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Vision Null: Warum wir langfristig kein CO2 mehr freisetzen dürfen

Headerbild Airial shot of a Coral-Reef in the Whitsunday Islands, Great Barrier Reef, Queensland, Australia. © GMC Photopress, Gerd Müller, gmc1@gmx.ch

El Nino wird diese Jahr wieder gravierende Auswirkungen auf die Südliche Hemisphäre und das Korallenriff Great Barrier Reef haben. © GMC Photopress, Gerd Müller

Jedes Klimaziel gewährt uns ein Budget an Emissionen. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, braucht es eine vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft in den nächsten 50 Jahren. Dazu reicht es nicht aus, dass wir die existierenden Prozesse effizienter gestalten. Es braucht tiefgreifende Umwälzungen in fast allen Aspekten unserer Gesellschaft. Von: Prof. Nicolas Gruber, ETH Zürich

CO2-Absenkpfad
© Fotolia.com / stockWERK

Nächsten Mittwoch findet an der ETH Zürich die dritte «Klimarunde» statt. Sie dreht sich um das Thema «Vision Null» und fragt nach möglichen Wegen zu einer CO2-neutralen Gesellschaft. In diesem Beitrag möchte ich den wissenschaftlichen Hintergrund dieser Vision diskutieren.

Ein Etat an globalen CO2-Emissionen

Die Forschung der letzten zehn Jahre hat klar gezeigt, dass uns für jedes gewählte Klimaziel nur eine beschränkte Menge an CO2-Emissionen zur Verfügung steht. Wie viel das genau ist, bestimmen die so genannte Klimasensitivität und die Aufnahmekapazität von Wäldern und Ozeanen, also die Stärke von CO2-Senken. Die Klimasensitivität beschreibt, wie stark sich die Erde erwärmt, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zunimmt. Und die Stärke der CO2-Senken bestimmt, wie stark CO2 in der Atmosphäre zunimmt bei einer gegebenen Menge an Emissionen.

Nehmen wir an, dass die Wälder und Ozeane wie bisher rund die Hälfte der CO2-Emissionen aufnehmen, und dass die Erde sich um ca. drei Grad Celsius erwärmt, wenn sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Vergleich zur vorindustriellen Zeit verdoppelt. Dann ergibt eine Abschätzung anhand einiger vereinfachender Annahmen (siehe Kasten am Ende des Beitrags), dass uns das Zwei-Grad-Ziel ein Budget von rund 800 Gigatonnen Kohlenstoff (Gt C) erlaubt. Das sind 800 Milliarden Tonnen C oder rund 3000 Milliarden Tonnen CO2. Simulationen mit den modernsten Klimamodellen, die auch Rückkopplungen zwischen dem Klima und dem Kohlenstoffkreislauf erlauben, ergeben eine sehr ähnliche Zahl. Die uns zustehenden Emissionen können wir uns als Kuchen vorstellen, den wir langsam aufessen dürfen. Der Kuchen scheint auf den ersten Blick lange zu reichen – schliesslich ist er ja dank den starken Senken im Meer und den Wäldern auch doppelt so gross, wie wenn diese uns nicht helfen würde, der Atmosphäre CO2 zu entziehen.

Schon mehr als die Hälfte weggegessen

Wenn wir aber nachrechnen, wie viel CO2 die Menschheit in den letzten 150 Jahren durch verbrannte fossile Energieträger und abgeholzte Wälder emittiert hat, dann bleibt leider nur noch weniger als die Hälfte des Kuchens übrig. Konkret haben wir von diesem Budget schon mehr als 500 Gt C verbraucht, so dass uns nur noch rund 300 Gt C bleiben [1]. Wenn wir von den heutigen Emissionen (ca. 10 Gt C pro Jahr) und deren Trends ausgehen, dann werden wir das Budget in weniger als drei Jahrzehnten aufgebraucht haben [2]. Danach darf netto kein weiteres CO2 in die Atmosphäre gelangen, ansonsten erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit stark, dass wir übers Zwei-Grad-Ziel hinausschiessen.

