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Komoren:  Die Parfüminseln tauchen aus der Versenkung empor

Auszug aus dem Buch «DAS PENDEL SCHLÄGT ZURÜCK – POLITISCHE & ÖKOLOGISCHE METAMORPHOSEN» des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller.

Grandes Comores: A young woman having a sandelwood facial mask on while walking through the public.

Vorwort:

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisen-regionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund und analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transformations-prozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse in einigen Ländern auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend. Eine gelungene Mischung aus globalen Polit-Thrillern, geho-bener Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlichen Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Es erwartet Sie eine Reise durch die epochale Vergangenheit und metamorphorische Phasen vieler exotischer Länder rund um den Globus. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell, ökologisch sowie politisch versierten Globetrotter.

Die Parfüminseln tauchen aus der Versenkung empor

The Comores Islands belong to the poorest countries in the world with a very high birth child death rate

Lange hielten sich die rivalisierenden Sultanate am Schnittpunkt der arabischen und afrikanischen Welt im Verborgenen. Ausser den Parfumherstellern, die sich hier mit den begehrten Ylang-Ylang Duftstoffen eindeckten und bereicherten, kennen nur wenige die Grande Comores, mit den vier Inseln, Grande Comores, Anjouan, Moheli und Grand Mayotte. Die Einheimischen nennen die vier Vulkaninseln zwischen Madagaskar und Mocambique Ngazidja, Ndzuani, Mwali und Mayotte. Sie sind politisch und geografisch gespalten und kulturell ein Panoptikum, wo malayische, polynesische, afrikanische und französische Einflüsse verschmelzen. Vor der Kolonialzeit rangen bis zu 12 Sultanate vergeblich um die Vorherrschaft. Den Franzosen gelang es 1845, die durch die zerstrittenen Regenten geschwächten Komoren unter ihre Schutzherrschaft zu stellen und sie 1912 zum Überseeterritorium der Grande Nation zu erklären.

In einem Referendum votierten 1977 allein Mayottes Bevölkerung für den Verbleib bei Frankreich. Die anderen Inseln entschieden sich für die Unabhängigkeit und für die lang ersehnte, hartumkämpfte Unabhängigkeit und vereinten sich schliesslich zur islamischen Konföderation der Komoren. Doch der Spaltpilz Mayotte trübten die Einheit des neuen Insel-staates, der die Unabhängigkeit übrigens wirtschaftlich gesehen, enorm büsste und total verarmte. An touristischer Attraktivität würde es den Inseln bei weitem nicht fehlen. Grande Comores ist mit 1025 Quadratkilometern die grösste Insel. Hinter Ngazidjas Hauptstadt Moroni, deren prächtiger Bau die strahlend weisse Freitagsmoschee schon von weitem aus dem Häusermeer hervorsticht, erhebt sich der mächtige Vulkan Karthala.

Islamique Republic Grande Comores: Volcanic landscape at Dibwani Pass

1977 brach er zum letzten Mal aus, hinterlies breite Lavaspuren, die der jüngsten komorischen Vulkaninsel einen bizarren Anstrich verlieh. Durchquert man Grande Comores von West nach Ost über den steilen Dibwani-Pass, ragen auf der nördlichen Flanke der Strasse viele weitere kleine Vulkankegel empor. Dieser fantastischen Mondlandschaft haben die Komoren wohl auch den arabischen Namen der «Mondinseln» zu verdanken. Auch die Küste ist zumeist aus schroffem, pech schwarzen Lavagestein. Der schönste Badeort der Hauptinsel wartet mit drei perlenweissen Stränden auf, umsäumt vom vorgelagerten, schillernden Korallenriff. Hier hat sich das Galawa Hotel eingenistet. Bei Ebbe treffen scharenweise buntgekleidete Frauen mit Kopftüchern ein. Im seichten, kristallklaren Wasser fischen sie mit Netzen und Harpunen aus Armierungseisen Jagd auf Tintenfische oder auch grössere Fische, die sich in ihren im Kreis aufgespannten und dann zusammengezogenen Netzen verfangen.

Anjouan, die Perle der Komoren, ist die Insel der unberührten Täler, der idyllischen, tropischen Fluss- und schroffen, dicht bewachsenen Kraterlandschaften und Vulkankegeln. Am Fusse der Regenwälder liegen die herrlich duftenden Vanille, die Gewürz und die Ylang Ylang Plantagen, an denen sich die französischen Parfumhersteller Jahrzehntelang bereicherten. Die Nachbarinsel Moheli gibt sich überaus afrikanisch orientiert und ist ein Refugium der Riesenwasserschildkröten, die ich völlig überraschend zu Hunderten am nächtlichen, vom Vollmond hell erleuchteten Strand ihre Eier verbuddelnd sah.

Grandes Comores: The Mosque and Mausoleum in Mitsamiouli on Anjouan island

Ansonsten ist die Insel eher ein Refugium für Robinson Cruso AnhängerInnen. Auf dem Markt von Mitsamiouli erkennt man die wenigen Musungus (weisse Touristen) auf den ersten Blick. Ich sah jedenfalls ausser meinen drei Journalisten-Kollegen keinen einzigen Weissen auf der Insel. Hier dominierten nicht mit schwarzen Hijabs verschleierte Frauen, sondern die mit farbenfrohen Ngazidjas und um den Körper geschlungen Lesotho-Tücher gekleideten Ladies das Bild, derweil die Frauen auf Anjouan zumeist einen rotweissen Chiromani trugen. Viele der Gesicher waren mit einer dicken Schicht aus Sandelholz als Sonnen- und Moskitoschutz bedeckt. Die mit fortschreitender Tageszeit bröckelnde Schönheitsmaske,, diente dazu die zarte Haut der Frauen gepflegt zu erhalten. Echt schockiert war ich, als ich im Hotelzimmer, der sich so puritanisch gebenden islamischen Gottesstaaten auch wenig kaschiert Präservative herum lagen. Dass anstatt des Korans Kondome auf dem Nachtisch liegen würden, hätte ich hier zuletzt erwartet. Und dass es hier Kondome offensichtlich zur Standard-Hotelzimmer-Ausstattung gehörten, hätte ich nimmer erwartet. Man(n) lernt dazu. Später fand ich heraus, dass es neben dem Normaltarif auch noch einen Schäferstündchen-Tarif gab.

