Schlagwort-Archive: Menschenrechtsverletzungen

China: Uno muss wegen Gräueltaten in Xinjiang handeln

Peking: Tianammen-City, not really a place of heavenly peace

Amnesty International fordert die Uno auf, die schweren Menschenrechtsverletzungen gegen muslimische Minderheiten in China zu untersuchen. Mehr als 323’000 Menschen weltweit haben einen Aufruf zur Freilassung der Hunderttausenden Inhaftierten in Xinjiang unterzeichnet.

Die internationale Gemeinschaft muss die anhaltenden gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Chinas uigurischer autonomer Region Xinjiang scharf verurteilen und den Weg für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht ebnen, schreibt Amnesty International heute in einem offenen Brief an die Uno-Mitgliedstaaten.

Der Aufruf erfolgt, nachdem 323‘832 Menschen aus 184 Ländern und Gebieten die Petition der Organisation unterzeichnet haben, in der die chinesischen Behörden aufgefordert werden, die Hunderttausende von Männern und Frauen der muslimischen Minderheit freizulassen, die in Xinjiang willkürlich festgehalten und massenhaft interniert, gefoltert und verfolgt werden. Die weltweite Petition ist Teil einer laufenden Kampagne von Amnesty International, die ein Ende der schweren Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang fordert.

«Hunderttausende von Menschen haben unsere Petition unterzeichnet, um ihre Empörung über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang zum Ausdruck zu bringen.» Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International

«Weltweit haben Hunderttausende von Menschen unsere Petition unterzeichnet, um ihre Empörung über Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen an Muslim*innen in Xinjiang zum Ausdruck zu bringen», sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International. «Jede Unterschrift ist eine direkte Aufforderung an China, die systematische Verfolgung dieser Menschen unwillkürlich einzustellen.»

«Die chinesische Regierung muss sofort alle willkürlich in den Lagern und Gefängnissen inhaftierten Personen freilassen, das System der Internierungslager auflösen und die systematischen Angriffe gegen die überwiegend muslimischen Volksgruppen in Xinjiang beenden.»

Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen

Im Juni 2021 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, in dem dokumentiert wird, wie Uigur*innen, Kasach*innen und andere überwiegend muslimische ethnische Minderheiten in Xinjiang systematischen staatlich organisierten Masseninhaftierungen, Folter und Verfolgung ausgesetzt sind, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.

Die chinesische Regierung hat sich völlig unwillig gezeigt, die tatsächliche Situation in Xinjiang anzuerkennen, die Menschenrechtsverletzungen zu beenden, unparteiische und gründliche Untersuchungen durchzuführen und den mutmasslichen Verantwortlichen den Prozess zu machen.

Die Uno-Gremien und die Mitgliedstaaten haben nur langsam auf die Menschenrechtsverletzungen reagiert. So ging letzte Woche eine weitere Sitzung des Uno-Menschenrechtsrats zu Ende, ohne dass formelle Massnahmen ergriffen wurden.

Amnesty International ruft die Uno-Mitgliedsstaaten daher auf, die schweren Menschenrechtsverletzungen Chinas in Xinjiang aufs Schärfste zu verurteilen und einen robusten, unabhängigen, internationalen Untersuchungsmechanismus einzurichten, um die Rechenschaftspflicht sicherzustellen.

«Trotz zunehmender Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen nach internationalem Recht in den letzten vier Jahren sind die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden, China zur Rechenschaft zu ziehen», sagte Agnès Callamard. «Die internationale Gemeinschaft muss aufhören, so zu tun, als ob der Albtraum für Muslim*innen in Xinjiang von selbst enden würde. Es wurde bereits zu viel Zeit vergeudet.»

Pegasus Projekt: Spionage-Software späht Medien, Zivilgesellschaft und Oppositionelle aus

Die Überwachungssoftware «Pegasus» des israelischen Unternehmens NSO Group wird weltweit eingesetzt, um Medienschaffende, Menschenrechtsverteidiger und Aktivistinnen systematisch zu überwachen. Dies enthüllte ein gemeinsames Recherche-Projekt von mehr als 80 Medienschaffenden in zehn Ländern in Zusammenarbeit mit der NGO «Forbidden Stories» und Amnesty International. Die Spyware der NSO Group wurde eingesetzt, um auf der ganzen Welt in massivem Ausmass Menschenrechtsverletzungen zu ermöglichen. Das ergab eine gross angelegte Untersuchung des Leaks von 50’000 Telefonnummern potenzieller Überwachungsziele. Zu den Ausgespähten gehören Staatsoberhäupter, Kritiker und Medienschaffende.

Das Pegasus-Projekt umfasst derzeit mehr als 80 Journalist/innen aus 17 Medienorganisationen in 10 Ländern. Koordiniert wird diese bahnbrechende Zusammenarbeit von Forbidden Stories, einer in Paris ansässigen gemeinnützigen Medienorganisation, mit technischer Unterstützung von Amnesty International, die modernste forensische Untersuchungen an Mobiltelefonen durchführten, um Spuren der Spionagesoftware Pegasus zu finden.