Entwicklung der Emissionen und Illustration des CO2-Budgets für das Zwei-Grad-Ziel: Die schwarze Linie zeigt die Zunahme der Emissionen seit 1950. Die roten Flächen stellen die projizierten Emissionen in den IPCC Baseline Szenarien (ohne Klimaschutzmassnahmen) dar, während die grünen Flächen die Emissionen zeigen, die mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbar sind. Die verschiedenen Farben zeigen Unsicherheiten. (Figur aus Knutti und Rogelj (2015), modifiziert)

Das bedeutet, dass ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die globalen CO2-Emissionen auf null gehen müssen. Demzufolge sollten wir uns nicht an einer CO2-armen, sondern an einer CO2-freien Zukunft orientieren.

Welche Reduktionsrate ist realistisch?

Ein schneller Absenkpfad würde es erlauben, dass auch zukünftige Generationen noch CO2 emittieren könnten. Solch schnelle Absenkpfade sind aber nur sehr schwierig zu erreichen. Wir haben einen starken «Lock-In»-Effekt, der dadurch zustande kommt, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten weltweit stark in die fossil getriebene Infrastruktur investiert haben und es immer noch tun. Bei durchschnittlichen Laufzeiten von fossilen Kraftwerken von mehreren Jahrzehnten haben es die neuen Energiequellen nicht einfach, diesen Markt zu knacken, auch wenn mittlerweile die Preise durchaus kompetitiv sind (siehe Blogbeitrag von Tony Patt nächste Woche). Zudem müssen die Windturbinen, Solarpanels, und die ganze zugehörige Infrastruktur zuerst gebaut und installiert werden. Und das bedingt den Bau von neuen Fabriken, die Ausbildung von neuen Spezialisten, und substantielle Investitionen. Das braucht Zeit. Anhand der Geschwindigkeit der Marktdiffusion von neuen Technologien in der Vergangenheit kann man abschätzen, dass es sehr schwierig wird, eine Absenkrate von mehr als sechs Prozent pro Jahr zu erreichen.

Vision Null

Selbst wenn wir diesem optimistischen Absenkpfad folgen, werden wir das globale Budget noch vor Ende des Jahrhunderts aufgebraucht haben. Bei der Aufteilung der Emissionsrechte auf die einzelnen Staaten müssen wir aber noch berücksichtigen, dass den entwickelten Ländern aufgrund ihrer vergangenen Emissionen wohl künftig proportional weniger Emissionen zur Verfügung stehen werden [3]. Und falls wir die Trendwende bei den CO2-Emissionen global verschlafen, dann kann das Zwei-Grad-Ziel nur noch mit «negativen Emissionen» erreicht werden, d.h. dass wir netto CO2 aus der Atmosphäre entfernen müssen. Das ist technologisch heute schon möglich [5], aber es ist sehr teuer, und es bleibt unklar, wo das CO2 dann gelagert werden soll.

Fazit

Für die Schweiz sehe ich die Notwendigkeit einer vollständigen Dekarbonisierung unserer Gesellschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts [4]. Wir haben zwar fast 50 Jahre Zeit, diesen Prozess umzusetzen – aber es ist ein langer Weg, der nicht 2030 aufhört, sondern weiter führt bis die Emissionen auf null gesenkt sind.

Verdankung: Ich danke Prof. Reto Knutti für seinen wertvollen Beitrag zu diesem Text.

Weiterführende Informationen

[1] Aufgrund der grossen Unsicherheiten ist dieser Wert mit 500 Gt C bewusst vorsichtig gewählt. IPCC bezifferte die gesamten anthropogenen Emissionen auf 555 Gt C.

IPCC AR5, WG1, Summary for Policy Maker, schreibt: „From 1750 to 2011, CO2 emissions from fossil fuel combustion and cement production have released 375 [345 to 405] Gt C to the atmosphere, while deforestation and other land use change are estimated to have released 180 [100 to 260] GtC. This results in cumulative anthropogenic emissions of 555 [470 to 640] GtC.“

[2] CO2-Zähler: Link

[3] Beitrag zum CO2-Kuchen und dessen Aufteilung

[4] Beitrag zum Thema Vision Null

[5] Climeworks: CO2-Speicherung

(Quelle: ETH Zürich)