Doch von den pragmatisierten und zeitgenössischen sogenanten Unsitten  nun zu den traditionellen matriarchalischen Sitten des Landes. Bei der Grande Mariage, dem pompösesten Fest und wichtigsten Ereignis im Leben eines Komorers und einer Komorerin, werden traditionellerweise alle Geschütze aufgefahren. So kommt es vor, dass die Eltern ihrer Braut ein Haus bauen, derweil der Bräutigam die Braut mit echtem Gold oder Juwelen überhäuft. Die während Tagen oft mit Hunderten von Gästen zelebrierte Hochzeit ist nicht nur ein festliches Grossereignis sondern stets auch mit sozialem Aufstieg verbunden. So jedenfalls die Erwartung der meisten InselbewohnerInnen. Eine Familie vollzieht durch diesen Akt auch einen Klassen-wechsel in die Oberschicht, wird im Kreis der grands notables aufgenommen und ist fortan auch im politisch religösen Kontext einflussreicher. Nicht selten bedeutet die Grande Mariage aber auch den finanziellen Ruin einer Familie. Sxchon damals monierten die Jungen Leute zu Recht, dass das Geld besser in die Bildung und Weiterentwicklung des Landes investiert werden sollte, statt es so unsinnig zu verpulvern. Die Analphabetenrate betrug damals fast 50 Prozent und die Republik der Komoren zählte zu den 15 ärmsten Nationen der Welt.

Grande Comores: The harvest of the Ylang Ylang plant will be destilled to a perfume extract here in Mutsamudu. Most often children do the job

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IN EIGENER SACHE: IHR BEITRAG AN HUMANITAERE UND OEKO-PROJEKTE

Geschätzte Leserin, werter Leser

Der Autor unterstützt noch immer zahlreiche Projekte. Infolge der COVID-19 Pandemie ist es aber für den Autor selbst für und zahlreiche Projekte schwieriger geworden. Die Situation hat sich verschärft. Für Ihre Spende, die einem der im Buch genannten Projekte zufliesst, bedanke ich mich. Falls Sie einen Beitrag spenden wollen, melden Sie sich bitte per Mail bei mir gmc1(at) gmx.ch. Vielen Dank im Namen der Empfänger/innen.

Kuba 1993: Augenschein auf der Insel der Idealisten, die sich von Hoffnung ernähren

AuAuszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller

VORWORT

Dieses Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf viele politische Vorgänge in Krisenregionen. Er beleuchtet das Schicksal der indigenen Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenrechtliche Schicksale in den Vordergrund, prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Schmetterlingseffekte der Hedge Funds und Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert, hintergründig, spannend und erhellend Eine gelungene Mischung aus gehobener Reiseliteratur, globalem Polit-Thriller, gespickt mit abenteuerlichen Geschichten und persönlichen Essays – den Highlights seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie eben. Der Autor publizierte Hunderte von Reportagen in deutschsprachigen Tageszeitungen und Magazinen.

1993 als meine Tochter Aiala gerade drei Monate alt war, flog ich mit ihr und ihrer Mutter Roberta mit Windeln für einen Monat nach Kuba. Es ging um ein Schweizer Filmprojekt mit Fidel Castro und Geraldine Japlin war die Türöffnerin zu den sozialistischen Machthabern. Es war die «Periodo especial en tiempo de paz», die Zeit des Notstandes in Friedenszeiten, als Kuba nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Mauerfall in die wirtschaftliche Krise stürzte und einem drastischen Systemwechsel unterziehen musste. Durch die «Dollarliberalisierung» im sozialistischen Karibikparadies, um von der Zuckerwirtschaft auf den Tourismus umzuschwenken, vollzog sich eine Revolution vom sozialistischen Herz zum kapitalistischen Verstand, wie ich in den Medien schrieb.

Die klassenlose Gesellschaft war nunmehr in zwei Lager aufgespalten: Die mit den grünen US-Scheinen (fulanos) und die mit den wertlosen Pesos, die «esperancejos», den Hoffenden eben. So hat die Jagd nach dem «fula» (schlechten Geld) kafkaeske Formen angenommen. Die staatliche Tourismusorganisation «Cubanacan» rafft auf dem Schwarzmarkt alle Waren zusammen, um sie den mit Dollar zahlenden Touristen anzubieten. Auch die frischen Fische landen nicht auf dem Teller der hungernden Bevölkerung sonder in einem Touristenhotel in Havanna.

Zu dieser Zeit war vierstöckige Warenhäuser – bis auf ein paar Glasperlen und Plastikringe, ein paar Büchsen, Kartoffel und ein paar landwirtschaftlichen Erzeugnissen – leer. Auf den Bauernmärkten standen die Leute stundenlang für ein paar Eier an. Strom gab es nur selten. Ganze Stadtteile waren stockfinster.

Prostitution und Apartheid-Tourismus – ein Teufelskreislauf

„So einen schockierenden standstill“ hatte ich bisher noch nie gesehen“. Gerade deswegen lief wohl die Propagandamaschine des sozialistischen Castro-Regimes auf Hochtouren, um uns Journalisten von den Vorzügen des sozialistischen Tourismus-Paradieses zu überzeugen. Ueberzeugend waren nur die «Mojitos» und die jungen, sehr hübschen kubanischen Frauen, die sich als sogenannte «jineteras», Reiterinnen der Nacht entpuppten, die sich am Pier von Varadero auf das Touristenschiff drängten und ihr Glück suchten.

Aber als «embedded» Journalist hatte ich Zugang zu aussergewöhnlichen Personen, wie der Gründerin der Frauenorganisation in den 60er Jahren. Da war Kuba uns also weit voraus. Dann die berühmte Onkologin Miranda Martinez, die mir das revolutionäre Gesundheitssystem zeigte und auch deren Schwächen offenbarte. Und auch eine Revolutionärin der ersten Stunde, die mit Fidel Castro Seite an Seite gekämpft hat. Dann besuchte ich Ana Fidelia Quirot, das Olympia-Langstreckenwunder, das einen tragischen Unfall in der Küche mit Petrolium hatte und als Schwangere schwerste Verbrennungen erlitt und dabei ihr Kind von Sotomayor verlor. Ein Exklusivinterview, auf das TV-Stationen schon lange vergeblich warteten.

Auch ins politische Machtzentrum drangen wir dank Geraldin Japlin vor. Es ging ja um einen Film über Kuba und die «Cuban Stars» mit schweizer und kubanischen Filmemachern. Beim Interview im Hotel «El International» in Havanna, in dem wir auch wohnten, sass mein drei Monate alte Tochter Aiala auf Geraldines Schoss, während wir das Interview führten. Auch sonst war es völlig unkompliziert mit einem Baby in Cuba rumzureisen. Alle kubanischen Frauen stürzten sich sofort auf Aiala und unterhielten sie bestens und fürsorglich. Für «Annabelle», eine führende Frauenzeitschrift in der Schweiz, waren die Frauenportraits aus allen kubanischen Schichten geplant.