«Bis diese Firma und die gesamte Industrie zeigen kann, dass sie in der Lage ist, die Menschenrechte zu wahren, muss sofort ein Moratorium für den Export, den Verkauf, den Transfer und die Nutzung von Überwachungstechnologie in Kraft treten.» Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International.

«Das Pegasus-Projekt legt offen, dass die NSO-Spyware das Mittel der Wahl für repressive Regierungen ist, die versuchen, Journalist*innen zum Schweigen zu bringen, Aktivist*innen anzugreifen und abweichende Meinungen zu unterdrücken, was unzählige Menschenleben in Gefahr bringt», sagte Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International.

«Diese Enthüllungen widerlegen alle Aussagen von NSO, dass solche Angriffe selten und auf eine böswillige Verwendung ihrer Technologie zurückzuführen seien. Während das Unternehmen behauptet, dass seine Spionagesoftware nur für legitime kriminelle und terroristische Ermittlungen eingesetzt werde, ist klar, dass die Technologie systemischen Missbrauch ermöglicht. Die Firma zeichnet ein Bild der Legitimität, während sie von grossflächigen Menschenrechtsverletzungen profitiert.

Es ist eindeutig, dass das Verhalten des Unternehmens grössere Fragen über den Mangel an Regulierung aufwirft – eine Situation, die die Verletzung der Menschenrechte von Aktivist*innen und Journalist*innen im grossen Stil ermöglicht. Bis diese Firma und die gesamte Industrie zeigen kann, dass sie in der Lage ist, die Menschenrechte zu wahren, muss sofort ein Moratorium für den Export, den Verkauf, den Transfer und die Nutzung von Überwachungstechnologie in Kraft treten.»

In einer schriftlichen Antwort an Forbidden Stories und seine Medienpartnerinnen sagte die NSO Group, dass sie «die falschen Behauptungen» in dem Bericht «entschieden bestreitet». Das Unternehmen schrieb, dass die Berichterstattung des Konsortiums auf «falschen Annahmen» und «unbestätigten Theorien» basiere und bekräftigte, dass das Unternehmen auf einer «lebensrettenden Mission» sei. Eine ausführlichere Zusammenfassung der Antwort der NSO Group finden Sie hier.

Die Untersuchung von Amnesty International und Medienpartnern

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Spyware Pegasus der NSO Group, die, wenn sie heimlich auf den Telefonen der Betroffenen installiert wird, einem Angreifer vollständigen Zugriff auf die Nachrichten, E-Mails, Medien, Mikrofon, Kamera, Anrufe und Kontakte des Geräts ermöglicht. Im Laufe der nächsten Woche werden Medienpartnerinnen des Pegasus-Projekts – darunter The Guardian, Le Monde, die Süddeutsche Zeitung und die Washington Post – eine Reihe von Berichten veröffentlichen, in denen Details darüber enthüllt werden, wie Staatsoberhäupter, Politiker*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen als potenzielle Ziele dieser Spionage-Software ausgewählt wurden.

Die NSO Group hat keine angemessenen Massnahmen ergriffen, um den Einsatz ihrer Tools für die unrechtmässige gezielte Überwachung von Aktivist*innen und Journalist*innen zu stoppen.Anhand der durchgesickerten Daten und ihrer Recherchen haben Forbidden Stories und seine Medienpartnerinnen potenzielle NSO-Kunden in elf Ländern identifiziert: Aserbaidschan, Bahrain, Ungarn, Indien, Kasachstan, Mexiko, Marokko, Ruanda, Saudi-Arabien, Togo und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

Die NSO Group hat keine angemessenen Massnahmen ergriffen, um den Einsatz ihrer Tools für die unrechtmässige gezielte Überwachung von Aktivist*innen und Journalist*innen zu stoppen, obwohl sie entweder wusste oder hätte wissen müssen, dass dies geschieht.«Als ersten Schritt muss die NSO Group die Systeme ihrer Kund*innen sofort abschalten, wenn es glaubwürdige Hinweise auf Missbrauch gibt. Das Pegasus-Projekt liefert diese in Hülle und Fülle», sagte Agnès Callamard.

Familie Khashoggi im Visier

Im Zuge der Ermittlungen sind auch Beweise dafür aufgetaucht, dass Familienmitglieder des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vor und nach seiner Ermordung am 2. Oktober 2018 in Istanbul von saudischen Agenten mit Pegasus-Software ins Visier genommen wurden – trotz wiederholter Dementis der NSO Group.Das Security Lab von Amnesty International stellte fest, dass die Spionagesoftware Pegasus nur vier Tage nach Khashoggis Ermordung erfolgreich auf dem Telefon seiner Partnerin Hatice Cengiz installiert wurde.Auch seine damalige Frau, Hanan Elatr, wurde zwischen September 2017 und April 2018 wiederholt mit der Spyware anvisiert, ebenso wie sein Sohn Abdullah, der zusammen mit anderen Familienmitgliedern in Saudi-Arabien und den VAE ebenfalls als Ziel ausgewählt wurde.

In einer Stellungnahme reagierte die NSO Group auf die Vorwürfe des Pegasus-Projekts und sagte, dass ihre «Technologie in keiner Weise mit dem abscheulichen Mord an Jamal Khashoggi in Verbindung steht». Das Unternehmen fuhr fort, dass es «diese Behauptung unmittelbar nach dem abscheulichen Mord untersucht hat, die wie gesagt ohne Bestätigung erhoben wurde».