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Reduktionziel 2014 nicht erreicht: CO2-Abgabe auf Brennstoffe wird 2016 erhöht

Bern, 03.07.2015 – Im Jahr 2014 sind die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen in der Schweiz nicht genügend gesunken. Das Reduktionsziel wurde nicht erreicht. Wie in der CO2-Verordnung vorgesehen, wird die CO2-Abgabe auf Brennstoffe ab nächstem Jahr von heute 60 auf 84 Franken pro Tonne CO2 angehoben. Damit verstärkt sich der Anreiz, weniger fossile Brennstoffe einzusetzen und vermehrt auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe werden zu einem grossen Teil an Bevölkerung und Wirtschaft zurück verteilt.

Die Schweiz hat sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Gemäss CO2-Gesetz, mit dem diese Verpflichtung umgesetzt wird, ist diese Reduktion im Inland zu erbringen. Ungefähr 40 Prozent der Treibhausgase der Schweiz stammen aus fossilen Brennstoffen wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Zur Einhaltung des Reduktionsziels bis 2020 hat der Bundesrat in der CO2-Verordnung Zwischenziele für die Jahre 2012, 2014 und 2016 definiert. Werden diese Ziele verfehlt, erhöht sich die CO2-Abgabe auf das Folgejahr in vordefinierten Stufen.

Die CO2-Abgabe ist ein zentrales Instrument des CO2-Gesetzes und setzt einen Anreiz, klimaschädigende Treibhausgase zu vermindern und vermehrt CO2-neutrale oder CO2-arme Energieträger einzusetzen. Den maximalen Abgabesatz hat das Parlament bei 120 Franken pro Tonne CO2 festgelegt.

Zahlen und Fakten

Die am 3. Juli 2015 vom Bundesamt für Umwelt BAFU veröffentlichte CO2-Statistik zeigt, dass der CO2-Ausstoss aus Brennstoffen zwischen 2013 und 2014 zwar weiter gesunken ist. Der Rückgang reicht allerdings nicht aus, um den Zielwert von 76 Prozent des Wertes von 1990 zu erreichen, damit keine Erhöhung des Abgabesatzes eintreten müsste. Um den Effekt von unterschiedlich kalten Wintern auszugleichen, werden die Verbrauchswerte witterungsbereinigt. Weil die witterungsbereinigten CO2-Emissionen im Jahr 2014 bei 78,5 Prozent liegen, erhöht sich die CO2-Abgabe per 1. Januar 2016 von heute 60 auf 84 Franken pro Tonne CO2. Umgerechnet auf einen Liter Heizöl extraleicht entspricht dies einem Anstieg von 16 auf 22 Rappen bzw. von 12 auf 17 Rappen pro Kubikmeter Erdgas.

Um die Wirtschaft zu schonen, sind Unternehmen, die von der CO2-Abgabe in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt würden, befreit. Sie verpflichten sich im Gegenzug zur Verringerung ihrer Emissionen oder nehmen am Emissionshandel teil. Sie sind folglich von der Erhöhung nicht betroffen. Die übrigen Unternehmen, die sich seit Einführung der CO2-Abgabe im Jahr 2008 angepasst und ihre Emissionen gesenkt haben, unterliegen der Abgabe weniger stark.

Verteilung der Erträge

Ein Drittel des Ertrags der CO2-Abgabe oder maximal 300 Millionen Franken wird im Rahmen des Gebäudeprogramms für Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen bei Gebäuden verwendet. 25 Millionen fliessen in den Technologiefonds, mit dem der Bund mit Bürgschaften Darlehen an innovative Unternehmen absichert. Der Rest von voraussichtlich ca. 650 Millionen Franken wird über die Krankenkassen an die Bevölkerung und über die AHV an die Wirtschaft zurück verteilt (siehe Internet Seite Rückverteilung der CO2-Abgabe).

Bei den Treibstoffen sieht das CO2-Gesetz zwei Instrumente für die Emissionsreduktion vor: die CO2-Vorschriften auf neuen Personenwagen, die im Jahr 2015 im Durchschnitt noch 130 Gramm pro Kilometer ausstossen dürfen, und die Pflicht für Treibstoffimporteure, bis 2020 10 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Verkehr mit Klimaschutzprojekten im Inland zu kompensieren. Die CO2-Emissionen aus Treibstoffen sind 2014 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen (-0,7 Prozent), sie liegen aber noch immer 11 Prozent über dem Wert von 1990.