Am Schluss unseres Aufenthaltes hat die Sport-Journalistin, die uns das ganze Programm zusammengestellt und die Kontakte mit den Frauen hergestellt hatte, ein Referat vor versammelter kubanischer Presse, Radio und Fernsehen vorgesehen, in dem ich über die Schweizer Medienlandschaft und den Journalismus in der Schweiz halten sollte. Ich hatte dazu nicht viel Zeit, wollte ihr aber den Gefallen nicht abschlagen und überlegte mir gut, was und wie ich es sagen sollte, um nicht allzufest politisch anzuecken. Es war ein Balanceakt der Informationsvermittlung mit leisen kritischen Tönen. Ich übergab das Refereat an Roberta, die ersten besser Spanisch sprach und zweitens, da wir ja im Kontext der Recherchen für eine Frauenreportage nach Kuba gekommen waren.

Dann wurden wir noch von den Radio-Journalistinnen und Journalisten interviewt und just am nächsten Morgen früh, als wir um 07.00 Uhr schon in einer mechanischen Frauenwerkstatt standen (immer mit Aiala im Snuggli dabei) erstrahlte gerade ein Interview über den staatlichen Sender von unserem gestrigen Referat und Auftritt. Das war lustig und ein geniales Timing und verschaffte uns wiederum viel Sympathie und Hochachtung. Es waren spannende 30 Tage auf der Zuckerinsel, aber auch ein beelendender Zustand des Landes und dem Hunger und der Armut in der
Bevölkerung. Tourismus gab es damals noch sehr wenig. Das änderte sich aber rasch, denn die Kubaner brauchten Geld und das dringend und lockerten die Devisenvorschriften.

Die sozialistische Insel zog mich in der Folge immer wieder mal an und dank der Kooperation mit der Fluggesellschaft «AOM» flog ich zwischen 1993 und 1998 fast jährlich zur Zuckerinsel rüber und wohnte bei einer kubanischen Familie, einem älteren Paar, das in damals höchsten Hochhäuser am Malecon direkt neben dem legendären Hotel «El Nacional» lebte. Dort hatte ich mein Zimmer mit eigenem Zugang und einer Verbindungstür zu ihrer Wohnung. Das war perfekt für den sozialen Austausch mit dem Ehepaar Claris und Nilo und meinen nächtlichen Eskapaden mit den schärfsten kubanischen Mädels von Havanna.

Trotz harscher Kontrollen und Bespitzelung konnte ich meine Liasons pflegen, ja geradezu kultivieren. Ich kaufte mir ein billiges chinesisches Fahrrad und fuhr kreuz und quer durch Alt-Havanna hindurch. Da war Kuba noch kein Ueberlaufenes Touristenparadies. Und ohne Spanisch ging gar nichts. Doch das änderte sich in der Folge recht rasch dank den Bestrebungen des Regimes, das Land für den Tourismus zu öffnen und die ersten touristischen Enklaven zu schaffen.

Hier folgt nun noch eine Fotostrecke über Kuba:


Zur Publikationsübersicht    https://www.allmytraveltips.ch/?p=29322

Zu den Kuba-Printmedien Reportagen:

Die Insel der Idealisten, die sich von Hoffnung ernähren  Aargauer/Badener Tagblatt

Zu wenig zum Leben, zuviel zum Sterben Der Bund                                                              

Kuba-Krise im Touristenparadies Sonntag Zeitung                            

Die Gesetze der Strasse Globo                                                                  

Kuba’s Koloniale Pracht Relax & Style                                                               

Auf nach Varadero – es eilt! St. Galler Tagblatt                                       

Ana Fidelia Quirot: Der Sport heilt alle Wunden Blick

Lebensfreude in der Karibik Unterwegs                                                                     

Zuckerinsel im sozialistischen Dollarrausch Der Bund              

 

IN EIGENER SACHE: IHR BEITRAG AN HUMANITAERE UND OEKO-PROJEKTE

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COVID-19 Pandemie ist es aber für den Autor selbst für und zahlreiche Projekte schwieriger geworden. Die Situation hat sich verschärft. Für Ihre Spende, die einem der im Buch genannten Projekte zufliesst, bedanke ich mich. Falls Sie dies tun wollen, melden Sie sich bitte per Mail bei mir gmc1(at) gmx.ch.
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Kontraste: Je drei Monate im Senegal, in Polen und London

Auszug aus dem Buch des Zürcher Fotojournalisten Gerd Michael Müller

VORWORT

Das Buch des Zürcher Foto-Journalisten Gerd Michael Müller nimmt Sie ab den wilden 80er Jahren mit auf eine spannende Zeitreise durch 30 Länder und 40 Jahre Zeitgeschichte mit Fokus auf mehrere politische und ökologische Vorgänge in Krisenregionen rund um den Globus. Er beleuchtet das Schicksal indigener Völker, zeigt die Zerstörung ihres Lebensraumes auf, rückt ökologische Aspekte und menschenliche Schicksale in den Vordergrund, analysiert scharfsichtig und gut informiert die politischen Transforma-tionsprozesse. Müller prangert den masslosen Konsum und die gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen an, zeigt die Auswirkungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Prozesse auf und skizziert Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels. Pointiert hintergründig, spannend und erhellend. Eine Mischung aus globalem Polit-Thrillern, gehobener Reiseliteratur, gespickt mit sozialkritischen und abenteuerlichen Geschichten sowie persönlicher Essays – den Highlights und der Essenz seines abenteuerlich wilden Nomaden-Lebens für die Reportage-Fotografie. Nach der Lektüre dieses Buchs zählen Sie zu den kulturell, ökologisch sowie politisch versierten Globetrotter

Senegal 86: Zwischen den Fronten und in der Welt der Hexen und Heiler

Der Senegal ist eine Welt der Geister, Hexen, Heiler und Wahrsager. Alles ist sehr mystisch angehaucht. Es werden Flüche ausgesprochen und Leute verhext und irgendwie fürchtet sich jeder davor. Daher tragen auch alle einen Boubou, einen Glücksbringer, der sie schützen soll. Auch der Kleiderkult ist legendär. Die schönsten, sehr farbenprächtigen Kleider und Kostüme werden in Dakar feilgeboten.