Journalist*innen unter Beschuss

Die Untersuchung hat bisher mindestens 180 Journalist*innen in 20 Ländern identifiziert, die zwischen 2016 und Juni 2021 für potenzielle Angriffe mit der NSO-Spionagesoftware ausgewählt wurden, darunter in Aserbaidschan, Ungarn, Indien und Marokko – alles Länder, in denen das harte Durchgreifen gegen unabhängige Medien verstärkt wurde.

Bisher hat die Untersuchung mindestens 180 Journalist*innen in 20 Ländern identifiziert, die zwischen 2016 und Juni 2021 für potenzielle Angriffe mit der NSO-Spionagesoftware ausgewählt wurden, darunter in Aserbaidschan, Ungarn, Indien und Marokko.

  • In Mexiko wurde das Telefon des Journalisten Cecilio Pineda nur wenige Wochen vor seiner Ermordung im Jahr 2017 für eine gezielte Überwachung ausgewählt. Das Pegasus-Projekt hat herausgefunden, dass über einen Zeitraum von zwei Jahren mindestens 25 mexikanische Journalist*innen als Ziel ausgewählt wurden. Die NSO Group bestreitet, dass die von Pinedas Telefon gesammelten Daten zu seinem Tod beigetragen haben, selbst wenn Pinedas Telefon ins Visier genommen worden wäre.
  • Pegasus wurde auch in Aserbaidschan eingesetzt, einem Land, in dem es nur noch wenige unabhängige Medien gibt. Mehr als 40 aserbaidschanische Journalist*innen wurden laut der Untersuchung als potenzielle Ziele ausgewählt. Das Security Lab von Amnesty International fand heraus, dass das Telefon von Sevinc Vaqifqizi, einem freien Journalisten des unabhängigen Medienunternehmens Meydan TV, über einen Zeitraum von zwei Jahren bis Mai 2021 mit Spyware infiziert war.
  • In Indien wurden zwischen 2017 und 2021 mindestens 40 Journalist*innen aus fast allen grossen Medien des Landes als potenzielle Ziele ausgewählt. Forensische Tests ergaben, dass die Telefone von Siddharth Varadarajan und MK Venu, Mitbegründer des unabhängigen Online-Outlets The Wire, gerade erst im Juni 2021 mit Pegasus-Spyware infiziert wurden.
  • Die Untersuchung identifizierte auch Journalist*innen, die für grosse internationale Medien wie Associated Press, CNN, The New York Times und Reuters arbeiten, als potenzielle Ziele. Eine der profiliertesten Journalist*innen war Roula Khalaf, die Redakteurin der Financial Times.

«Die Anzahl der Journalist/innen, die als Zielpersonen identifiziert wurden, illustriert anschaulich, wie Pegasus als Werkzeug zur Einschüchterung kritischer Medien eingesetzt wird. Es geht darum, die öffentliche Berichterstattung zu kontrollieren, sich der Kontrolle zu entziehen und jede abweichende Stimme zu unterdrücken», so Agnès Callamard. «Pegasus als Werkzeug zur Einschüchterung kritischer Medien eingesetzt wird. Es geht darum, die öffentliche Berichterstattung zu kontrollieren, sich der Kontrolle zu entziehen und jede abweichende Stimme zu unterdrücken.»Agnès Callamard«Diese Enthüllungen müssen als Katalysator für Veränderungen wirken. Die Überwachungsindustrie darf nicht länger einen Laissez-faire-Ansatz von Seiten der Regierungen erfahren, die ein Interesse daran haben, diese Technologie für Menschenrechtsverletzungen zu nutzen.»

Aufdecken der Pegasus-Infrastruktur

Amnesty International veröffentlicht heute die vollständigen technischen Details ihrer umfassenden forensischen Untersuchungen im Rahmen des Pegasus-Projekts.Der Methodenbericht dokumentiert die Pegasus-Spyware-Angriffe seit 2018 und enthält Details zur Infrastruktur der Spyware, darunter mehr als 700 Pegasus-bezogene Domains.

«NSO behauptet, seine Spyware sei nicht nachweisbar und werde nur für legitime kriminelle Ermittlungen eingesetzt. Wir haben jetzt unwiderlegbare Beweise für diese absurde Unwahrheit vorgelegt», sagte Etienne Maynier, Technologe im Security Lab von Amnesty International. Natürlich weist nichts darauf hin, dass die Kund*innen von NSO Pegasus nicht ebenfalls für Terrorismus- und Verbrechensermittlungen genutzt haben, und das Forbidden Stories-Konsortium fand in den Daten auch Nummern, die zu mutmasslichen Kriminellen gehören. «Die grossflächigen Rechtsverletzungen, die Pegasus ermöglicht, müssen aufhören. Unsere Hoffnung ist, dass die vernichtenden Beweise, die in der nächsten Woche veröffentlicht werden, die Regierungen dazu bringen werden, eine Überwachungsindustrie zu überholen, die ausser Kontrolle geraten ist», sagte Etienne Maynier.