Klimaschutz-Technologiefonds des Bundes startbreit

Bern, 31.10.2014 – Ab 1. November 2014 ist der Technologiefonds, ein klimapolitisches Instrument des Bundes, operativ. Innovative Unternehmen können beim Fonds eine Bürgschaft beantragen. So will der Bund Innovationen fördern, die Treibhausgase oder den Ressourcenverbrauch senken oder den Einsatz erneuerbarer Energien begünstigen.

Der Technologiefonds ist im CO2-Gesetz verankert. Bis 2020 sind jährlich maximal 25 Millionen CHF aus den Einnahmen der CO2-Abgabe für den Technologiefonds zweckgebunden. Ab 2015 können Unternehmen durch Darlehensbürgschaften aus dem Fonds unterstützt werden, wenn sie neuartige klimafreundliche oder ressourcenschonende Produkte und Verfahren entwickeln und vermarkten.

Dies können beispielsweise innovative Technologien in der Gebäudetechnik und in der Mobilität sowie für umweltschonende Heizung, Kühlung, Energieerzeugung, -speicherung und -management sein oder auch solche zur Reduktion von Emissionen in industriellen Produktionsprozessen oder in der Land- und Forstwirtschaft. Verbürgt werden bis zu drei Millionen CHF für eine Laufzeit von maximal 10 Jahren. Bei positiver Beurteilung erhalten die Unternehmen eine Zusicherung. Die Bürgschaft wird Banken oder anderen geeigneten Darlehensgebern gewährt.

Finanzierungslücke überbrücken

Der Technologiefonds unterstützt marktfähige Innovationen, die ohne die Bürgschaft nicht realisiert würden. Er überbrückt die Finanzierungslücke im Innovationszyklus während der Vermarktungsphase. Der Fonds hilft insbesondere Schweizer KMU, zu guten Bedingungen an Fremdkapital zu gelangen. Er wirkt komplementär zu den bestehenden Förderinstrumenten des Bundes wie zum Beispiel der Förderung von Umwelttechnologie und Energieforschung oder den Unterstützungsangeboten der Kommission für Technologie und Innovation KTI.

Einreichen der Bürgschaftsgesuche ab 1. November 2014

Für die Prüfung der Gesuche und die Begleitung der Bürgschaften wurde im Rahmen eines WTO-Verfahrens Emerald Technology Ventures zusammen mit South Pole Carbon zur externen Geschäftsstelle bestimmt (vgl. Kasten). Die Geschäftsstelle prüft die Bürgschaftsgesuche und unterbreitet sie einem Bürgschaftskomitee, das sich aus Vertretern des Bundes und der Privatwirtschaft zusammensetzt. Das BAFU entscheidet über die Gesuche per Verfügung.

Bürgschaftsgesuche können bei der Geschäftsstelle bereits ab 1. November 2014 eingereicht werden.
Die Geschäftsstelle des neuen Technologiefonds 

Emerald Technology Ventures

Emerald Technology Ventures ist ein global führender Investor in den Bereichen Energie, Wasser, neue Materialien und industrielle IT Lösungen. Im Jahre 2000 gegründet, hat Emerald bis heute in mehr als fünfzig Jungunternehmen aus drei Wagniskapitalfonds investiert und ist ein Open Innovation Partner für zahlreiche multinationale industrielle Konzerne. Emerald unterhält Büros in Zürich (Schweiz) und Toronto (Kanada) und verwaltete seit der Gründung Vermögenswerte von über 660 Millionen USD.

South Pole Carbon

South Pole Carbon bietet Lösungen und Dienstleistungen im Nachhaltigkeitsbereich an. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Marktmechanismen zu entwickeln, die den Kampf gegen den Klimawandel voranbringen. Das Unternehmen, mit Hauptsitz in Zürich, betreibt 17 Niederlassungen weltweit. South Pole Carbon wurde 2014 zum vierten Mal in Folge zum Best Project Developer Environmental Finance gewählt.