Die bunt bemalten Pirogen, die Einbaumboote reihen sich am Strand im Getümmel der Fischer und Händler auf. Als Transportmittel gibt es Minibusse, die in alle Richtungen fahren und überall anhalten, wo ein Fahrgast ein- oder aussteigen möchte. Dakar ist eine äusserst pulsierende Metropole. Tag und nachts, denn erst ab den Abendstunden ist die Temperatur angenehm, derweil sie über Mittag bis auf 40 Grad ansteigt.

Mich faszinierte vor allem der Silberschmid-Markt. Hier wurden unglaublich schöne Ringe aus Horn, mit ziseliertem Silber reich geschmückt, angefertigt. Spannend waren auch die hier feilgebotenen Textilien und Kleider. Zum ersten Mal im Leben suchte ich mir die Stoffe für meine Lokal-Kolorit-Bekleidung selbst aus, brachte sie zum Schneider und liess mir die Kleider nach Wunsch und auf Mass zuschneidern. Für alle Völker des Senegals ist Musik, kombiniert mit Tanz und Erzählung, die wichtigste kulturelle Ausdrucksform. Ich hatte das Glück bei einem Konzert von Fela Kuti dabei zu sein.

1986 wurde ich als Stations- und Reiseleiter erst drei Monate im Senegal, dann in Warschau in Polen (also im damaligen Ostblock) und zuletzt in London für weitere drei Monate eingesetzt. Beim ersten Resident Manager Einsatz im Senegal war Flaute angesagt (sowie in Covid-Zeiten), denn damals war «AIDS» gerade erst auf dem Radar aufgetaucht und noch rätselte die Medizin darüber, woher das Virus kam und wie es übertragen wird. Erst vermutete man noch durch eine Fliege aus Afrika, dann kamen Affenbisse in Frage.

Daher war nicht viel los im «Club Aldiana» nahe M’Bour. Hier, rund vier Stunden Autofahrt von Dakar aus in den Süden, entlang der Küste gelegen, gab es einen prächtigen Fischermarkt mit quirligem Treiben und buntbeamlten Pirogen, den Einbaum-Fischerbooten. Im «Club Aldiana», in dem die meisten Gäste logierten, fuhr ich drei Mal pro Woche mit den abreisenden Feriengästen zum Flughafen nach Dakar hoch und brachte die ankommenden Gäste in den Club runter. Dies war jedes Mal eine recht abenteuerliche Reise, weil viele Transfers bei Dunkelheit statt fanden. Interessant war auch, dass sich zu dieser Zeit auffallend viele weisse Frauen mitte 40 und älter als Touristinnen dort aufhielten, um sich offensichtlich mit viel jüngeren Senegalesen die Zeit zu vertreiben.

Die islamische Republik Senegal erstreckt sich von den Ausläufern der Sahara im Norden, wo das Land an Mauretanien grenzt, bis an den Beginn des tropischen Feuchtwaldes im Süden, den Nachbarn Guinea und Guinea-Bissau, sowie von der kühlen Atlantikküste im Westen in die heiße Sahel-Region an der Grenze zu Mali im Osten. Gut 90 Prozent der Bewohner des Landes bekennen sich zum sunnitischen Islam.

Das Land befindet sich also an der Atlantikküste im Übergang von der kargen Vegetation der Sahelzone im Norden zu den fruchtbareren Tropen im Süden und wird genau in Ost-West-Richtung verlaufende Landgrenze von einem 300 Kilometer tiefen Einschnitt durchtrennt, der das Staatsgebiet von Gambia bildet. Wer also von Dakar aus in den Süden des Landes in die Casamance will, muss zwangsläufig durch Gambia hindurch. Diese Grenze zwischen Gambia und Senegal erschwert die Verbindung der senegalesischen Südwestregion Casamance zum Rest des Landes.

Der Salzsee Lac Retba unweit Dakars ist wegen seiner rosa Verfärbung aufgrund der Aktivität von Organismen im Wasser berühmt. Er ist bedeutend für die Salzgewinnung und den Tourismus; die UNESCO hat ihn zum Welterbe erklärt. Sehenswert sind auch die Region Saint-Louis, sie erstreckt sich in West-Ost-Richtung über rund 300 Kilometer bei einer durchschnittlichen Breite von 65 Kilometer entlang des Südufers des Senegal-Stroms. Im Westen der Region liegt der Nationalpark Djoudj, der Heimat von tausenden Vogelarten ist.

Das bedeutendste Volk des Senegal sind die Wolof und das ist auch die meistverbreitete Sprache unter den vielen Dialekten. Die Wolof gründeten zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert mehrere feudalistische Königtümer, deren Spuren bis heute in der Gesellschaft des Landes sichtbar sind. Dann gibt es die Serer, ein katholisches Bauernvolk im Zentrum und Westen des Senegal, der sonst zu 95 Prozent islamisch ist. Die Diola leben im Süden des Landes, in der Casamance und sind vor allem Reisbauern. Die Mandinka, Bambara und Soninke sind Ethnien, die starke, grenzüberschreitende Verbindungen, vor allem nach Mali, haben. Der Senegal ist also ein Vielvölkerstaat.

Durch die «AIDS»-Krise, die den Afrika-Tourismus drastisch reduzierte, hatte ich Zeit für eine kurze Reise in den Süden Senegals in die Casamance und durchquerte dabei auch Gambia. In einem kleinen Kaff mietete ich einen Bungalow und lief mit meiner Kamera in der Wildnis nahe der Grenze rum und wurde unvermittelt im Gestrüpp von einer Soldatentruppe des Militärs von Guinea-Bissau angehalten und stundenlang verhört. Da der Kommandant nur portugiesisch sprach, dauerte es eine Weile, bis ich erfuhr, dass es einen Konflikt wegen des Öl-Vorkommens im Grenzgebiet zwischen den beiden Ländern gäbe und ich erinnerte mich an einen TV-Beitrag vor wenigen Tagen, dass sich exakt zu diesem Zeitpunkt die Streitparteien in Genf zu Verhandlungen trafen.