Als Antwort auf eine Anfrage von Medienorganisationen, die am Pegasus-Projekt beteiligt sind, sagte die NSO Group, dass sie die Behauptungen «entschieden bestreitet» und erklärte, dass «viele von ihnen unbestätigte Theorien sind, die ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit Ihrer Quellen sowie an der Grundlage Ihrer Geschichte aufkommen lassen.» Die NSO Group hat weder bestätigt noch dementiert, welche Regierungen Kundinnen der NSO Group sind, obwohl sie sagte, dass im Pegasus-Projekt in dieser Hinsicht «falsche Annahmen» gemacht worden seien. Ungeachtet des generellen Dementis der Behauptungen sagte die NSO Group, dass sie «weiterhin alle glaubwürdigen Hinweise auf Missbrauch untersuchen und basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen angemessene Massnahmen ergreifen wird.

Weitere Berichte, die Sie interessieren könnten:

Pegasus späht Medien, Zivilgesellschaft und Oppositionelle aus

Bundesrat beschliesst Bildung eines Cyberbataillons

Aegypten: Bei den Beduinen im Sinai

Gazastreifen: «Was wir hier Tag und Nacht erleben, ist schrecklich.»

Israel: Die Zivilbevölkerung in den besetzten palästinensischen Gebieten zahlt erneut den Preis für die Eskalation

Libanon: Im Beiruter Flüchtlingscamp «Schatila» 

Zu Gast in der iranischen Botschaft in Bern zum 35. Jahrestag der Revolution

Israel: Die Zivilbevölkerung in den besetzten palästinensischen Gebieten zahlt erneut den Preis für die Eskalation

Seit dem 10. Mai haben bewaffnete palästinensische Gruppen hunderte Raketen auf zivile Gebiete im Zentrum Israels und auf Städte nahe der Grenze zu Gaza abgefeuert und dabei Zivilpersonen verletzt und getötet. Die israelischen Streitkräfte haben Luftangriffe durchgeführt, bei denen Zivilpersonen in Gaza verletzt und getötet wurden. Bei gezielten Angriffen der israelischen Armee wurden auch Wohngebäude, in denen Dutzende palästinensische Familien wohnten zerstört. Infolge der Gewalt wurden in Gaza bereits Dutzende Personen, darunter viele Kinder, getötet; auch in Israel wurden Zivilpersonen getötet.

«Die Intensivierung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und bewaffneten Gruppen in Gaza lässt befürchten, dass es in den kommenden Tagen zu weiterem Blutvergiessen kommen wird», sagt Saleh Higazi, stellvertretender Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International. «Alle Konfliktparteien sind verpflichtet, die Zivilbevölkerung zu schützen. Sie sollten sich bewusst machen, dass eine aktive Untersuchung vor dem Internationalen Strafgerichtshof hängig ist. Sie können nicht davon ausgehen, dass sie für in der Vergangenheit begangene Menschenrechtsverletzungen nicht bestraft werden. Denn das Abfeuern von Raketen auf Wohngebiete stellt unter Umständen ein Kriegsverbrechen dar.»  

Die Eskalation erinnert an die entsetzlichen Kampfhandlungen von 2008, 2012 und 2014, die auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen wurden und zu Tod und Zerstörung im Gazastreifen führten – einem Gebiet, das seit 2007 unter einer rechtswidrigen Blockade leidet, die als Kollektivstrafe betrachtet werden kann. Sowohl israelische Truppen als auch bewaffnete palästinensische Gruppen haben straflos Kriegsverbrechen und andere Menschenrechtsverstösse begangen. Doch weist Israel eine erschütternde Bilanz auf, was rechtswidrige Angriffe auf Gaza angeht, bei denen Zivilpersonen verletzt und getötet werden und die mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einhergehen. Auch bewaffnete palästinensische Gruppen haben Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht begangen, die ungeahndet blieben.

Die israelischen Streitkräfte nahmen seit den frühen Morgenstunden des 11. Mai zahlreiche Wohngebäude in Gaza ins Visier. Ein 13-stöckiges Hochhaus, das als Hanadi-Turm bekannt ist, wurde vollständig zerstört. Die Zivilbevölkerung war zuvor gewarnt worden, die Gegend zu verlassen. Am 12. Mai wurde zudem das Bürogebäude Al-Jawhara schwer beschädigt; das Hochhaus Al-Shurouq wurde am selben Tag komplett dem Erdboden gleichgemacht. Weitere Gebäude wurden teilweise beschädigt, indem ganz bestimmte Wohnungen ins Visier genommen wurden.

Amnesty International fordert die internationale Gemeinschaft und die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – einschliesslich die USA – auf, die Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht öffentlich zu verurteilen und Druck auf alle Konfliktparteien auszuüben, die Zivilbevölkerung zu schützen. Die USA müssen sich endlich bewegen und dem UN-Sicherheitsrat umgehend grünes Licht für eine eindeutige Stellungnahme geben. 

«Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates müssen sich unzweideutig öffentlich positionieren und unverzüglich ein umfassendes Waffenembargo über Israel, die Hamas und andere palästinensische bewaffnete Gruppen verhängen. Ziel muss es sein, weitere schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte seitens der Konfliktparteien zu verhindern, erklärte Saleh Higazi.

