflussreicher. Nicht selten bedeutet die Grande Mariage aber auch den finanziellen Ruin einer Familie. Sxchon damals monierten die Jungen Leute zu Recht, dass das Geld besser in die Bildung und Weiterentwicklung des Landes investiert werden sollte, statt es so unsinnig zu verpulvern. Die Analphabetenrate betrug damals fast 50 Prozent und die Republik der Komoren zählte zu den 15 ärmsten Nationen der Welt.
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