Dies war mein Rettungsanker und Trumpf, als Schweizer in dieser prekären Situation. So versuchte ich dem Kommandanten klar zu machen, dass es äusserst schlecht wäre, wenn sie mich gefangen nähmen und damit die Verhandlungen in Genf gefährdeten. Das verstand er und liess mich dank einer verhältnismässig grosszügigen Geldspende unbeschadet von Dannen ziehen. Erleichtert lief ich in die Casamance, also in den Senegal zurück. Dort angekommen, hatte ich kein Bargeld mehr, um die Miete für die Lodge zu zahlen. Dazu musste ich erst eine Tagesreise entfernt nach Zuiginchor reisen, um den Reisecheck zu wechseln. Also erzählte ich dem Hotelier vom Grenzerlebnis und meiner Spende, bei der die Miete drauf ging und lief dann erschöpft zum Bungalow, um erst einmal schlafen zu gehen.

Infolge des Grenzkonflikts war nachts war immer einer bewaffnet auf Wache

Doch es dauerte nicht lange, dann fuhren zwei Militärjeeps mit Getöse vor meiner Hütte vor und acht waffenstarrende Soldaten stiegen aus. Diesmal waren es senegalesische Soldaten, aber das beruhigte mich nicht eben. „Sie hätten Befehl, mich zum Militärgouverneur zu eskortieren“, sagten sie zu mir. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“, dachte ich und versuchte den Adrenalinschub zu bremsen. Eine halbe Stunde später sass ich vor dem Militärkommandanten, der mich über den Grenzvorfall ausfragte. Er habe vom Vermieter davon Kenntnis erhalten und möchte mehr dazu wissen. „Scheisse“, dachte ich mir, heute ist aber ein anstrengender Tag, geht nun die Kriegs-Diplomatie wieder von vorne los? Jetzt gilt es, möglichst alles runter zu spielen und so wenig wie möglich zu sagen, dachte ich mir. Das übte ich dann gute vier Stunden lang mit dem senegalesischen Kommandanten, worauf wir beide ziemlich fix und fertig war. An einem Tag zwei Militärverhöre bei verfeindeten Staaten, das war schon eine Härteprobe spezieller Güte.

Die Dorfgemeinschaft tritt zusammen und berät über einige Streitfälle

Am Ende des Einsatzes im Senegal, der von den ersten «AIDS-Kranken und «HIV»-Fällen überschattet wurde, lud ich meine letzten Gäste in M’Bour in ein maurisches Cafe ein, dass auch «Vielle Prune» also einen ganz feinen «Zwetschgenschnaps» servierte – eine absolute Rarität in Afrika. Meine Gäste wussten aber sofort, um welches Getränk es sich dabei handelt. Schmunzelnd erklärte mir der etwas über 50 jährige Mann, dass er VR-Präsident der «Destillerie Willisau» sei und dieses Getränk herstelle und vertreibe.

So freuten wir uns noch mehr über die nächsten paar Tropfen und als der Gast erfuhr, dass ich nach Warschau versetzt werde, meinte er sofort: „Oh, da kenn ich einen ganz feinen Menschen und hochrangigen Politiker, da wir den Wodka aus Polen importieren“. Also schrieb er mir den betreffenden Namen auf einen Zettel und gab ihn mir zur Empfehlung und Kontaktaufnahme mit. Dank dieser „Schnaps-Connection“ im Senegal hatte ich, ohne es damals gerade zu ahnen, ein Ass für meine nächste Mission gezogen. wie wir gleich erfahren nach einem kurzen, zeitgemässen Diskurs über den Senegal wie man ihn heute sieht.

Der Senegal ist eine sehr junge Nation, mit rund 40 Prozent arbeitslosen Jugendlichen, die im März 2021 einen fünf Tage andauernden gewalttätigen Protest ausgefochten hat, bei dem Gerichte, Polizeistationen, Rathäuser, regierungsnahe Medien, die Häuser von Politikern und viele francophone Einrichtungen angegriffen wurden. Derweil die Jugend gegen die Korruption und Unfähigkeit der Regierung(en) auf die Barrikaden stieg, geht fast die Hälfte der Kinder gar nicht zur Schule, in abgelegenen Regionen sogar bis zu 70 Prozent. Bildungspolitisch haben alle Regierungen komplett versagt und mit ihnen die französische Regierung, worin schon mal das Grundproblem liegt.

Der Zorn richtet sich auch gegen die Abhängigkeit von Frankreich, welche wirtschaftlich als auch währungspolitisch mit dem CFA eng mit Frankreich verbunden ist. Im Land der „Teranga“, was auf Wolof soviel wie Gastfreundschaft bedeutet, gibt es fast 250 Niederlassungen von französischen Unternehmen. Seit Jahren weigern sich die korrupten Politiker in Dakar, die immer wieder vorgebrachten Forderungen einzugehen, die neokoloniale Abhängigkeit endlich zu beenden. Das ist auch der Hintergrund der Antiimperialistischen Panafrikanischen Revolution (Frapp) des Aktivisten Guy Marius Sagna.

Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind der Export von Erdnüssen nach China, die Fischerei- und Landwirtschaft, der Tourismus sowie der Bausektor. China ist zu einem wichtigen Akteur in der Region geworden, doch die senegalesischen Fischer beklagen sich, dass die chinesischen Trawler auch die Fischbestände vor Senegals Küste leerfischen. Die traditionellen Grundnahrungsmittel der Bevölkerung des Senegal sind Hirse und Sorghum, die vorwiegend als Brei gegessen werden, sowie Hülsenfrüchte und Kuhmilch. Doch zählt auch der Senegal zu den Ländern die immer mehr unter dem Klimawandel und der dadurch fortschreitenden Desertifizierung leiden.

Nun will man einen 15 Kilometer breiten grünen Gürtel quer durch Afrika mit Bäumen bepfanzen um der fort-schreitenden Desertifizierung Einhalt zu gebieten. Denn der eklatante Wassermangel in vielen Regionen am Rande der Sahelzone, die Dürre und das Austrocken und Veröden ihrer Böden, treibt viele Menschen in die Verzweiflung. Aber immerhin ist Senegal eines der stabilsten Länder Afrikas mit einer funktionierenden Demokratie und keinem einzigen Militärputsch aber einigen Hundert Toten beim Abspaltungskampf der Casamance.

Warschau 1986: In Pole-Position hinter dem Eisernen Vorhang

Bei meiner Ankunft in Warschau, wo 14 Tagen zuvor ein Verkehrsflugzeug der «LOT» abgestürzt war und dabei rund 140 Menschen starben, konnte ich mit einem älteren Mann sprechen, der Englisch verstand und mir bei den Zoll- und Einreiseformalitäten für die 70 Fluggäste aus dem Westen behilflich war. Als ich mich bei ihm für seine Hilfe bedankte und nach seinem Namen fragte, antwortete er: „Mein Name ist Henry Zwirko. Wie bitte, entfuhr es mir, dies war doch der Name, der auf dem besagten Zettel stand, den mir der letzte Gast im Senegal überreicht hatte.