«Die internationale Gemeinschaft sollte Israel auffordern, die Ursachen des jüngsten Gewaltausbruchs anzugehen, wie zum Beispiel die fortdauernde Straflosigkeit für Kriegsverbrechen und andere schwere Verstösse gegen das Völkerrecht sowie die anhaltende Ausweitung rechtswidriger israelischer Siedlungen, die Blockade des Gazastreifens und die Vertreibung von Palästinenser*innen infolge rechtswidriger Zwangsräumungen, wie beispielsweise in Sheikh Jarrah.»

(Quelle: «Amnesty International»)

Weitere Berichte, die Sie interessieren könnten:

Aegypten: Bei den Beduinen im Sinai

Gazastreifen: «Was wir hier Tag und Nacht erleben, ist schrecklich.»

Israel: Die Zivilbevölkerung in den besetzten palästinensischen Gebieten zahlt erneut den Preis für die Eskalation

Libanon: Im Beiruter Flüchtlingscamp «Schatila» 

Zu Gast in der iranischen Botschaft in Bern zum 35. Jahrestag der Revolution

Iran: Internet-Shutdown zur Verheimlichung von Massentötungen

Iran: Hinter der prächtigen Fassade der Masjed Emam Moschee in Isfahan und anderen iranischen Städten brodelt es heftig.

Amnesty International geht zum Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Novemberproteste 2019 im Iran mit einer neuen Mikrosite online. Sie dokumentiert das wahre Ausmass unrechtmässiger Tötungen durch die Sicherheitskräfte und zeigt auf, wie die Regierung versuchte, die Verbrechen durch einen Internet-Shutdown vor der Welt zu verbergen.

Die Menschenrechtsorganisation hat in Zusammenarbeit mit der Hertie School und dem Internet Outage Detection and Analysis Project (IODA) die Mikrosite «iran-shutdown.amnesty.org» erstellt. Auf ihr finden sich mehr als 100 verifizierte Videos aus 31 iranischen Städten. Diese enthüllen den wiederholten Einsatz von Schusswaffen, Wasserwerfern und Tränengas durch die Sicherheitskräfte gegen unbewaffnete Protestierende und Passantinnen und Passanten.

 «Die Regierung dachte, sie könne die Menschen zum Schweigen bringen, indem sie das Land vom Internet abschnitt. Aber die iranische Bevölkerung war entschlossen, der Welt die Wahrheit mitzuteilen. Die neue Webseite soll den Mut derjenigen würdigen, die mit ihren Kameras die Gewaltszenen festhielten und damit enthüllten, was die Behörden verheimlichen wollten», sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

Iran: 304 Menschen kamen bei den Protesten ums Leben. Die Geistlichen Führer missachten die Menschenrechte aufs Brutalste und verhemlichten dies, durch die Abschaltung des Internets. Im Bild: Das Khomeini Mausoleum in Teheran

Insgesamt kamen im November 2019 bei den tagelang anhaltenden landesweiten Protesten im Iran mindestens 304 Menschen ums Leben. Die Opfer, darunter Frauen und Kinder, starben meist durch Schüsse in Kopf oder Brust, was auf eine vorsätzliche Tötung hindeutet.

Der 16. November 2019, der zweite Tag der Proteste, war der tödlichste mit mindestens 100 Todesopfern. An diesem Tag wurde auch das Internet gesperrt. Angesichts der zunehmenden Proteste wiesen die iranischen Behörden die Internet-Dienstleister gegen 14 Uhr Ortszeit an, ihre Netze abzuschalten.

Ab diesem Zeitpunkt beobachtete die IODA einen stetigen Rückgang der Signale, bis das Land gegen 19 Uhr digital von der Welt abgeschnitten war. Erst am 27. November wurde der Internetzugang wieder vollständig hergestellt. Aber auch bei späteren Protesten reagierte der Iran erneut mit Internet-Shutdowns.

Amnesty International betrachtet den Zugang zum Internet als unverzichtbares Mittel zum Schutz der Menschenrechte. Daher beteiligt sich die Organisation an der Kampagne #KeepItOn, bei der sich ein Zusammenschluss von mehr als 220 Organisationen für den Fortbestand des offenen und zugänglichen Internets einsetzt. Auch der Uno-Menschenrechtsrat erklärte, dass «Staaten Internetverbindungen in Verbindung mit friedlichen Versammlungen nicht blockieren oder verhindern dürfen.»

Bis heute wurde niemand für die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen an den Protestierenden bestraft. Amnesty International ruft daher den Uno-Menschenrechtsrat auf, ein Mandat für die Untersuchung der rechtswidrigen Tötungen zu erteilen, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die iranischen Behörden müssen als ersten Schritt gegen die Straflosigkeit unabhängige und unparteiische Untersuchungen einleiten. (Quelle: Amnesty International)

Kommission will indirekten Gegenvorschlag zur „Konzernverantwortungsinitiative“

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats schlägt im Rahmen der Aktienrechtsrevision gesetzliche Massnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung von internationalen Umweltstandards durch Konzerne mit Sitz in der Schweiz vor.

Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ist überzeugt, dass die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards für Konzerne mit Sitz in unserem Land nicht länger freiwillig sein darf. Davon zeugt die wachsende Unterstützung für die Konzernverantwortungsinitiative: Seit Lancierung wuchs der Trägerverein von 66 auf 97 Organisationen mit über einer Million Mitglieder. Zudem stehen ein Unterstützungskomitee mit 88 Persönlichkeiten und rund 30 Unternehmen hinter der Initiative. Die Initiantinnen und Initianten begrüssen, dass nun auch die Rechtskommission mit einer grossen Mehrheit den dringenden Handlungsbedarf anerkennt.

Das Initiativkomitee und die strategischen Gremien des Vereins Konzernverantwortungsinitiative haben im Vorfeld der Kommissionssitzung den ursprünglichen indirekten Gegenvorschlag von Nationalrat Karl Vogler (CSP/OW) geprüft. Dieser enthielt schmerzhafte Abstriche gegenüber der Initiative. So gälte die neue Regelung für weniger Unternehmen als die Initiative und die Haftung würde gleich mehrfach eingeschränkt – sie käme nur noch in gewissen Konstellationen und nur bei Verletzungen von Leib, Leben oder Eigentum zum Tragen.

Trotz dieser Nachteile gegenüber der Initiative hat das Initiativkomitee nach intensiven Diskussionen der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats mitgeteilt, dass eine unveränderte Verabschiedung dieses Vorschlags einen Rückzug der Volksinitiative ermöglichen würde. Hinter diesem Vorschlag stand auch der Wirtschaftsdachverband «Groupement des Entreprises Multinationales» (GEM), der 90 transnational tätige Unternehmen vereint. Nun hat die Kommission den Vorschlag von Karl Vogler noch weiter abgeschwächt: Der Geltungsbereich wurde durch die Verdoppelung der Schwellenwerte nochmals verkleinert. Unklar ist zurzeit, ob noch weitere Änderungen vorgenommen wurden. Überdies kündigte die Kommission an, möglicherweise an einer nächsten Sitzung erneut auf den Gegenvorschlag zurückzukommen. Unverständlich ist, dass die Kommission bei der gleichzeitigen Diskussion über Transparenzbestimmungen für den Rohstoffsektor entschieden hat, den Rohstoffhandel zu schonen.

Dick Marty, Co-Präsident des Initiativkomitees: «Der von uns geprüfte Gegenvorschlag war ein Kompromiss. Weil für uns eine rasche Verbesserung der Situation für die betroffenen Menschen im Vordergrund steht, stellen wir für diese ursprüngliche Version einen Rückzug in Aussicht. Sobald die Kommission einen finalen Text publiziert, werden wir den definitiven Antrag wiederum genau prüfen.»

Heute ist offen, ob der von der Kommission schliesslich definitiv beantragte Gegenvorschlag zu einem Rückzug der Initiative führen kann und wie die eidgenössischen Räte entscheiden werden. Deshalb bereiten der Verein Konzernverantwortungsinitiative und zahlreiche engagierte Freiwillige weiterhin mit voller Kraft die Abstimmungskampagne vor.

 

Das fordert die Initiative

Die Initiative will alle Konzerne verpflichten, die Menschenrechte und die Umwelt bei ihren Geschäften zu achten. Damit sich alle Konzerne an das neue Gesetz halten, müssen Verstösse Konsequenzen haben. Konzerne sollen deshalb in Zukunft für Menschenrechtsverletzungen haften, welche ihre Tochterfirmen verursachen.

EDA verurteilt Russland’s Angriffe auf medizinische Einrichtungen in Konfliktgebieten

Bern, 29.10.2015 – Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA ist bestürzt über die Häufung der Angriffe auf Spitäler und appelliert an Konfliktparteien, die nötigen Vorsichtsmassnahmen für den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen.

Das EDA ist bestürzt über die Angriffe auf medizinische Einrichtungen in Konfliktgebieten und drückt den Opfern der Angriffe und ihren Angehörigen wie auch der Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans Frontières, MSF), welche besonders betroffen ist, seine Anteilnahme aus. In den vergangenen Wochen wurden mehrere medizinische Einrichtungen in einem bewaffneten Konflikt zerstört. Bei Angriffen auf medizinische Einrichtungen wird die dringend benötigte medizinische Hilfe für Opfer des bewaffneten Konflikts schwer behindert.

Das EDA nimmt die Häufung der Angriffe zum Anlass, um zur strikten Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufzurufen. Insbesondere appelliert das EDA an alle Konfliktparteien, die nötigen Vorsichtsmassnahmen für den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen sowie medizinische Einrichtungen und Personal zu verschonen.

Die Schweiz unterstützt jede unabhängige, effiziente und umfassende Untersuchung, die zur Aufklärung beiträgt, wie es zu derartigen Vorfällen kommen konnte und welche vorbeugenden Massnahmen zum besseren Schutz medizinischer Einrichtungen in bewaffneten Konflikten ergriffen werden können. (Quelle: EDA)

So kommt das «togolesische» Gold in die Schweiz

Jedes Jahr importiert die Schweiz tausende Tonnen Minengold. Schweizer Raffinerien versichern, dass sie ihre Lieferketten strikt überwachen. Unsere Recherchen dagegen decken auf, dass das «togolesische» Gold, das in die Schweiz importiert wird, tatsächlich aus handwerklich betriebenen Minen in Burkina Faso stammt.