Das konnte doch kein Zufall sein, dachte ich intuitiv, war aber gleichzeitig mit den Pässen und Einreisepapieren beschäftigt, was sich wohl noch stundenlang hinziehen konnte, insbesondere da ich ja nach einem kurzen Briefing von wenigen Stunden in der Schweiz als Neuling hier hinter dem «Eisernen Vorhang» in Warschau angekommen war. Doch das Prozedere wurde durch den Mann der sich als eben dieser Henry Zwirko vorgestellt hatte, mit wenigen sanften, aber entschiedenen Worten an den Grenzbeamten, erheblich abgekürzt und wir konnten alle rasch ungehindert die Grenzkontrolle passieren.

„OK“, dachte ich mir, der Mann ist in der Tat vielversprechend. Kein Wunder reicht sein Einfluss weit, schliesslich ist er ja polnischer Kabinetts-Minister und sein Vater ein Kriegsheld des 2. Weltkrieges. Soviel wusste ich schon über ihn. Aber dass ich diesen besonderen Mann gleich bei meiner Ankunft in Warschau treffen würde, war schon sehr unheimlich. Im Nachhinein bestätigte sich meine Vermutung, dass der VR-Präsident dem Treffen ein wenig nachgeholfen und mir damit den Weg in eine aussergewöhnlich verschlossene Welt eröffnet hat, um die mich viele Geheimdienstler zu dieser Zeit inklusive unsere Spionageabwehr sicher beneidet hätten.

Auf ganz natürliche Art und Weise entwickelte sich eine vorzügliche Kooperation zwischen Henry Zwirko und mir. Da der offizielle Touristen-Umrechnungskurs von Schweizer Franken und D-Mark gut sieben Mal höher lag, als der in Warschau angebotene Schwarz-marktkurs, stieg ich alsbald jede Woche ein bis zwei Mal mit einer halben Million Zloty’s, die Henry mir besorgte, in den Transferbus ein, mit dem wir die neuen Gäste aus Zürich abholten und während dem Transfer vom Flughafen zu den Hotels, erzählte ich den Gästen, wie mühsam und gefährlich der illegalen Umtausch sei und offerierte, als guter Reiseleiter während der Fahrt ins Stadtzentrum jedem Gast 200 Franken zu einem guten Kurs zu wechseln. Das Geschäft lief wie geschmiert und der Buschauffeur und die lokalen Guide’s kamen dabei auch immer auf ihre Kosten und schauten diskret weg. So arbeitete ich mich souverän in die Tiefen von Korruption, Komplizen- und Planwirtschaft ein und hatte bald Geld wie Heu oder Millionen von Zloty’s in Lokalwährung ausgedrückt.

Nur, es gab nichts zu kaufen! Gar nichts, ausser Schnaps und käuflichem Sex an jeder Ecke. Ausserhalb der Touristenhotels war es sehr trist, abgesehen von ein paar sehr geheimen Orten für die Elite, in denen all die Leckerbissen, wie ein Chateau Briand oder Tartar und frische Säfte aufgetischt wurden. Ich war nur drei Mal an diesem erlauchten Ort, der für Polens Elite bestimmt war. Aber einmal sass auch Präsident Wojciech Jaruselski (der Einäugige, der den Russen die Stirn bot) mit seiner Entourage an einem der Nebentische. Das war für mich schon fast so, als wäre ich im Kreml angekommen!

Einige Jahre später hatte ich ein unerwartetes Treffen mit Gorbatschew’s Aussenminister Eduard Schewardnadse in der Sauna eines berühmten Medical Wellness Hotel mit herausragendem Schlafdiagnostik-Center im Vorarlberg. Zum Glück oder wie der Zufall es so will, hatte ich eine russisch sprachige Ukrainerin als Fotomodell dabei, daher konnten wir ein paar Worte mit ihm zusammen wechseln. Offensichtlich plagten den russischen Aussenminister Schlaflosigkeits-Symptome! Wohl aufgrund der aussenpolitischen Spannungen, denn es lief ja nicht gerade gut für die Russen. Doch zurück nach Warschau; keine zwei Wochen nach meiner Ankunft in Warschau und einer ersten Rundreise in Polen nach Krakau und Zakopane, trafen die Leichenspezialisten und Forensiker aus dem Ausland ein, um den Flugzeugabsturz vor drei Wochen zu untersuchen.

Daraufhin wurde unsere ganze Reisegruppe (stets so um die 50 bis 70 Personen) von einer Stunde auf die andere aus dem einzigen Mittelklassehotel, dem «Forum» in Warschau, rausgeschmissen. Wir mussten fortan für die nächsten 14 Tagen mit lausigen, heruntergekommenen Hotels auskommen und manchmal zu Dritt ein Hotelzimmer oder zu zweit ein Doppelbett teilen. Das war dann in etwa so wie im Militärdienst – den ich ja nur vom Hören Sagen kannte. Doch die zu 90 Prozent männlichen Gäste nahmen es relativ gelassen hin, „wir sind ja hier im Ostblock“.

Und sie waren mit kistenweise Vodka und Champagner, die ich zur Krisenbewältigung aufgeboten hatte, gut versorgt und damit echt zufrieden gestellt. Die meisten waren eh nur für eine „Touristen-Attraktion“ hier: Warschau war damals das Bangkok Europa’s und das weibliche Angebot reichlich anzüglich in jeder Hotelbar verfügbar. Ganze Bauernverbände und Aussendienstmitarbeiter mit „schwarzen Provisions-Kassen“ kamen aus der Schweiz hier her, um sich ein wenig hinter dem Eisernen Vorhang zu vergnügen.

Nur dafür hatte ich absolut keine Zeit und Muse! Der eigenen Loge beraubt und dazu täglich auf der Suche nach neuen Unterkünften, die Transfers, die komplizierte Benzinbeschaffung auf dem Schwarzmarkt und andere bürokratischen Hürden hielten mich auf Trab. Schwierig war es vor allem, immer wieder Sprit für meine Arbeitsfahrten und Transfers ergattern. Ich schlief die ersten fünf Tage im Auto – zusammen mit dem Fahrer, dann teilte ich mit einem geschäftlich in Polen weilenden Schweizer Geschäftsführer ein paar Nächte ein durchhängendes Doppelbett. Dies gab mir den Rest! Als mir das sozialistische Zigeunerleben zu bunt wurde, liess ich mit dem bündelweise verfügbaren Dollarschmiermittel die lokalen Gäste aus den Hotels rausschmeissen, in dem ich das Doppelte oder Dreifache des Zimmerpreises auf den Tisch legte.