Dort wird das Metall unter prekärsten Bedingungen und zu einem guten Teil von Kindern abgebaut. 30 bis 50 % der Minenarbeiter sind minderjährig. Das Gold wird danach von Schmugglern illegal nach Togo gebracht. So prellen sie das arme Burkina Faso um jährlich mehrere Millionen Franken. In der togolesischen Hauptstadt Lomé kauft ein libanesischer Familienkonzern das Gold auf und liefert es – nun ganz legal – an seine Tochtergesellschaft in Genf. Diese verkauft es an die grösste Schweizer Raffinerie, Valcambi im Tessin. Die Raffinerie, die sich rühmt, strikteste Qualitätsstandards anzuwenden und die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren, scheint sich nicht um die wahre Herkunft des Goldes zu kümmern. Genau so wenig wie die Schweizer Behörden, die von diesem Geschäft gemäss einem Mitarbeiter der Bundespolizei «lieber nichts wissen» wollten.

Freiwillige Massnahmen reichen nicht aus

Die wahre Geschichte hinter dem «togolesischen» Gold, das in der Schweiz raffiniert wird, bringt einmal mehr ans Licht, wie ungenügend freiwillige Massnahmen vonseiten der Unternehmen sind, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Der Bundesrat hat zwar die Risiken im Zusammenhang mit dem Goldsektor anerkannt und unterstrichen, es sei wichtig, die Qualitätsstandards in Bezug auf Transparenz und Verantwortung zu verbessern. Doch trotz dieses wachsenden Bewusstseins sind die Anstrengungen, die unternommen werden, damit kein durch Korruption, Umweltschäden oder Verletzung von Menschenrechten verschmutztes Gold in die Schweiz importiert wird, noch ungenügend.

Um solchen Skandalen gegenzusteuern, hat die Erklärung von Bern zusammen mit über 60 Schweizer NGOs im April 2015 die Volksinitiative für verantwortungsvolle multinationale Konzerne lanciert. Sie soll Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dazu verpflichten, zu gewährleisten, dass ihre Tätigkeiten weder direkt noch indirekt zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden führen.

 (Quelle: Erklärung von Bern, EvB)

Aktiv werden

Um sicherzustellen, dass Schweizer Firmen nicht mehr mit Gold handeln, das von Kindern unter prekärsten Bedingungen abgebaut wird, müssen die Unternehmen gezwungen werden, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Arbeitsbedingungen in den Minen zu verbessern. Sie können mithelfen, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen.

Aserbaidschan: Europaspiele 2015 im Land der Unterdrückung

Public viewing am Züri-Fäscht auf dem Bellevue-Platz. Public viewing of the world cup during the Züri-Fäscht at Bellevue.viewing area at Bellevue how Germany wins against Argentina.

Kann der Fussball(verband) mehr bewegen, als nur feucht-fröhliches Gejohle? Bild: GMC/Gerd Müller

Einschüchterung, exzessive Polizeigewalt, Festnahmen von Regierungskritikern – dies sind  die Markenzeichen des Regimes in Aserbaidschan, das sich gerade als Gastgeber auf die Europaspiele vorbereitet. Das stellt Amnesty International in einem Bericht fest, der heute, hundert Tage vor der Eröffnungsfeier, veröffentlicht wurde.

Der Bericht «Guilty of Defending Rights: Azerbaijan’s human rights defenders and activists behind bars» dokumentiert die zunehmende Verfolgung von Regierungskritikern. Sie werden aufgrund falscher Anschuldigungen geschlagen, bedroht und eingesperrt, Zugang zu einem Anwalt oder dringende medizinische Hilfe wird ihnen verwehrt.

«Keiner sollte sich vom Glanz und Glamour der geplanten Eröffnungsfeier in Baku blenden lassen. Damit will die Regierung ihr Ansehen weltweit aufpolieren und ausländische Investoren anlocken. Das Regime in Aserbeidschan gehört zu den repressivsten in Europa. Wenn es Medaillen gäbe für die Zahl der inhaftierten Aktivistinnen und Menschenrechtsverteidiger, würde Aserbaidschan ganz oben auf dem Treppchen stehen», sagt Lisa Salza, Zentralasien-Koordinatorin bei Amnesty International Schweiz.

Mindestens 22 Gewissensgefangene befinden sich zur Zeit in Aserbeidschan im Gefängnis oder in Polizeigewahrsam und warten auf ein Gerichtsverfahren, in dem ihnen von Betrug über Unterschlagung bis hin zu Drogendelikten und Landesverrat alles vorgeworfen wird.
Präsident Ilham Alijew hat im Juni 2014 in einer Rede vor dem Parlament versichert, dass die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Lande garantiert seien. Die Aussagen von bekannten Menschenrechtsverteidigern zeugen vom Gegenteil. Sie sprechen von mehr als 90 Fällen, bei denen Menschen bedroht, eingeschüchtert, willkürlich verhaftet oder mit politisch motivierten Anklagen überzogen wurden, weil sie es wagten, die Regierung zu kritisieren.