Mit der Zeit liefen dergestalt einige Dinge wie geschmiert und als Sahnehäubchen mietete ich mir eine der schönsten und teuersten Luxussuiten im einzigen 5-Stern Hotel in Warschau, damals das «Victoria» Hotel direkt am Hauptplatz. Von dieser Staatsgast-Suite konnte ich dann auch den Papstbesuch des polnischen Pontifatius Karol Józef Wojtyła besser, als alle anderen Kamerateams von meinem Fenster aus mitverfolgen. Pontifatius Wojtyła sah ich übrigens 1993 in Kuba wieder, als der polnische Papst der Karibikinsel und Fidel Castro einen Besuch abstattete. Auch dort war ich beim päpstlichen Umzugs Tam Tam an vorderster Front dabei.

Hatte ich Zeit für mich, holte ich die arbeitslosen Mädchen in der Lobby und von der Hotel-Bar hoch, denn zu meiner Suite gehörte auch ein Piano Player im Salon zwischen den beiden Flügeln, denn Platz gab es genug in meiner Suite mit zwei Schlafzimmern und einem Salon. Bald hatte ich ein halbes Privat-Bordell bei mir zu Gast. Die drei Monate in Polen waren unvergesslich und viel spannender, als die Zeit im Senegal.

Mit einer jungen polnischen Studentin, die ein paar wenige Worte Englisch konnte, gingen bei mir dann die Pferde durch. Ich fuhr mit ihr in den Wald zu einem naheliegenden Gestüt, wo wir uns zwei Hengste ausliehen, um in einem Höllentempo durch die herrlichen Wälder zu preschen. Also genauer gesagt, hatte ich einfach keine andere Wahl, denn sie galoppierte davon und mein Gaul raste sofort hinter her, da gab es kein Bremspedal mehr. Das Wettrennen der Pferde hatte begonnen und meine zweite Reitstunde im Leben verlief nicht eben im Anfängermodus sondern im gestreckten Galopp.

Die herabhängenden Äste streiften und peitschten uns die ganze Zeit ums Gesicht, sodass wir tief gebückt den Höllenritt vollführten bis zu der Stelle, als ihr Gaul scharf bremste, worauf mein Hengst ebenfalls eine Notbremse vollzog und wir beide elegant und recht virtuos nach einem Salto Mortale im Gebüsch landeten. Immerhin hatte ich das Zaumzeug noch im Griff und es in meiner zweiten Reitstunde etliche Kilometer im gestreckten Galopp durch Polens wilde Wälder geschafft, unversehrt zu bleiben. Einfach grandios! Wild, ja geradezu hemmungslos ungestüm war auch der Sex, den wir hatten, bevor wir wieder aufstiegen und mit den Pferden zurück trotteten.

Leider war es aufgrund der sprachlichen Verständigung sehr schwierig mit der Lokalbevölkerung in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu kommunizieren und an ihrem Leben teil zu nehmen. Da blieben mir nur die hübschen Hostessen im Hotel übrig, deren Sprache ich verstand. Doch nun geht es weiter nach London, heisst es im Fax aus der «Imholz» Reiseleiter-Zentrale in Zürich.

London 1987: Die ersten Kontakte zu ANC-Exilanten geknüpft

Unter derApartheid wurden Schwarze und weisse Schulkinder getrennt unterrichtet

In London angekommen und nach kurzer Zeit eingelebt, traf ich nach einem „Betriebsunfall“ eines italienischen Reiseleiter-Kollegen, der ohne Aufenthaltsbewilligung hier arbeitete und den ich dann im Gefängnis besuchte, auch auf «ANC»-Exilanten, die vor dem rassistischen Apartheid-Regime geflüchtet waren. Gerade erst waren die UNO-Sanktionen in Kraft getreten und das südafrikanische Regime wurde erstmals an den Pranger gestellt. Da der Bruder eines unserer Londoner Reiseleiters in Südafrika lebte, wollten ein paar aus unserer Reiseleiter-Crew in diesen turbulenten Zeiten ans Kap der guten Hoffnung reisen und hernach in Botswana durch das Okavango Delta streifen.

Das klang verheissungsvoll und wurde nach unserem Einsatzende in London auch so in die Tat umgesetzt, doch zuvor kehrte ich in die Schweiz zurück, um hier im Lande mit «ANC»-Exilanten und mit der «Anti-Apartheid Bewegung» (AAB) Informationen aus London auszutauschen und um weitere Kontakte im südafrikanischen Untergrund zu knüpfen. Dergestalt gut für die Südafrika-Mission gerüstet, kam der Abflug im November 1989 rasch näher. Doch blenden wir kurz zurück, was in Südafrika in den letzten zehn Jahren geschehen war.

1950, als die Südafrikanische Regierung ihr Volk in Rassen unterteilte (Population Registration Act 35), zahlten die Schweizer Banken die ersten Kredite über 35 Millionen Franken. Als die Regierung dann Mischehen verbot (Prohibition of Mixed Marriage Act), flossen weitere 85 Millionen Franken an den Appartheid-Staat, der bis 1983 über dreieinhalb Millionen Schwarze enteignet und in «Homelands» deportiert hat. Und so gehörten 87 Prozent des Landes auf einmal den 16 Prozent Weissen.

Am 26. Juni 1955 beschliesst der ANC mit anderen Schwarzenorganisationen die Freiheitscharta und proklamiert Südafrika gehöre allen Menschen, die hier leben. Am 21. März 1960 kommt es in Sharpville zum ersten Massaker, bei der 69 Menschen von der Polizei erschossen und weitere 180 Personen schwer verletzt werden. Die Regierung ruft den Notstand aus und erlässt immer neue Gesetze, um die Schwarzen in Schach zu halten. 1962 wird Nelson Mandela verhaftet. Daraufhin empfiehlt die UNO-Vollversammlung einen Abbruch der Beziehungen mit Südafrika und 1963 doppelt der UNO- Sicherheitsrat mit einem Waffenembargo nach. Die Schweiz beschliesst zwar ein Exportverbot, aber keine Sanktionen. Dennoch werden 35 mm Kanonen von «Oerlikon Bührle» und PC-Pilatus Porter nach Südafrika geliefert.

1967 werden fast 700‘000 Schwarze innerhalb eines Jahres verhaftet, weil sie gegen die Passgesetze verstossen haben sollen. Die Ausgaben für die Innere Sicherheit betrugen bereits 17 Prozent des Bruttosozialproduktes. Als die Briten im März 1968 eine zweiwöchige Einstellung des Goldhandels beschliessen, sprintet die Schweiz in die Bresche. Nun fliesst Südafrikas Reichtum in rauhen Mengen in die Goldhandelsmetropole Schweiz. «SBG», «SKA» und «SBV» sichern sich dreiviertel des weltweiten Goldhandels.

Ein traditioneller Zulu-Tanz zur Bewahrung des kulturellen Stammeserbe

Ein Jahr später platzt die «Bührle-Affäre». Die Oerlikoner Waffenschmide hatte via Frankreich Waffen im Wert von 52,7 Millionen Franken nach Südafrika geliefert. 1973 beschliesst die «UNO» Vollversammlung Südafrika mit der «Resolution 3068» auszuschliessen und die Apartheid als «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» einzustufen, derweil die Anleihen der drei Schweizer Banken schon auf 2,2 Milliarden Franken angestiegen sind. Während jedes zweite Kind unter fünf Jahren in den Homelands stirbt, geht es den weissen Herren am Kap und der «Zürcher Goldküste» immer besser. «Oerlikon Bührle» hat mehrmals die Sanktionen umgangen. Ich erinnere mich daran, dass ich in der Exportabteilung als Lehrling die Ausfuhrbewilligungen, Frachtpapiere und Akkreditive einfach auf die «Oerlikon Bührle» Holding in Spanien oder in Italien ausstellen musste.

1979 kommt es zum Massaker in Soweto, als am 16. Juni 15‘000 Schüler dagegen protestierten, fortan in Africaans unterrichtet zu werden. 575 Menschen starben bei dem Aufstand, der sich über Monate hinzog. Die Schweizer Banken verdoppelten ihr Kreditvolumen. 1980 erklärt der reformierte Weltbund» die Apartheid zur Häresie. Dies liessen die Schweiz und den Schweizer Geheimdienst kalt. Peter Reggli richtet unbeeindruckt von den Sanktionen den Pilotenaustausch mit südafrikanischen Kampfpiloten in die Wege, der Bundesrat wurde darüber aber erst 1986 orientiert. Die Summe der Kreditvergaben der Schweizer Banken an das Apartheid-Regime vervierfachte sich. Jahr um Jahr um 100 Prozent.

Infolge der internationalen Ächtung des Apartheid Regimes profitierte die Schweiz von der Menschen verachtenden, rassistischen Politik der Weissen Infolge der internationalen Ächtung des Apartheid Regimes profitierte die Schweiz von der Menschen verachtenden, rassistischen Politik der Weissen am Kap. Die «ILO» forderte die Weltkonzerne auf, sich aus Südafrika zurückzuziehen und kritisierte die «SBG» namentlich als Sanktionsbrecherin. Nichts desto trotz erhält das südafrikanische Regime 1985 von Schweizer Banken weitere 75 Millionen Franken an Krediten zur freien Verfügung. 1986 wird der Ausnahmezustand über das hochverschuldete Land verhängt und über 10‘000 Menschen wurden verhaftet, 1800 von ihnen kamen dabei um. „Der Frieden wurde zur Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“, sagt Erzbischoff Desmond Tutu, als das Kirchenblatt, die «New Nation» geschlossen wurde.

Mein Besuch mit UN-Inspektoren im Poolsmoor Jail in Kapstadt. Hier der Besucherraum.

Als 1987 die USA Firmen bestrafen wollte, die sich nicht an die Sanktionen hielten, kam Südafrikas Präsident Peter Botha und sein Aussenminister nach Zürich um sich mit «SBG»-Vizedirektor Georg Meyer und den Vorstand der «Vereinigung Schweiz-Südafrika» zu treffen, wo ihnen an Ort und Stelle ein „Orden der guten Hoffnung“ und weitere 70 Millionen übergeben wurde. Und 1989 kommt Südafrikas Regime dank Robert Jeker auch noch zu einer Verschnaufpause bei der Rückzahlung der offenen Kredite über acht Milliarden Franken. Dies war die Ausgangslage damals, die mich bewog, in Südafrika für einen Augenschein und weitere Recherchen in den Untergrund zu gehen. Da ereignete sich noch ein kleiner Schicksalswink, der mich in dem Vorhaben bestärkte.

Wie so viele Aktivisten, schrieb ich der damaligen «SGB» (und heutigen «UBS»), die damals sehr stark in Südafrika aktiv war und das Apartheid-Regime unterstützte, einen Brief in der ich der Bank mitteilte, dass ich mein Konto aus Protest gegen die Finanzpolitik und das «SBG» Engagement auflöse und sie bat, das Guthaben auf ein anderes Konto zu überweisen. Das geschah auch mit einem unwirtlichen Belehrungsbrief der «UBS». Auf meinem neuen Konto trafen dann aber aus Versehen 5000 Franken mehr ein. Das war wie ein Zeichen „von höheren Mächten“, dass ich auf dem richtigen Pfad bin und die Mission „von oben“ genehmigt und befürwortet wird.

Also beantragte ich ein «loose leaflet» Visa, das auf einem Papier und nicht im Pass gestempelt wurde, damit kein geächteter Eintrag im Pass stand, der aufgrund der Sanktionen zu Reiseeinschränkungen geführt hätte und flog ich nach Johannesburg. Ich hatte ja zuerst in London und dann auch in der Schweiz Kontakte zu ANC-Exilanten und war gerüstet mit einigen Kontakten in Soweto und andern Orts im Land der weissen Herren, zu denen die Schweizer Regierung, Finanzbranche und Bergbauindustrie noch immer gute Kontakte pflegte.

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IN EIGENER SACHE: IHR BEITRAG AN HUMANITAERE UND OEKO-PROJEKTE

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Der Autor unterstützt noch immer zahlreiche Projekte. Infolge der COVID-19 Pandemie ist es aber für den Autor selbst für und zahlreiche Projekte schwieriger geworden. Die Situation hat sich verschärft. Für Ihre Spende, die einem der im Buch genannten Projekte zufliesst, bedanke ich mich. Falls Sie einen Beitrag spenden wollen, melden Sie sich bitte per Mail bei mir gmc1(at) gmx.ch. Vielen Dank im Namen der Empfänger/innen.