«Die letzte Welle von Verhaftungen hat die Zivilgesellschaft gelähmt und die Meinungsfreiheit gedeckelt. Dies markiert in Sachen Menschenrechten einen historischen Tiefpunkt seit der Unabhängigkeit des Landes», so Lisa Salza.

Einschüchterung von Aktivistinnen und Journalisten

Die 60-jährige Leyla Yunus, eine der bekanntesten Kritikerinnen des Regimes, wurde im Juli 2014 verhaftet. Einige Tage zuvor hatte sie dazu aufgerufen, die Europaspiele wegen der verheerenden Menschenrechtlage im Land zu boykottieren. Leyla Yunus erzählte ihrem Anwalt, dass ein Gefängniswärter sie aus ihrer Zelle geholt und in einen leeren Raum eingesperrt habe. Dort sei sie zu Boden geschmissen und getreten worden. Ein anderes Mal sei sie von Gefängniswärtern sexuell belästigt worden. Sechs Monate wartete sie im Gefängnis auf ihre Gerichtsverhandlung. Unterdessen ging es ihr gesundheitlich immer schlechter, sie leidet an Diabetes und Hepatitis C. Leyla Yunus wurde wegen Verrats, krimineller Geschäftsaktivitäten, Steuerhinterziehung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Betrugs und Fälschung angeklagt. Die Anschuldigungen sind frei erfunden und eindeutig politisch motiviert.

Auch kritische Journalisten stehen im Fokus des Regimes. Am 5. Dezember wurde zum Beispiel die preisgekrönte investigative Journalistin Khadija Ismayilova unter fadenscheinigen Gründen festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, einen ehemaligen Kollegen in den Selbstmord getrieben zu haben.

Die Regierung hat es auch explizit auf junge Aktivistinnen und Aktivisten abgesehen. Ihnen werden Drogenvergehen oder Rowdytum zur Last gelegt. Faraj Karimov, ein bekannter Blogger des Landes, sagte aus, dass er von der Polizei geschlagen worden sei, damit er zugebe, mit Drogen gehandelt zu haben.

Im Gefängnis wird häufig Gewalt ausgeübt. Orkhan Eyyubzade, ein 19-jähriger Demokratie-Aktivist war zwanzig Tage lang in Administrativhaft, weil er an einer nicht genehmigten friedlichen Demonstration teilgenommen hatte. Polizisten haben ihn nackt ausgezogen, gefesselt und verprügelt. Die Beamten drohten zudem, ihn mit einer Flasche zu vergewaltigen. Die Vorwürfe wurden nie untersucht. Stattdessen wurde Eyyubzade später vorgeworfen, er habe die Polizisten angegriffen. Eyyubzade wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Amnesty: politische Gefangene freilassen!

«Mit dem Blick auf die Petrodollars aus Aserbeidschan hat die internationale Gemeinschaft weggeschaut. Sie schweigt über das repressive Vorgehen der Behörden in Aserbeidschan und die andauernden Menschenrechtsverletzungen. Das ist extrem kurzsichtig und eine Missachtung der Menschen, die im Gefängnis sitzen», sagt Lisa Salza.

Amnesty International fordert die Behörden in Aserbeidschan auf, alle politischen Gefangenen bedingungslos freizulassen und alle Vorwürfe von Misshandlungen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren zu untersuchen. Ausserdem fordert Amnesty, dass die Behörden damit aufhören, Menschen zu bedrohen oder sie wegen krimineller Machenschaften anzuklagen, nur weil sie von ihrem Recht auf Meinungs- oder Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben. (Quelle: Amnesty)


Links zu weiteren Specials und Dossiers

NGO-Radar | Datenschutz-Dossier | (A-)Soziales im Inland | Klima & Umwelt-Dossier

AI-Briefmarathon: Ein Zeichen für die Menschenrechte setzen

Der Briefmarathon 2014 steht im Zeichen des Kampfes gegen die Folter. © AI z.V.g.

Der Amnesty-Briefmarathon zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember ist die weltweit grösste Briefaktion für Menschen im Gefängnis und in Gefahr: Im vergangenen Jahr haben dabei Menschen aus mehr als 140 Ländern über 2,3 Millionen Briefe, Faxe, E-Mails, SMS und Tweets an verantwortliche Regierungen verschickt.

Dieses Jahr ist der 10. Dezember auch der 30. Jahrestag der Unterzeichnung der Anti-Folter-Konvention. Der Briefmarathon 2014 steht deshalb im Zeichen des Kampfes gegen die Folter.

Es geht um sechs Menschen aus China, Saudi-Arabien, Nigeria, den USA, Usbekistan und Venezuela, die in Zusammenhang mit ihrer Verhaftung gefoltert worden sind, darunter den saudischen Blogger Raif Badawi und die amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning: Das saudische Regime verurteilte Raif Badawi, Vater von drei Kindern, zu 10 Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben, weil er den Islam und religiöse Autoritäten beleidigt haben soll. Chelsea Manning verbrachte 11 Monate in Isolationshaft, bevor sie zu 35 Jahren Haft verurteilt worden ist. Sie hatte Informationen über Menschenrechtsverletzungen der US-Armee an Wikileaks weitergegeben.

» Unterschreiben auch Sie für die sechs Folteropfer